Programmbeschwerde: „ARTE Thema“ „Putin vs. USA“

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Maren
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Programmbeschwerde: „ARTE Thema“ „Putin vs. USA“

Beitrag von Maren »

ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN
Intendanz
Dr. Thomas Bellut
ZDF-Straße 1
55100 Mainz


Programmbeschwerde
„ARTE Thema“ am 16.01.2018/26.01.2018 „Putin vs. USA“



Sehr geehrte Damen und Herren,

am 16.01.2018 - sowie am 26.01.2018 in Wiederholung - wurde auf dem Sender ARTE die amerikanische Filmproduktion „Putin vs. USA“ des Autors Michael Kirk in zwei Teilen ausgestrahlt, welche laut Auskunft vom ZDF eingekauft wurde.

Im Film gab es allein die amerikanische Sichtweise zu sehen und zu hören, und zwar in einer propagandistisch extrem zugespitzten Art und Weise. Es drängte sich schon nach wenigen Minuten des Zuschauens die Frage auf, wieso der ansonsten qualitativ hochwertige und beliebte öffentlich-rechtliche Sender ARTE eine solch schlimme Propagandakeule zeigt.

Das Format „ARTE Thema“ war bisher Dokumentationen vorbehalten, dieser Film entsprach jedoch überhaupt nicht den Anforderungen an eine Dokumentation. Es kamen zwar zahlenmäßig sehr viele Personen zu Wort, jedoch alle sind der Echokammer rund um die amerikanischen Geheimdienste, die amerikanische Regierung und die etablierten US-Mainstream-Medien zuzuordnen. Zusätzlich noch wenige eher unbekannte angebliche „russische Oppositionelle“, welche vor langer Zeit aus Russland ausgewandert sind. Weiterhin kurz ein ehemaliger Duma-Abgeordneter mit neutralen Aussagen, dieser vermutlich nur als Quoten-Beitrag, um sich für Kritiken wie die folgende besser aufzustellen.

Generell handelte der gesamte Film entlang von Behauptungen und Unterstellungen, Vermutungen, angeblichen nicht näher genannten „Vertrauten“, nicht näher detaillierten „Geheimdienstinformationen“, entlang von Interpretationen und von teils abenteuerlichen Urteilen selbstgerechter amerikanischer Mainstream-Journalisten. Es wurde nur die funktionsgemäß eingeschränkte Sicht des o. g. Personenkreises wiedergegeben.

Im ersten Teil des Filmes wurden viele sehr kurze Interviewschnipsel manipulativ zusammengeschnitten mit dem Ziel, Wladimir Putin zu dämonisieren und eine angebliche (auch in diesem Film nicht nachgewiesene) Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen 2016 durch Russland allein auf Putins frühere KGB-Tätigkeit und auf seine angebliche persönliche Kränkung durch das geopolitische und militärische Handeln der USA in der Welt zurückzuführen. Gleichzeitig wurde die amerikanische Geopolitik glorifiziert und verharmlost.

Im zweiten Teil wurde dann den Spekulationen zur angeblichen Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen 2016 mehr Raum gegeben, mit vielen angeblichen Geheimdienst-Informationen. Es wurde zudem allerhand Verschwörungstheorie beweislos als Wahrheit dargestellt, auch Paranoia war enthalten. Genau die Dinge, welche der erste Filmteil Wladimir Putin nachsagen wollte.

Die Beiträge wurden in schnellem Takt hintereinander gereiht. Dem Zuschauer wurde keine Zeit gelassen, einen klaren Gedanken zu fassen. Im ersten Teil gab es innerhalb von ca. 50 Minuten viele ganz kurze Wortmeldungen zu hören unter anderem von:

- John Brennan, Chef der CIA bis 2017 (sehr häufige Wortmeldungen)
- James Clapper , Nationaler Geheimdienstdirektor der USA
- Jeh Johnson, Ministerium für innere Sicherheit der USA
- Evelyn Farkas, ehemal. Sekretärin des US-Verteidigungsministeriums
- Daniel Fried, US-Außenministerium
- John Beyrle, ehem. US-Botschafter in Russland
- James Franklin Collins, ehemaliger US-Botschafter in Russland
- Julia Ioffe, „The Atlantic“ (sehr häufige Wortmeldungen)
- Jewgenija Albats, „The New York Times“
- Herr Kara-Murza, angeblicher russischer Oppositionspolitiker
- Susan Glasser, „Politico“
- Masha Gessen, Autorin „Putin – der Mann ohne Gesicht“ (sehr häufige Wortmeldungen)
- David Sanger „The New York Times“
- Greg Miller, „Washington Post“
- Evan Osnos, „The New Yorker“
- Peter Baker, „The New York Times”
- Masha Lipman, “The New Yorker”
- Ryan Lizza
- Ellen Nakashima
- Tony Blinken
- Jonathan Allen, Autor “State Secrets and the Rebirth of Hillary Clinton”
- Ekaterina Schulmann, “russische Politikwissenschaftlerin”
- Gennadi Gubkow, angeblicher ehemaliger KGB-Offizier

Im zweiten Teil des Filmes gab es auch Wortmeldungen von:

- Victoria Nuland (US-Außenbeauftragte für Osteuropa)
- Hillary Clinton (ehem. US-Außenministerin und unterlegene Präsidentschaftskandidatin)

Weiterhin gab es im zweiten Teil des Filmes einige Mitschnitte von Wahlkampfauftritten von Donald Trump.

Nachfolgend einige Beispiele für die Dämonisierung von Wladimir Putin im Film:

Am Beginn des ersten Filmteils gab es die passende Einleitung: Bei der (angeblichen) Beeinflussung der Wahlen in den USA sei es um „Wladimir Putins Rache für lebenslange Kränkung“ gegangen (ohne Begründung / Beweis). Dazu ein paar unvorteilhafte Fotos von Wladimir Putin, ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Videoschnipsel.

Es wurde unter anderem dargestellt, dass es überraschend gewesen sei, dass der angeblich vom russischen Volk geliebte Präsident Jelzin sein Amt „an seinen Premierminister, einen wenig bekannten früheren KGB-Offizier“ übergab. Beim Beitrag von Masha Lipman wurde unterschlagen, dass es Jelzin war, der den völligen Niedergang Russlands zu verantworten hatte, der mit seinen volltrunkenen Auftritten in der Weltöffentlichkeit Russland blamierte und demütigte.
Dass Jelzin für eine zweite Amtszeit nur deshalb wiedergewählt wurde, weil nachweislich mit amerikanischer organisatorischer, medialer und finanzieller Unterstützung eine Angstkampagne gegen den damaligen Präsidentschafts-Mitbewerber geführt wurde, blieb natürlich ebenso unerwähnt.

Die Worte Jelzins an Wladimir Putin „Beregijtje Rossii“ wurden im Film falsch übersetzt mit „Pass auf Russland auf“. Tatsächlich hat Jelzin zu Putin gesagt: „Bewahren Sie Russland“. Statt anzuerkennen, dass Putin doch genau das macht, was Jelzin ihm aufgetragen hat, wurde geraunt, Jelzin hätte vor seinem Tod nicht näher genannten „Vertrauten“ gesagt, es sei ein Fehler gewesen, Putin als Nachfolger auszuwählen. Derartige Anschuldigungen zu verbreiten und sich gleichzeitig der Verantwortung dafür durch Umgehung der Beweislast („nicht näher genannten Vertrauten“) zu entziehen, ist eine beliebte Propagandatechnik.

Innerhalb der ersten 20 Minuten des Films gab es dann in schneller Taktung unter anderem folgendes zu hören: “Hinter Putins Vision für Russland steckt Verbitterung, gespeist aus der lebenslangen Überzeugung, sein Land sei von den Vereinigten Staaten gedemütigt worden“. „Es gibt da diese Verbitterung, diesen Groll, der ihn auffrisst und fundamental für seine Amtszeit ist.“ „Putins Projekt, Russland wieder groß zu machen, führte zu Konflikten mit dem Westen. Und zur Einmischung in die amerikanische Wahl. Doch der Keim war schon lange vorher gelegt worden, als Wladimir Putin noch ein junger Mann war. Er wurde vom sowjetischen Geheimdienst, dem KGB dazu ausgebildet, die USA als Feind zu sehen. Darauf waren alle Offiziere gedrillt.“ „…. Nichts lief ohne den KGB.“ „Putins erster Auftrag war nicht klassische verdeckte Spionage, man hielt ihn für besser geeignet für die Spionageabwehr.“ „Für einen Offizier der Spionageabwehr gehören Verschwörungstheorien zum Alltag. Er will den Feind im Inneren ausrotten und lebt in ständiger Paranoia jeder könnte ein Verräter sein.“
„Der Job war eine Enttäuschung. Er war ein unglücklicher Mann. Seit er denken kann will er Geheimdienstagent werden. Und dann wird er in Ostdeutschland stationiert, und noch nicht einmal in Berlin, sondern in Dresden, einem verschlafenen Nest.“

In dem Stil ging es dann weiter. John Brennan: „In den letzten Jahren des kalten Krieges fühlte Russland sich gekränkt, den USA unterlegen. Das hat wohl seine Unsicherheit verstärkt.“ Jewgenija Albats von „The New York Times“ maßte sich die Behauptung an „Er [Putin] ist ein professioneller Lügner. Das Lügen hat er in der Geheimdienstschule gelernt“.

Es wurde vom „Abenteuer Irak“ gesprochen. Natürlich ohne die Völkerrechtswidrigkeit auch nur ansatzweise zu erwähnen. Michael Crowley von „Politico“ kommentierte: „Als kalter Krieger sieht Putin das US-Militär ungern in Aktion“. Dieser Satz zeigt, dass Herrn Crowley der Unterschied zwischen „kaltem Krieg“ und völkerrechtswidrigen Interventionen nicht bewusst ist, und dass er offenbar meint, die USA hätten ein Recht auf das, was sie kontinuierlich weltweit und ohne Skrupel militärisch tun.

Zu den Anschlägen in russischen Städten Anfang der 2000er Jahre wurde im Film insinuiert, Putin könnte etwas damit zu tun haben. Es wurde die nur mäßig erfolgreiche Militäraktion zur Befreiung von Geiseln in der Schule von Beslan kritisiert. Laut dem Film war natürlich allein Putin schuld.

Bezüglich der russischen Opposition urteilte die Autorin Masha Gessen: „Menschen auf der Straße sind ein fürchterlicher Anblick für Putin.“

Der Moderator weiter: „Er (Putin) reiste nach München, um Flagge zu zeigen“ (zur Münchener Sicherheitskonferenz 2007). Dazu wurde Victoria Nuland („Fuck the EU“) gezeigt: „Ich saß in der vierten Reihe und spürte förmlich die Feuchtigkeit des Geifers… [der Rede Putins]“. Dabei hatte doch Putin dort nur den USA den Spiegel vorgehalten.

Beispiele für die Glorifizierung und Verharmlosung der amerikanischen Geopolitik:

Die Politik des Regime Change und des Nation Buildings wurde verharmlost. Der arabische Frühling wurde als Aufstand gegen die „Diktatoren“ dargestellt. Die Reaktion Putins sei gewesen: „Putin nahm den arabischen Frühling persönlich.“

Hillary Clinton wurde in Ihrer Reaktion auf die Ermordung Muammar al Ghaddafis gezeigt: 'We came, we saw, he died" „Wir kamen, wir sahen, er starb“ (dazu hämisch lachend). „Es war ein Moment des Erfolgs und der Genugtuung …“ war der absurde und menschenverachtende Kommentar von Jonathan Allen, Co-Autor von „State Secrets and the Rebirth of Hillary Clinton“. Julia Ioffe meinte zu wissen: „Putin sieht sich die Aufnahmen (von Ghaddafis Tod) immer wieder an. Eine Zeit lang kann er über nichts anderes reden.“ „Wladimir Putin war entschlossen, Ghaddafis Schicksal nicht zu seinem eigenen Schicksal werden zu lassen.“

Zu der von Putin unterstellten Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Russlands im Zusammenhang mit Aktionen der russischen Opposition habe Hillary Clinton reagiert: „Das Außenministerium sagte, es fördere lediglich die Demokratie“ [in Russland].

In der Abmoderation zum ersten Teil hieß es: „Im ersten Teil des Films sahen Sie, woher der Amerika-Hass Putins kommt, sehen Sie nun im 2. Teil des Films wie Putin die US-Wahlen 2016 beeinflusste.“

Beispiele für einseitige amerikanische Interpretationen der jüngeren Geschichte im Film:

Bezüglich der Ukraine-Krise wurde dargestellt, Putin hätte die Beteiligung der USA an der Vorbereitung des Maidan-Putsches vermutet. Laut der Darstellung im Film war das nicht so, Victoria Nuland hätte auf dem Maidan-Platz einfach nur Kekse verteilt. Ihr Spruch „Fuck the EU“ wurde auch erwähnt, aber nur in dem Zusammenhang, dass Putin dies angeblich propagandistisch zu nutzen versuchte. Victoria Nuland meinte im Film, dass die Russen dies nutzen wollten, „um den amerikanischen Einfluss zu mindern.“ (Also doch Einflussnahme / Beteiligung der USA?)

Zur Krim und zur Ostukraine wurde nur die eingeschränkte US-Sicht der Dinge dargestellt. Es wurde mit keinem Wort erwähnt, dass es auf der Krim ein klares Votum der Einwohner gab, und auch heute noch gibt, und dass die Bürger in der Ostukraine zunächst einfach nur etwas Autonomie haben wollten, und dass die Ukraine selbst sich nicht an das Minsker Abkommen hält. Dazu jedoch Ex-CIA-Chef Brennan: „Ich hatte den Eindruck, Putin hätte eine blutige Nase nötig.“

Zu den US-Präsidentschaftswahlen:

Der Moderator: „Bald sollte Putin noch weiter gehen und die USA direkt angreifen.“ Danach ging es dann um die angebliche russische Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen. Es wurde behauptet, WikiLeaks hätte die veröffentlichten E-Mails von russischen Hackern erhalten.
Der zweite Filmteil hatte Züge einer paranoiden Hexenjagd, mit herbeiinterpretierten Indizien, wir ersparen dem Leser Textbeispiele dazu. Auch in den USA gibt es Stimmen, welche diese vorrangig innenpolitische Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Republikanern um die angebliche „Trump-Russia-Collusion“ inzwischen auf dem Niveau der McCarthy-Ära angelangt sehen.

Zusammenfassung

Wir können hier nicht auf jede Einzelheit des zweiteiligen Filmes eingehen. Zusammenfassend stellen wir fest: Der Film war eine völlig einseitige Darstellung, einschließlich manipulativer Verdrehung und Umdeutung von geschichtlichen Fakten. Der Film entsprach mindestens acht der zehn Grundsätze der Kriegspropaganda gemäß Lord Arthur Ponsonby. Der Film lief deshalb Ihren staatsvertraglichen Verpflichtungen, unabhängig, unparteiisch, objektiv und umfassend zu informieren, komplett zuwider.

Wir fordern eine Befassung des Rundfunkrates mit dieser Beschwerde. Bitte beschränken Sie sich in Ihrer Antwort nicht auf das zurechtrücken einzelner Worte dieser Programmbeschwerde. Wir fordern eine Erklärung des ZDF sowie des Gemeinschaftssenders ARTE zu folgenden Fragestellungen:

1. Wieso wird ein solcher Film im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gezeigt?
2. Wieso erfolgt eine solche extreme Dämonisierung des Staatsoberhauptes eines anderen Landes im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
3. Welche qualitätssichernden Maßnahmen gedenken Sie zu ergreifen, um eine zukünftige Unterlassung von offensichtlicher Kriegspropaganda eines anderen Landes in den durch die Beitragszahler finanzierten Medien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen?
4. Welche Kosten sind dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk/dem Beitragszahler durch diesen Film entstanden?

Auftrag
(1) (…) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen
wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. (…)

(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.


Aus Transparenzgründen werden diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programm-verantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.

Mit freundlichen Grüßen

Jens Köhler
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Re: Programmbeschwerde: „ARTE Thema“ „Putin vs. USA“

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Antwort von der Verwaltungsdirektorin des ZDF in Vertretung des Intendanten:
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