Intendant
Herrn Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Programmbeschwerde: UN-Verhandlungen zum Atomwaffenverbot
Sehr geehrter Herr Marmor,
wir erheben Programmbeschwerde gegen die Berichterstattung von ARD-aktuell zu den UN-Verhandlungen zum Atomwaffenverbot wegen Aussparung wichtiger Informationen.
Im Einzelnen richtet sich die Beschwerde gegen die entsprechenden Beiträge vom 27.03.2017 um 20:15 und 22:15 in den Hauptnachrichtensendungen:
Ab Minute 12:00 – Tagesschau: https://www.tagesschau.de/multimedia/se ... 19009.html
Ab Minute 17:50 - Tagesthemen: https://www.tagesschau.de/multimedia/se ... -5127.html
In o. g. Sendungen wurde in wenigen Sekunden über die UN-Verhandlungen zum Atomwaffenverbot berichtet. Innerhalb dieser kurzen Nachrichtensequenz wurde in beiden Sendungen auf die nicht teilnehmenden Staaten (namentlich die Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) hingewiesen. Der für das deutsche Publikum relevantere und naheliegende Hinweis, dass auch Deutschland die Verhandlungen boykottiert, wurde jedoch ausgelassen.
Weiterführende Informationen unter: https://nuclearban.de/die-konferenz/
Da dieser Punkt relevant für die innerdeutsche politische Diskussion ist, liegt eine absichtliche Manipulation der Nachricht nahe. Eine Verletzung der journalistischen Sorgfalt im Sinne einer tendenziösen Berichterstattung ist es in jedem Fall.
Die Tatsache, dass Deutschland nicht an den Verhandlungen teilnimmt, ist u. a. durch folgende Berichte belegbar:
a) Atomwaffen-Verbot zwischen Vision und Utopie; Sächsische Zeitung vom 27.03.2017;
Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/ato ... 45782.html
b) Atomwaffenverbot: "Bundesregierung macht sich unglaubwürdig"; Heise-online; Telepolis vom 27.03.2017
Artikel URL: https://www.heise.de/tp/features/Atomwa ... 64775.html
c) Auch Deutschland hatte sich zu einem Boykott dieser wichtigen Verhandlungen entschieden. „Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Sie schadet damit ihrer Glaubwürdigkeit im Bemühen um eine atomwaffenfreie Welt“, kritisiert Leo Hoffmann-Axthelm, Vorstand der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN). https://www.ippnw.de/startseite/artikel ... ndlun.html
https://nuclearban.de/die-konferenz/„Ein Vertrag, der Atomwaffen verbietet, sollte die Vertragsstaaten verpflichten, die Entwicklung, Produktion, das Testen, den Erwerb, Besitz, die Lagerung, die Weitergabe, die Stationierung und den Einsatz von Atomwaffen sowie die Unterstützung, Finanzierung, Ermunterung oder Anregung dieser Handlungen zu unterlassen.“
Besonders dringlich für eine angemessene Berichterstattung dürfte der für Deutschland relevante Punkt der Lagerung sein – damit einher gehen Unterstützung und indirekte Finanzierung der Stationierung von Massenvernichtungswaffen durch die Bereitstellung großer Flächen und Infrastruktur.
Nach Expertenschätzung lagern in Büchel in der Eifel (Rheinland-Pfalz) noch bis zu 20 Atomsprengköpfe aus den Zeiten des Kalten Kriegs, für deren Einsatz im Ernstfall die Bundeswehr „Tornado“-Kampfflieger bereithält. Zudem belegen US-Haushaltspläne die geplante atomare Aufrüstung in Büchel. Rüstungsexperten bestätigen, dass die neuen taktischen Mini-Nuklearwaffen vom Typ B 61-12 lenkfähig und damit wesentlich zielgenauer sind als die Atombomben, die bislang in Büchel lagern. Im Kriegsfall sollen deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der NATO-Strategie der “Nuklearen Teilhabe“ Angriffe mit den US-Bomben fliegen.
Weitere Informationen unter: https://atomwaffenfrei.wordpress.com/20 ... atombombe/
Die Beschwerdeführer finden es unverantwortlich, dass bei einem für die Zivilgesellschaft (überlebens-)wichtigen Thema ausgerechnet durch die reichweitenstärksten Nachrichtensendungen relevante Informationen ausgespart werden. Die Wichtung von Relevanz und Nachrichtenwert sollte von der zuständigen Redaktion im Interesse der Öffentlichkeit dringend überdacht werden.
Im § 8 Abs. 3 des NDR-Staatsvertrages heißt es:
"Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger und Bürgerinnen beizutragen."
Der Wahrheitspflicht nachzukommen heißt, vollständige Informationen zu geben. Vollständigkeit heißt wiederum nichts wegzulassen, was wichtig ist. Entlastendes wie Belastendes sind gleichermaßen darzustellen (BHG, NJW 1997, 1148). Fehlende Sendezeit oder zeitlicher Informationsdruck sind dem gegenüber unbeachtlich. (hier: Hahn/Vesting, Beck‘scher Kommentar zum Rundfunkrecht, Seite 450, Randnotiz 57)
Aus Transparenzgründen werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
i. V. Maren Müller
Vorsitzende