Programmbeschwerde: MDR zu Ausweisung westlicher Diplomaten aus Russland

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Maren
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Programmbeschwerde: MDR zu Ausweisung westlicher Diplomaten aus Russland

Beitrag von Maren »

Mitteldeutscher Rundfunk
Anstalt des Öffentlichen Rechts
An die Intendantin

D-04360 Leipzig



Programmbeschwerde MDR Aktuell vom 05.02.2021 wegen Rekontextualisierung


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 05.02.2021 berichteten Sie in MDR aktuell um 19:30 Uhr unter anderem über die Ausweisung von 3 westlichen Diplomaten aus Russland, welche an nicht genehmigten Demonstrationen „der Opposition“ teilgenommen haben sollen. Dass diese Diplomaten tatsächlich dabei gefilmt wurden und dass ein solches Verhalten den internationalen Regeln widerspricht – und in anderen Ländern deshalb genauso geahndet würde – das haben Sie unter den Teppich gekehrt. Die Tagesschau am selben Abend war in diesem Punkt viel konkreter.

(Stellen Sie sich mal vor, russische Diplomaten würden an nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen teilnehmen. Es gäbe nicht nur eine Ausweisung der Diplomaten, sondern ein riesiges, wochenlanges Geschrei in der deutschen Journaille.)

Von diesem kurzen Bericht mit kleiner Auslassung wichtigen Kontextes leiteten Sie dann nahtlos über zu einem sehr kurz gehaltenen Bericht über die erste außenpolitische Rede Joe Bidens. Ihr überleitender Satz war, dass Moskau diese Rede als aggressiv bezeichnete. Sie gaben dann von der Rede nur ganz kurz diejenigen Passagen wieder, in denen Herr Biden von Demokratie und mehr Kooperation redete. Für den ahnungslosen Zuschauer entstand der Eindruck, Moskau würde das Eintreten für Demokratie und Kooperation als aggressiv empfinden.

Hier haben Sie den klassischen Propagandatrick der Rekontextualisierung angewendet. Das heißt, den tatsächlichen Kontext weggelassen, und die Sache in einen neuen, anderen Kontext gebracht.

Der Sprecher des russischen Präsidialamts Peskow hatte nämlich die Rede nicht im Zusammenhang mit Demokratie usw. als aggressiv bezeichnet, sondern hat die „aggressive Rhetorik gegenüber Russland und China“ kritisiert. Und die Rhetorik war tatsächlich aggressiv gegen Russland und China gerichtet – diesbezügliche Redeauszüge haben Sie natürlich dem Zuschauer vorenthalten. Die Rede war wohl einfach zu undiplomatisch, ganz so wie wir es von Donald Trump bisher gewohnt waren.

Zum Beispiel hat Herr Biden erzählt, er habe in seinem Telefonat mit Russlands Präsident Putin diesem klargemacht:

„Die Zeiten, in denen die USA klein beigeben, sind vorbei“. … „Wir werden nicht zögern, die Kosten für Russland zu erhöhen und unser vitales Interesse an unserem Volk zu verteidigen“.

Heißt übersetzt: Die exceptional nation pocht weiterhin darauf, Ihre Führungsrolle mit allen Mitteln durchzusetzen – auch wenn der Slogan „America first“ nicht mehr vordergründig verwendet wird. Und andere Länder sollen in dieses Streben nach Beibehaltung der Führungsrolle einbezogen werden, nichts anderes ist mit der scheinbaren Kooperationsbereitschaft gemeint. Siehe zum Beispiel die völkerrechtswidrigen extraterritorialen Sanktionen, welche auch zu Lasten der Bündnispartner gehen.

Die Rede enthielt weitere besorgniserregende Passagen, weitere Auszüge aus der Rede würden jedoch den Rahmen einer Programmbeschwerde überschreiten.

Ihre Berichterstattung ist immer wieder von geopolitischer Voreingenommenheit und von russophoben Einstellungen durchsetzt. Das ist das Gegenteil von objektiver und umfassender Berichterstattung. Mit Ihrer Berichterstattung verstießen Sie gegen Ihren Programmauftrag und gegen die Programmgrundsätze laut Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk:

§ 6 Programmauftrag
(1) Der MDR hat in seinen Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm soll der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung dienen und hat dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen. Er dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. ...

§ 8 Programmgrundsätze
(1) Der MDR ist in seinen Sendungen an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und der Wahrheit verpflichtet. Er trägt zur Verwirklichung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bei und fördert die Zusammengehörigkeit im vereinigten Deutschland.

(2) Der MDR hat in seinen Sendungen die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Er soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken und die Gleichstellung von Frau und Mann zu fördern. Die Sendungen dürfen sich nicht gegen die Völkerverständigung und gegen die Wahrung von Frieden und Freiheit richten.

(3) Alle Informationssendungen (Nachrichten und Berichte) sind gewissenhaft zu recherchieren und wahrheitsgetreu und sachlich zu halten. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Die Redakteure sind bei der Auswahl und Sendung der Nachrichten zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung des Verfassers als persönliche Stellungnahme zu kennzeichnen. Sie haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen. ...

Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


Jens Köhler
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