Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

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Maren
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Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

Beitrag von Maren »

Norddeutscher Rundfunk
Intendanz
Herrn Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg


Programmbeschwerde

Bildtäuschende Nachricht bei der Tagesschau-Berichterstattung am 30.6.2017 um 20 Uhr über die Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ mit anschließender Abstimmung fand im Rahmen der letzten Sitzung des Bundestages vor der Sommerpause am 30.6.2017 als TOP ZP12 direkt nach der Gesetzesabstimmung zum Gesetz für die „Ehe für alle" statt.

Während bei der Abstimmung zum Gesetz für die „Ehe für alle" der Bundestag noch voll besetzt war, waren bei der Abstimmung für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Bundestag nur noch etwa 50 bis 60 Abgeordnete anwesend. Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht für eine gültige Abstimmung jedoch eine Anwesenheit von mehr als 50 % der Abgeordneten vor.

§ 45 Feststellung der Beschlußfähigkeit, Folgen der Beschlußunfähigkeit
(1) Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. http://www.bundestag.de/parlament/aufga ... o06/245164

Der Bundestag war also nach diesen Regeln nicht beschlussfähig. Trotzdem wurde ein Gesetz beschlossen, das nach Meinung vieler Rechtsexperten ein wesentliches Grundrecht - nämlich das der Meinungsfreiheit - einschränkt und demnach verfassungswidrig ist.

In der ARD-Tagesschau wurde am 30.6.2017 um 20 Uhr über diese Gesetzesvorlage und die Abstimmung berichtet, aber mit für den Zuschauer täuschenden Einblendungen. Das Publikum konnte anhand der Einblendungen den Eindruck haben, der Bundestag habe mit voll besetztem Plenum über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz abgestimmt. Dies ist jedoch nicht zutreffend, wie die folgenden Beobachtungen zeigen.

In der Anmoderation von Jens Riva wird im Hintergrund als Standbild zum TOP ZP12 ein voll besetzter Bundestag gezeigt. Kurzzeitig ist im weiterem Verlauf für etwa eine knappe Sekunde (bei 6:37) die traurige Realität eines fast leeren Plenums zu sehen.

Zu Beginn der Rede von Frau Dr. Sitte (ab 7:05) wird jedoch wieder ein voller Bundestag gezeigt. Während ihrer Rede lichten sich die Reihen bis auf ca. 50 bis 60 Abgeordnete. Das zeigte die Tagesschau aber nicht mehr.
http://www.ardmediathek.de/tv/Tagesscha ... d=44000726

In folgendem Video wird nach der Rede von Heiko Maas ab 6:30 das Ergebnis der Abstimmung zum TOP „Ehe-für-Alle“ bekanntgegeben. Hier ist der Saal noch gut gefüllt, in Folge wird das Fluchtverhalten der Abgeordneten dokumentiert und bereits 6 Minuten später ist schon fast die inzwischen bekannte Leere des hohen Hauses, anlässlich einer eilig anberaumten Abstimmung zur Abschaffung von Grundrechten, zu verzeichnen.

In folgenden Videos werden Abstimmungsbedingungen und Abstimmungsverhalten der noch anwesenden Volksvertreter deutlich.


Die Täuschung der Fernsehzuschauer liegt nach Ansicht der Beschwerdeführer neben dem wiederholt praktizierten manipulativen Einsatz von Bild- und Filmmaterial in der offensichtlichen Vermeidung realitätsgetreuer Darstellung ärgerlicher Sachverhalte. Angesichts der Brisanz des hoch umstrittenen Gesetzes, welches nach Meinung maßgeblicher gesellschaftlicher Gruppierungen und Kritiker sowohl eine Gefahr für die Meinungsfreiheit als auch europarechtswidrig ist, wäre eine kritische Aufklärung seitens der Nachrichtengebung für die Rezipienten der Tageschau hilfreich gewesen. Nicht jeder politisch interessierte Bürger schaut sich die ausführlichen Berichte auf Phönix oder in der Mediathek des Bundestages an – schließlich gibt es ja „zur Einordnung“ die Tagesschau.

Die kritische Würdigung der leeren Ränge, die als Indiz für das geringe Interesse der Abgeordneten an einer Mithaftung für ein verfassungsrechtlich bedenkliches Gesetz gewertet werden könnten, sollte für Medien mit Informationsauftrag verpflichtend und selbstverständlich sein - sowie Fragen aufwerfen.

• Ist die Arbeitsverweigerung einer komfortablen Mehrheit der Parlamentarier ausgerechnet bei TOP ZP12 ein Indiz für die nicht vorhandene Relevanz des Gesetzes?

• Läuft die bedenkliche Arbeitsauffassung der Parlamentarier eventuell dem Auftrag des Souverän zuwider?

• Welchen Wert hat ein Gesetz in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, wenn es gegen deren massiven Widerstand schlussendlich nur von „einer Handvoll“ Parlamentarier durchgewunken wird?

• Wie viele Abgeordnete haben am 30.6.2017 bei der 244. Sitzung des Bundestages an der Abstimmung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz teilgenommen und wie lautete das Abstimmungsergebnis?

Die Beschwerdeführer werfen ARD-aktuell vor, manipulativ und unvollständig über die Abstimmung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz berichtet und damit gegen den gesetzlichen Programmauftrag verstoßen zu haben, die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung des Publikums zu fördern.

Auch die inhaltliche Wichtung der Bundestagsabstimmungen innerhalb der Berichterstattung suggerierte, durch die sehr ausführliche Befassung mit der „Ehe für Alle“, mit knapp 6 Minuten d. h. ca. 35% des Sendevolumens der Tagesschau, gegen den gerade mal zweiminütigen Beitrag zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (von ARD-aktuell verkürzt und manipulativ „Gesetz gegen Hasskommentare“ genannt), geringere Relevanz und Wertigkeit.

Der freudsche Versprecher des Tagesschau-Moderators, der in seiner Anmoderation vom ,,Netzwerkdurchsuchungsgesetz“ spricht, ist angesichts der Welle von Einschränkungen bislang verbriefter Grundrechte, die dem umstrittenen Gesetzentwurf im Juli 2017 vorangingen, ein Stück bitterer Wahrheit.


„Nicht Ruhe, nicht Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und demokratische Wachsamkeit.“ Otto Brenner


Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie weiterführenden Schriftverkehr auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen


Maren Müller
Vorsitzende
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Re: Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Frau Müller,

in Ihrem Schreiben vom 29. Juli 2017 kritisieren Sie erneut die Berichterstattung von ARD-aktuell.

Ich habe die verantwortliche Redaktion gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.

Aus meiner Sicht liegt kein Verstoß gegen die Programmgrundsätze des NDR oder sonstige Vorschriften vor. Durch die Übersendung dieser Stellungnahme bringe ich dies zum Ausdruck.
Stellungnahme_Netz_geschwärzt.pdf
(9.55 MiB) 1616-mal heruntergeladen

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

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Maren
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Re: Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

Beitrag von Maren »

Norddeutscher Rundfunk
Gremienbüro
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Sehr geehrte Damen und Herren Rundfunkräte,

ich beziehe mich auf unsere Programmbeschwerde vom 30.07.2017 die „Bildtäuschende Nachricht bei der Tagesschau-Berichterstattung am 30.6.2017 um 20 Uhr über die Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag“ betreffend.

Die Antwort des Chefredakteurs von ARD-Aktuell stellt uns nicht zufrieden, da er nicht auf die Kernpunkte der Beschwerde eingeht und auf die Kritik an der mangelhaften Berichterstattung wiederholt auf andere Berichte auf Tagesschau.de verweist, die nicht Gegenstand der Beschwerde waren.

Die Inhalte des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, die laut Dr. Gniffke innerhalb des zweiminütigen Beitrages den Zuschauern „nähergebracht“ werden sollten, wurden über Monate hinlänglich diskutiert und waren dem interessierten Publikum bekannt. Interessant an der Causa dieses umstrittenen und nach Meinung von Experten sogar europarechtswidrigen Gesetzes war an diesem Tag lediglich das Abstimmungsverhalten der Volksvertreter im Deutschen Bundestag.

Um für Sie, als Gremienvertreter, die Intention des Beschwerdeführers nochmals zu verdeutlichen und Sie davor zu bewahren, sich den mangelhaften Ausführungen des Chefredakteurs unreflektiert anzuschließen, möchten wir nochmals unsere Kritikpunkte verdeutlichen.

Eingangs sei darauf hingewiesen, dass es selbst im knappen zweiminütigen Beitrag keiner redaktionellen oder zeitökonomischen Anstrengung bedurft hätte, in Bild und Wort auf die traurige Realität des fast leeren Plenums hinzuweisen. Das offensichtliche Problem wurde von den Befürwortern des Gesetzes in Folge des regelmäßigen redaktionellen Ringens um relevante Beiträge wohl bewusst ausgeblendet.

In der ARD-Tagesschau wurde am 30.6.2017 um 20:00 Uhr über o.g. Gesetzesvorlage und die entsprechende Abstimmung berichtet, allerdings mit für den Zuschauer täuschenden Einblendungen. Das Publikum konnte anhand der Einblendungen den Eindruck haben, der Bundestag habe mit voll besetztem Plenum über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz abgestimmt. Dies ist jedoch nichtzutreffend, wie die, in der Ihnen vorliegenden Programmbeschwerde, gut dokumentierten Beobachtungen zeigen.

Die kritische Würdigung der leeren Ränge, die als Indiz für das geringe Interesse der Abgeordneten an einer Mithaftung für ein verfassungsrechtlich bedenkliches Gesetz gewertet werden könnten, sollte für Medien mit Informationsauftrag verpflichtend und selbstverständlich sein - sowie seitens einer kritischen Redaktion Fragen aufwerfen.

• Ist die Arbeitsverweigerung einer komfortablen Mehrheit der Parlamentarier ausgerechnet bei TOP ZP12 ein Indiz für die nicht vorhandene Relevanz des Gesetzes?

• Läuft die bedenkliche Arbeitsauffassung der Parlamentarier eventuell dem Auftrag des Souverän zuwider?

• Welchen Wert hat ein Gesetz in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, wenn es gegen deren massiven Widerstand schlussendlich nur von „einer Handvoll“ Parlamentarier durchgewunken wird?

• Wie viele Abgeordnete haben am 30.6.2017 bei der 244. Sitzung des Bundestages an der Abstimmung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz teilgenommen und wie lautete das Abstimmungsergebnis?

Der Beschwerdeführer wirft ARD-aktuell vor, manipulativ und unvollständig über die Abstimmung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz berichtet und damit gegen den gesetzlichen Programmauftrag verstoßen zu haben, die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung des Publikums zu fördern.

Auch die inhaltliche Wichtung der Bundestagsabstimmungen innerhalb der Berichterstattung suggerierte durch die sehr ausführliche Befassung mit der „Ehe für Alle“, mit knapp 6 Minuten d. h. ca. 35% des Sendevolumens der Tagesschau, gegen den gerade mal zweiminütigen Beitrag zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (von ARD-aktuell verkürzt und manipulativ „Gesetz gegen Hasskommentare“ genannt), geringere Relevanz und Wertigkeit.

Aus Transparenzgründen werden wir diesen und weiterführenden Schriftverkehr auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


Maren Müller
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Re: Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

Beitrag von Maren »

Ihre Programmbeschwerde vom 29.07.2017
über die Berichterstattung der "Tagesschau" über die Plenardebatte zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz im Bundestag


Sehr geehrte Frau Müller,

die o.g. Beschwerde habe ich an den Programmausschuss des Rundfunkrates mit der Bitte um Beratung überwiesen.

Der Programmausschuss wird sich in seiner nächsten Sitzungen mit Ihrem Anliegen befassen.
Die abschließende Beratung erfolgt voraussichtlich in der darauffolgenden Sitzung des Rundfunkrates.

Über das Ergebnis der Beratungen werde ich Sie unterrichten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat
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NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro
Rothenbaumchaussee 132
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Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero@ndr.de
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Re: Plenardebatte zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz" im Bundestag

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde vom 29.07.2017 - über die Berichterstattung in der 20 Uhr „Tagesschau“ vom 30.06.2017 über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Sehr geehrte Frau Müller,

mit der oben genannten Programmbeschwerde haben Sie sich an den Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks gewandt. Der Rundfunkrat hat sich in seiner Sitzung am 02.02.2018 mit Ihrer Beschwerde befasst. Dem vorangegangen war eine ausführliche Beratung im Programmausschuss am 16.01.2018.

Nach intensiver Diskussion und sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts weist der Rundfunkrat Ihre Programmbeschwerde zurück. Der Rundfunkrat kann keinen Verstoß gegen die für den NDR geltenden Rechtsvorschriften feststellen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Günter Hörmann
Vorsitzender NDR Rundfunkrat
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