Gremienbüro
Hugh-Greene-Weg 1
22529 Hamburg
Programmbeschwerde
Sehr geehrte Damen und Herren Rundfunkräte
zum 30. Jubiläum des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland sprach die zwölfjährige Ella am 5. April 2022 in den ARD-Tagesthemen einen Meinungsbeitrag. Das Kind sprach in seinem Kommentar über die Gefährdung der Kinderrechte und mahnt insbesondere zum Schutz geflüchteter Kinder auf der ganzen Welt.
Die UN-Kinderrechtskonvention verlangt nach Artikel 12 die Berücksichtigung des Kindeswillens. Dort heißt es: „die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“
Die 12-jährige Ella spricht in ihrem Kommentar über das Leid der Kinder in Kriegen und nennt nur einen der aktuell Verantwortlichen beim Namen: Putin.
https://twitter.com/tagesthemen/status/ ... 6795713540
https://www.tagesschau.de/kommentar/ell ... g-101.html
„(…) Fast alle Staaten haben der Kinderrechtskonvention zugestimmt. Aber wie man gerade in der Ukraine sieht, hat Herr Putin leider vergessen, dass sein Land auch mal unterschrieben und somit zugestimmt hat, die Kinderrechte anzuerkennen und durchzusetzen. Eigentlich sollten Kinder in Frieden aufwachsen und ein Recht auf Schutz vor Gewalt, vor Krieg und auf Bildung haben. Aber Putin tut genau das Gegenteil. Er tötet und trennt Familien und macht sie zu Flüchtlingen. (…)“ „Ich habe gelesen, dass jeder zweite Flüchtling ein Kind ist und dass 60 Millionen Kinder weltweit auf der Flucht sind. (…) Was stimmt nicht mit Leuten wie Putin?“
Es ist nicht überliefert, ob Ella ihren Kommentar selbst recherchiert, verfasst und somit tatsächlich ihre eigene freie Meinung geäußert hat. Es ist jedoch evident, dass ihr Kommentar nur eine Seite des Konfliktes beleuchtet und nur eine politische Person dämonisiert, obwohl das zu beklagende Kinderleid global existiert und nicht einer Einzelperson zuzurechnen ist.
Der brutale Konflikt in der Ost-Ukraine herrscht seit April 2015. Seit dieser Zeit leiden ostukrainische Kinder unter Dauerbeschuss, Hunger, Schmerz, Elend, Kälte und Angst.
Kennt Ella die „Allee der Engel“ in Donezk, zum Gedenken an die Kinder des Donbass, die während des Krieges im Donbass bis 2015 getötet wurden? Wurde ihr je darüber berichtet, von ihren Eltern, Lehrern oder dem Kinderkanal?
Eine ganze Generation dieser Kinder ist in Kellern aufgewachsen. Hat Ella je davon erfahren, wie der damalige ukrainische Präsident Poroschenko mit diesen Kindern umging?
https://www.youtube.com/watch?v=kCWh7U-LroY
Vielleicht hat Ella Interesse daran, eines dieser Kellerkinder kennenzulernen und ihre Version des Konfliktes zu hören? Es wäre sicher kein Problem über eine Hilfsorganisation den Kontakt zu einem gleichaltrigen Mädchen aus dem Donbass herzustellen, das seit 8 Jahren Schutz im Keller suchen musste – übrigens als geborene Bürgerin eines Landes, das ebenfalls die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat - der Ukraine.
Die USA, als einziges Land, das die UN-Kinderrechtskonvention weiterhin nicht ratifiziert, erwähnte Ella in ihrem Kommentar mit keiner Silbe.
Vermutlich weiß sie auch nicht, dass in den USA lebenslange Haftstrafen für Minderjährige erlaubt sind. Bis 2005 konnten auf US-amerikanischem Boden Minderjährige sogar zum Tode verurteilt werden, ein eklatanter Widerspruch zu Artikel 37 der Konvention. Ein Drittel der amerikanischen Bundesstaaten erlaubt nach wie vor die körperliche Züchtigung an Schulen.
Die in Deutschland von Medien und Politik gefeierte und jüngst tief betrauerte damalige US-Außenministerin und UN-Botschafterin Madeleine Albright hielt eine hohe Zahl von Todesopfern für akzeptabel, als sie in einem CBS-Interview gefragt wurde, ob der Tod von mehr als 500.000 irakischen Kindern durch die von den USA verhängten Sanktionen „es wert“ gewesen sei. Ein UN-Bericht hatte festgestellt, dass zwischen 1991 und Ende 1995 nicht weniger als 576 000 irakische Kinder aufgrund der harten Wirtschaftssanktionen gestorben waren. Albright Antwort war deutlich:Im Artikel 6 der Kinderkonvention ist folgendes verankert:
(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jedes Kind ein angeborenes Recht auf Leben hat.
(2) Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.
„Ich denke, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis ist es wert.“
https://www.youtube.com/watch?v=xYXK7uh93Uo
Die Brown University aus Rhode Island (USA) stellte in einer Studie folgendes fest:
Die Kriege der USA nach 9/11 haben mindestens 37 Millionen Menschen in und aus Afghanistan, Irak, Pakistan, Jemen, Somalia, Philippinen, Libyen und Syrien vertrieben. Das übertrifft die Zahl Vertriebenen aller Kriege seit 1900, mit Ausnahme des Zweiten Weltkriegs.
Millionen weitere wurden durch andere Konflikte nach 9/11 unter Beteiligung von US-Truppen unter anderem in Burkina Faso, Kamerun, Zentralafrika, Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Mali, Niger, Saudi-Arabien und Tunesien zu Vertriebenen.
Die 37 Millionen sind eine sehr konservative Schätzung. Die Gesamtzahl der durch die USA nach 9/11 in Kriegen Vertriebenen wird eher bei 48 bis 59 Millionen liegen. 25,3 Millionen Menschen sind nach ihrer Vertreibung zurückgekehrt, obwohl das nicht das Trauma der Vertreibung behebt oder bedeutet, dass die Vertriebenen in ihre ursprüngliche Heimat oder in ein sicheres Leben zurückgekehrt sind.
Während Erwachsene in der Regel in der Lage sind, sich durch Erinnerungen, Recherchen, Reflexion und logischen Einordnungen von Konflikten und ihrer Entstehung vor Feindbildpropaganda zu schützen und eigene Schlüsse zu ziehen, verfügen Kinder in der Altersklasse noch nicht über diese Fähigkeit. Sie vertrauen darauf, was ihnen Erwachsene in Schule, Elternhaus und Medien vermitteln.
Eine freie eigene Meinungsbildung kann jedoch nicht stattfinden, wenn die zugrundeliegenden Informationen falsch, unvollständig oder politisch interessengeleitet sind. Kinder haben ein Recht auf Wahrheit. Dieses Recht fordert Erwachsene entgegen allen Bequemlichkeiten heraus, die individuelle und die gesellschaftliche Dimension zu erkennen, die auf ein junges Leben wirkt, wenn es für Zwecke missbraucht wird, die auf die Manipulation der öffentlichen Meinung zielen.
Kinder für Propagandazwecke einzuspannen ist immer grenzwertig, sowohl aktiv als auch passiv. Wer Kinder instrumentalisiert, um auf bestimmte oder auch nur vermeintliche Missstände aufmerksam zu machen, die noch nicht einmal Erwachsene in Gänze durchschauen, will emotionalisieren und manipulieren. Die zahlreichen kindlichen Protagonisten, die in internationalen Konflikten zu rührseligen Reaktionen und nicht selten zur Eskalation von Konflikten führten, sind inzwischen als Tatsachen anerkannt. Das prominenteste Beispiel ist wohl als Brutkastenlüge bekannt, unzählige andere als emotionalisierendes Bildmaterial.
Schaut man sich indes den Text der nunmehr 30-jährigen UN-Kinderrechtskonvention einmal genauer an, so kann man erkennen, dass die Absichtserklärungen/Verpflichtungen noch nicht einmal im reichen Land Deutschland eingehalten oder gar umgesetzt werden. Insbesondere die letzten beiden Pandemiejahre haben gezeigt, was Kinderrechte in Deutschland wert sind und wie sogar Elternrechte unter dem Deckmantel des Infektionsschutzgesetzes ausgehebelt werden. Dieser Zustand hält bis heute an. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der verfehlten Politik und des Versagens der Medien mit öffentlichem Auftrag noch verschärfen.
Die Kinder von heute werden nicht mehr so sorgenfrei aufwachsen können wie die Generation der Babyboomer und deren Kinder. Ihre Zukunftspläne werden zumeist unerfüllt bleiben und ihr Leben wird von bislang unbekannten Entbehrungen geprägt sein, die auf geopolitischen Spielchen basieren, deren Thematisierung Sie als öffentlich-rechtliche Anstalten gerne vermeiden. Darauf sollte man die Kinder vorbereiten, denn das wichtigste Kinderrecht ist das Recht auf Wahrheit – wohlweislich nicht in der UN-Konvention verankert.
Die Forderung Ellas an Olaf Scholz, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, wird an den trüben Aussichten nichts ändern, zumal wir live und in Farbe gesehen haben, wie schnell neuerdings Grundrechte kassiert werden können. Vielleicht weiß das Ella auch nicht? Man sollte es ihr sagen.
Die Rechtslage oder der Schutz von Kindern wird keineswegs dadurch verbessert, wenn diese im Grundgesetz verankert sind. Vermutlich wird sogar das Gegenteil davon eintreten und der natürliche Schutz durch die Familie wird nachrangig. Kinder sind schließlich auch Menschen und es ist nicht überliefert, dass es für Grundrechte eine Altersgrenze gäbe – weder nach oben noch nach unten. Das Problem wäre die Übergriffigkeit des Staates für den Fall, dass Artikel 6 GG ausgehebelt würde, der den Eltern die natürliche Vertretungsvollmacht für ihre Kinder garantiert. https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_6.html
Aufgabe öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ist es nicht, an der Aufrechterhaltung von Narrativen und Feindbildern mitzuwirken, sondern durch ausgewogene, unparteiische, objektive und wahrheitsgemäße Berichterstattung den gesetzlichen Auftrag u. a. in Bezug auf seriöse Information und freie Meinungsbildung der Bevölkerung umzusetzen, sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern zu dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinzuwirken - insbesondere dann, wenn Kinder involviert sind.
III. Abschnitt
Besondere Bestimmungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
§ 26
Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern.
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Aus Gründen der Transparenz werden wir diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Maren Müller