Moskaus Mühe mit dem ukrainischen Eurovisions-Sieg

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Maren
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Moskaus Mühe mit dem ukrainischen Eurovisions-Sieg

Beitrag von Maren »

To: presse@deutschlandradio.de

Beschwerde über die Sendung vom 15.05.16 mit Sabine Adler

Sehr geehrte Damen und Herren,

"Falsche Behauptungen werden nicht wahrer, je unverfrorener man sie wiederholt" (S. Adler). Damit hat sich die Autorin, ohne es zu wollen, selbst am Besten charakterisiert.

1. "Dass der Auftritt der Sängerin Jamala die meisten Stimmen des Publikums bekam..." ist eine glatte Lüge. Alle anderen Medien berichteten, dass der russische Vertreter die meisten Stimmen des Publikums erhielt.

2. Sabine Adler lügt auch, was die Schuld am nicht umgesetzten Friedensprozess betrifft. Die OSZE hat fast immer beide Seiten gleichmäßig beschuldigt, was die Nichteinhaltung der Waffenruhe betrifft. In letzter Zeit geriet aber immer häufiger Kiew in die Kritik, weil es die Pressefreiheit massiv einschränkt. Der DLF ist ja was Herrn Kellermann betrifft, selbst betroffen. Frau Adler war offenkundig nicht, oder lange nicht mehr in der Ostukraine. Sonst würde sie einige Falschinformationen - zumindest nach Berichten von Leuten, die tatsächlich dort waren - nicht verbreiten.

Beinahe eine Aufforderung zum weiteren Bruch des Abkommens durch Kiew ist es, wenn sie es ablehnt, „den Separatisten im Donbass mehr Autonomie zuzugestehen …“. Das ist ja gerade ein wesentlicher Punkt des Minsk II- Abkommens.

3. Dmitro Jarosch, damals Chef der Schlägertruppe »Rechter Sektor« gab in einem Interview mit dem ukrainischen Portal Censor.net zu, den bis dahin zivilen Antiputschistenaufstand im Donbass mit einem Überfall auf eine Straßensperre der Aufständischen in Richtung Gewalt mit Toten gelenkt zu haben. Es starben sechs Angehörige der »Separatisten« (Antiputschisten) und ein Kämpfer des »Rechten Sektors«.

4. Verfolgung Ukrainer jüdischen Glaubens. Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 04.08.2014 (Az.: 7 K 605/14) "Eine ukrainische Staatsangehörige jüdischer Volks- und Religionszugehörigkeit erwirkte die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, weil sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in der Ukraine sowohl bei der Arbeitssuche, als auch bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit benachteiligt wurde und es zu Übergriffen Privater auf ihr Geschäft kam. Außerdem waren die zuständigen Polizeibehörden nicht in der Lage oder Willens, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Der Urteilsbegründung zufolge hat die Klägerin Klägerin in der mündlichen Verhandlung "sehr anschaulich und glaubhaft geschildert", dass sie, obwohl sie ihr Studium als Jahrgangsbeste mit der Masterprüfung beendet hatte, keine Stelle an der Universität habe erhalten können, was man ihr bereits vor Abschluss der Prüfungen mitgeteilt habe. Trotz des guten Abschlusses und zahlreicher Bewerbungen sei es ihr nicht gelungen, eine andere Stelle zu finden. Aus diesem Grunde habe sie sich selbständig gemacht und einen Laden eröffnet. Die Geschäfte seien gut gelaufen, aber der Laden sei wiederholt geplündert worden und es sei auch zu einer Brandstiftung gekommen und immer wieder zu Hakenkreuzschmierereien."

Der Cheftheoretiker der Swoboda-Partei übersetzte das Kleine ABC des Nationalsozialisten von Joseph Goebbels und begründete das mit der "Aktualität dieser Schriften". (Butag) Mitglieder der Swoboda-Partei und des Rechten Sektors verteilten während des Maidanaufstandes frisch übersetzte Ausgaben von Adolf Hitlers Mein Kampf und der antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion am Platz der Unabhängigkeit (Haaretz). Offensichtlich interessieren Frau Adler solche Meldungen nicht und ich habe dergleichen auch nicht im DLF gehört. Sollen vielleicht die rechten Teile der ukrainischen Regierung nicht in einem ungünstigen Licht erscheinen?

5. Die Gleichsetzung Sowjetunion - Russland. Von einer von unseren Gebühren vermutlich anständig bezahlten Journalistin kann ich erwarten, dass sie diese Unterscheidung treffen kann. (Oder ist das eine Erklärung für die „russischen Pflegedienste“, deren einziger bis jetzt bekannt gewordener ein ukrainischer war? - betrifft eher andere Teile der Redaktion -;))

Meines Wissens gab es schon zu Sowjetzeiten die Rückkehr der Tartaren. Stalin scheint übrigens die Tartaren wegen der Zusammenarbeit mit den Invasoren Hitlers verschleppt zu haben. Dass Tartaren sich aktuell mit Terrorakten gegen die Südukraine und die Krim hervorgetan haben (Zerstörung der Energieversorgung), ist Frau Adler wohl ebenfalls entgangen.
(Anm.: Völkerrechtlich gilt diese wirtschaftliche Abtrennung vielfach als eine indirekte, faktische Anerkennung der Sezession!)

6. Frau Adler scheint auch entgangen zu sein, dass auf der Krim schon immer russische Soldaten stationiert waren. Es gab nämlich ein Stationierungsabkommen, dessen Bruch die Putschisten in Kiew vor der Sezession der Krim ankündigten.

Im Netz gab es Diskussionen darüber, ob eine Ausschreibung der US-Navy auf Renovierung von Gebäuden in Sewastopol 2013 etwas mit dem späteren Konflikt zu tun hatte. Obama hat in einem CNN-Interview mitgeteilt, dass Putin auf den
Umsturz in der Ukraine, den wir (die USA) getriggert (bessere Übersetzung wohl: „vermittelt“) haben, nur reagieren konnte.

Zur Zeit des Referendums war die rechtmäßige Regierung in Kiew nicht mehr handlungsfähig. Die Verfassung von 1992 hält die Zugehörigkeit der Krim offen. Die späteren Verfassungen sehen immerhin ein Referendum für eine Sezession vor. Es muss nur im ganzen Land stattfinden. Das war zu dem Zeitpunkt mit einer Putschistenregierung nicht möglich. Übrigens sind nach diesem Verfassungsgrundsatz wohl auch die Wahl - unabhängig von den vorhergegangenen Rechtsbrüchen - oroschenkos und der Rada ungültig. Auch diese Wahlvorgänge fanden nicht im ganzen Land statt - abgesehen von der gewaltsamen Behinderung der Opposition.

Der Jurist und CSU-Bundestagsabgeordnete Gauweiler hierzu im Münchner Merkur: "Schröders Vergleich mit dem Nato-Krieg im Kosovo ist sogar eher schmeichelhaft, da Russland die Krim nicht, wie die Nato den Kosovo, bombardiert und zahllose gegnerische Soldaten getötet hat, keine Brücken und Botschaftsgebäude zerstörte und auch keine Eisenbahnen durch Raketenbeschuss zum Entgleisen gebracht hat."

7. Mangelnde Pressefreiheit in der Ukraine. Wurde auch von der OSZE angemahnt.

8. Oppositionsabgeordnete (u.a. Elena Bondarenko) haben vor einiger Zeit in einem offenen Brief, der leider immer noch aktuell sein dürfte, auf die undemokratischen Verhältnisse in der Ukraine hingewiesen.

I, the undersigned, the elected people's deputy Elena Bondarenko, from the Party of Regions - the opposition party in Ukrainian parliament, hereby wish do declare that the current government is stooping so low as to air unveiled threats of physical violence and annihilation towards opposition politicians in Ukraine, deny the freedom of expression to the opposition in the parliament and outside of it, even to being complicit in crimes against not only the opposition politicians themselves but their kin as well. Constant threats, undeclared ban on presence of opposing voices in majority of Ukrainian media outlets, witchhunt against dissenting views - all of those are attributes of everyday life of an opposition deputy in today's Ukraine. Anybody who calls for peace in Ukraine is immediately blacklisted by the government as an enemy of the people, similar to Germany of 1930s or epoch of mccartyhism in US....."

8. Untersuchungen des Massakers auf dem Maidan.
Von der Universität Ottawa in Kanada (dem ukrainischstämmigen Politologen Ivan Kachanovski) kam die bisher umfangreichste wissenschaftliche Studie zu dem Massaker auf dem Maidan.
http://orientalreview.org/2015/09/11/th ... n-ukraine/
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten ... r-veruebt/
http://orientalreview.org/wp-content/up ... erence.pdf
https://www.academia.edu/8776021/The_Sn ... in_Ukraine
https://www.jungewelt.de/2016/01-19/016.php

„Nach Sichtung der Quellen ist Katchanovski der Überzeugung, dass die bewaffnete Aktion sich nicht gegen die Sicherheitskräfte gerichtet habe, und diese hätten auch nicht angegriffen. Es war keine Angriffs- oder Verteidigungshandlung weder von der einen noch von der anderen Seite, sondern eine inszenierte Mordorgie. Während des Besuches von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und seines französischen sowie polnischen Amtskollegen, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski, habe vor den Augen der Welt ein Massenmord stattgefunden, der ausschließlich dem Janukowitsch-Regime angelastet werde sollte. Das Abkommen hätte ihm quasi eine Gnadenfrist und einen geordneten Rückzug zugestanden. Das aber musste verhindert werden.“

Sie kommt - ähnlich wie die bekannten Untersuchungen der Monitor-Redaktion - zu dem Ergebnis, dass das eine „false flag operation“ der Opposition (der jetzigen Machthaber in Kiew) war. Sie bestätigt auch die geleakten Telefonate von Ashton mit Estlands Außenminister Paet:

"...Und das ist wirklich verstörend, dass jetzt die neue Koalition nicht untersuchen will, was genau passiert ist, darum verbreitet sich die Meinung immer stärker, dass hinter den Scharfschützen nicht Janukowitsch steckt, sondern jemand aus der neuen Koalition." "Es war verstörend, dass es nun ein sehr starkes Eigenleben entwickelt. Es diskreditiert diese neue Koalition von Beginn an."

Entschuldigen Sie, dass meine Beschwerde so ausführlich ausfällt. Anlass ist die angestaute Frustration und das Gefühl, dass nicht mehr richtig recherchiert wird. Dahinter steht der Wunsch, dass wenigstens der gebührenfinanzierte öffentliche Rundfunk unabhängig von politischem Druck auch für die jeweiligen Regierenden unangenehme Wahrheiten eruieren und veröffentlichen möge und sich nicht mehr für die Propaganda einer Seite vereinnahmen lässt.


Mit freundlichen Grüßen
XXXXXX*

PS.: Kopie geht an die Publikumskonferenz zur freien Verfügung.

*Der Name des Beschwerdeführers ist der Redaktion und uns bekannt.
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