Scholz in den TT: Kein Interview, sondern eine Pleite

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Maren
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Scholz in den TT: Kein Interview, sondern eine Pleite

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Scholz in den TT: Kein Interview, sondern eine Pleite

Sehr geehrte Rundfunkräte,

in Deutschlands veröffentlichter Meinung herrschte Hochstimmung, als ZDF-Moderatorin Marietta Slomka Anfang Januar den CSU-Verkehrsminister Dobrindt journalistisch gekonnt vorführte und unter Beweis stellte, dass auch Mainstream-Journalisten sich nicht bloß auf Regierungsjournalismus verstehen, sondern – wenn sie denn wollen – das komplette Handwerkzeug in ihrer verfassungsgemäßen Rolle als "Vierte Gewalt" einsetzen können. Zu sehen hier:

https://www.youtube.com/watch?v=uAIG5cnXTW8

Es war eine saubere, allerdings längst nicht mehr übliche Leistung, das vollständig sinnfreie, platte Gelaber des Verkehrsminister zu decouvrieren. Alte Schule des öffentlich-rechtlichen Journalismus, mittlerweile leider der Ausnahmefall im Reigen der Hofberichterstatter vom Schlage Klebers, Miosgas, Zamperonis und Gniffkes.

Welche schmierigen Folgen deren journalistische Praxis haben kann, demonstriert am 13.2.2013 das Interview Zamperonis mit dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Das perfekte Gegenstück zum Slomka-Ausnahmefall. Hier:

https://www.tagesschau.de/inland/spd-scholz-101.html

Mit einem Wort: Ekelhaft. Und mit noch einem: Peinlich. Gerade einige Stunden zuvor war der völlig verfehlten SPD-Politik mit 16,5% der absolute Tiefpunkt ihrer Umfragewerte bescheinigt worden, da durfte der Hamburger Bürgermeister großmäulig verkünden, dass die SPD wieder "stärkste deutsche politische Partei" werden wolle. Ohne dass Zamperoni auf die aberwitzige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufmerksam machte. Scholz durfte ungehindert seine zum Polit-Alltag gehörenden Public-Relations-Sprüche kloppen. Die Tagesthemen dienten sich ihm als kostenlose Werbeplattform an.

Zamperoni unternahm zwar einige schwächliche Versuche, zu unterbrechen, zeigte sich aber der Dreistigkeit des einfach weiterschwadronierenden Scholz nicht gewachsen und bestand nicht darauf, dass Scholz auf die gestellten Fragen konkret antwortete. Der neue SPD-"Kommissar" durfte über Nahles als von einer "starken Vorsitzenden“ faseln und den Koalitionsvertrag als "tolles Programm“ preisen, Zamperoni ließ es geschehen.

Anders als die Slomka hatte er nicht den Mumm, Scholz zur sauberen Beantwortung seiner Fragen aufzufordern und die Unsinnigkeit und Unstimmigkeit seiner Antworten aufzuspießen. Es fiel ihm nicht einmal ein, anzusprechen, dass Scholz auf dem letzten Parteitag das schlechteste Vorstands-Wahlergebnis aller sechs SPD-Stellvertreter erzielt hatte und schon deshalb seine jetzige Bestallung zum kommissarischen Vorsitzenden eine Sonderbarkeit darstellte. Erneuerung trotz Looser-Image? Wie schlecht mussten Redaktion und Moderator auf ihr Interview vorbereitet gewesen sein, dass sie diese sich aufdrängende Frage nicht aufwarfen? Das Interview war ja nicht live, sondern vorher aufgezeichnet worden. Was bewog die Redaktion, es trotz seiner Erbärmlichkeit zu senden? Warum kniff Dr. Gniffke, der Chefredakteur, vor Olaf Scholz, dem Hamburger Bürgermeister und SPD-Rechtsaußen?

Scholz war Schröders Einpeitscher der Hartz-Gesetze. In welchem Verhältnis steht seine Historie zu seinen aktuellen Sprüchen, die SPD "nach vorn bringen" zu wollen? Warum fragte Zamperoni danach gar nicht erst? Scholz behauptet frech, die Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag sei urdemokratisch; weshalb stellte Zamperoni nicht die naheliegende Frage, warum die SPD nicht auch ihren nächsten Vorsitzenden in einer Urwahl ermitteln wolle?

Warum fragte er nicht nach Belegen für Scholz`Behauptung, Nahles sei eine "starke Vorsitzende"? Nahles hat alle „Agenda 2010“-Schweinereien der SPD-Führung mitgemacht. Weil sie, die angebliche Linke, so stark ist? Warum versuchte Zamperoni nicht, an dieser Stelle nachzubohren? Ein Forist bei "Tagesschau.de" über Nahles: "Sie ist die Personifizierung einer Parteibuchkarriere, die ihrer eigenen Perspektive alles andere kalt berechnend unterordnet. 2005 Müntefering, letztes Jahr Gabriel und nun den vermeintlichen Schicksalsgefährten Schulz bei der ersten Gelegenheit weggebissen“.

Warum stellen Zuschauer richtige und naheliegende Fragen, Tagesthemen-Moderatoren aber nicht?

Besonders blamabel, dass der Spruch von der SPD, "stärkste Partei werden zu wollen" völlig ohne Nachfrage des Moderators durchgehen konnte. Da stand ein transatlantischer Musterjournalist vor dem leeren Tor und schoss den Elfmeter nicht.

"Tagesthemen“ zeigte erneut, wie sehr der ARD-Nachrichten-Journalismus unter den Gniffkes in all den Jahren gelitten hat. Jetzt sind Oberflächlichkeit, Konformismus, Gefügigkeit gegenüber den Regierenden und Parteioligarchen die Markenzeichen der ARD-aktuell. TT-Moderator Zamperonis Eignung zum alerten Dressman und lächelnden Salonlöwen ist nicht zu bestreiten, seine Tauglichkeit als kritisch-distanzierter Journalist hingegen sehr wohl. Aber das erfüllt ja die Voraussetzungen für den Hanns-Joachim Friedrichs-Preis, den ihm die Kungelbrüder im Hintergrund sicherlich verleihen werden, auch wenn der Namensgeber darob im Grabe rotierte...

Das Zamperoni-Interview verstieß gegen das Gebot des Staatsvertrages, Beiträge nach "anerkannten journalistischen Grundsätzen“ zu gestalten.

Mit freundlichen Grüßen

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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