Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten I

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Maren
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Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten I

Beitrag von Maren »

Werte Damen und Herren,

bitte beantworten Sie mir die folgenden Fragen zu Ihren Programminhalten:

1. In der RBB-Nachrichtensendung am 6.5.2020 um 19.30 Uhr hat Ihr Ansager Hingst über Herrn Attila Hildmann behauptet, dass dieser im Zusammenhang mit der Coronapandemie "Verschwörungstheorien" verbreiten würde. Entgegen allen Grundregeln journalistischer Arbeit wurde diese Behauptung ohne jede Begründung oder Quelle aufgestellt. Deshalb möchte ich von Ihnen wissen, was a) "Verschwörungstheorien" in Ihrem Verständnis eigentlich sind und b) auf welche Äußerungen des Herrn Hildmann sich diese Behauptung konkret stützt (Quellenangabe) und was diese Behauptung ggf. als "Verschwörungstheorie" qualifiziert. Hinweis: dies offenzulegen dürfte Ihnen keine besondere Mühe bereiten, sofern Sie nach den Grundregeln journalistischer Sorgfalt arbeiten.

2. Im RBB Spezial, ebenfalls am 6.5.2020, jedoch ab 20.15 Uhr, kommentierte der Ansager, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, die seitens Bundes- und Landesregierung(en) verfügten "Öffnungsmaßnahmen" (teilweise Wiederherstellung elementarster Grundrechte unter weiterer Beibehaltung anderer gravierender Grundrechtsverletzungen) in der Weise, dass dies "ein Vertrauensvorschuss" (zweifelsfrei gemeint war: der Regierung gegenüber dem Volk) sei. Hierzu bitte ich Sie folgende Frage zu beantworten: Inwieweit verträgt sich die darin offenbarte Grundeinstellung (die Regierung vertraut dem Volk und gewährt deshalb einige, aber nicht alle Freiheitsrechte) mit elementaren demokratischen und Verfassungsgrundsätzen, an deren Einhaltung Sie gebunden sind? Ist es im Verständnis Ihres Personals tatsächlich so, dass die Regierung dem Volk (ausnahmsweise) einen "Vertrauensvorschuss" schenkt?

Ihren substanziellen Antworten sehe ich mit großem Interesse entgegen und verbleibe

mit höflichem Gruß,

Dr. H. Demanowski
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Maren
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Re: Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten I

Beitrag von Maren »

Antwort vom RBB:

Sehr geehrter Herr Demanowski,

herzlichen Dank für Ihre Zuschrift, auf die wir gerne antworten. Sie nehmen Bezug auf unsere Sendung vom 6.5.2020. An diesem Tag berichteten wir über eine nicht angemeldete Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen vor dem Reichstag, zu der der vegane Koch und Imbissketten-Betreiber Attila Hildmann über Social Media aufgerufen hatte. Dem Aufruf folgten mehrere hundert Menschen und kamen damit zu einer nicht genehmigten Demonstration innerhalb der Bannmeile zusammen. Aktuell sind aufgrund der Einschränkungen im Versammlungsrecht nur maximal 50 Teilnehmer bei Demonstrationen an einem festen Ort zugelassen, wenn sie dabei die Abstandsregel von mindestens 1,50m einhalten. Auch Letzteres wurde bei dieser Demonstration missachtet.

Sie fragen nun, warum unser Moderator Sascha Hingst hier formulierte, dass Herr Hildmann im Zusammenhang mit der Corona-Krise durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien aufgefallen sei, und was unserem Verständnis nach Verschwörungstheorien sind. Wir verstehen unter Verschwörungstheorien genau das, was Sie als Definition in jedem beliebigen Lexikon finden können. Nämlich die Annahme, dass ein bestimmtes Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären ist, also das bewusst konspirative Wirken bestimmter Akteure, die damit einen illegalen oder illegitimen Zweck verfolgen.

Des weiteren fragen Sie, auf welche Äußerungen des Herrn Hildmann wir uns stützen, wenn wir sagen, er sei durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien aufgefallen. Herr Hildmann zeigte sich auf seinem Telegram-Kanal beispielsweise mit einer Schusswaffe in der Hand und behauptete im nebenstehenden Text "SIE BENUTZEN CORONA UM UNS ZU IMPFEN UND DAMIT ZU CHIPPEN! DAS IST DER PLAN DER ID2020!". Das heißt, er geht davon aus, dass eine Gruppe von machtvollen Verschwörern, die Corona-Krise missbraucht oder gar erfunden hat, um Menschen vordergründig zu impfen, in Wahrheit jedoch zu chippen, also gegen ihren Willen mit einem subkutanen, elektronischen Chip zu versehen, der eine Überwachung möglich macht.

Wir müssen selbstkritisch einräumen, dass wir dieses Bild in der Abendschau vom 6.5. als Beleg nicht verwendet haben. Die Ereignisse vor dem Reichstag fanden so knapp vor unserer Sendung statt, dass es uns zeitlich nicht mehr möglich war, darauf entsprechend hintergründiger einzugehen. In der folgenden Nachrichtensendung desselben Tages, rbb24 um 22 Uhr, sendeten wir jedoch einen Bericht über besagte Demonstration, der dieses Bild als Beleg enthielt.

Das Foto erfüllt aus unserer Sicht die Definition einer Verschwörungstheorie. Fakt ist, dass aktuell weltweit überhaupt erst an einem wirksamen Corona-Impfstoff geforscht wird. Über die Ausgestaltung einer Impfstrategie gibt es in Deutschland noch keinerlei Beschlüsse. In der Lesart des Herrn Hildmann würde eine Impfmaßnahme, wenn sie denn kommt, nicht dem Zweck dienen, die Corona-Pandemie nachhaltig einzudämmen, sondern der gezielten Unterwanderung unserer demokratischen Grundsätze und Freiheitsrechte durch flächendeckende Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern, die gegen ihren Willen bzw. möglicherweise sogar ohne ihr Wissen mit einem Chip versehen werden.

Wir haben das Thema in den folgenden Tagen noch mehrfach behandelt. So zum Beispiel am 9.5.2020 anlässlich einer weiteren Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen vor dem Reichstag. Bei dieser Gelegenheit gab Attila Hildmann unserem Reporter ein Interview, in dem er folgendes erklärte:

"Viele Sicherheitsexperten weltweit gehen davon aus, dass wir gar nicht mehr in einer normalen Ordnung leben, sondern dass es keine Grundrechte mehr gibt, dass es de facto keine BRD mehr gibt, und dass wir im Kriegszustand leben."
Auch diese Äußerung des Herrn Hildmann bewerten wir als eine Verschwörungstheorie.

Auf seinem Telegram-Kanal behauptet Herr Hildmann darüber hinaus regelmäßig, dass das Robert Koch Institut Corona-Daten willkürlich zusammenstelle, dass die Weltgesundheitsorganisation ein Geheimbund sei und von Bill Gates kontrolliert werde, der seinerseits ein Kinderschänder sei, welcher weltweit Zwangssterilisationen über einen Impfstoff herbeiführen möchte.

Falls Sie an einer genaueren Lektüre interessiert sind, hier der Link.


Ihre zweite Frage richtet sich auf unser rbb spezial vom vergangenen Mittwoch und einer darin enthaltenen Formulierung unseres Moderators Marc Langebeck im Interview mit Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach zu den letzte Woche beschlossenen Lockerungsmaßnahmen im Gastronomiebereich und im Einzelhandel. Sie möchten wissen, ob es im Verständnis unserer Kolleginnen und Kollegen so ist, dass "die Regierung dem Volk (ausnahmsweise) einen "Vertrauensvorschuss" schenkt?".

Das kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Unsere Berichterstattung seit Beginn der Corona-Pandemie hatte neben der Information über die Maßnahmen der Politik immer auch die kritische Öffentlichkeit im Blick und dabei die Frage, inwieweit die verordneten Maßnahmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes geboten, schlüssig, wirksam, überholt, zu weitreichend oder zu lax sind. Wir haben dazu wiederholt die Exekutive selbst befragt, die Opposition, Fachleute aus Medizin und Wissenschaft, auch aus dem verfassungsrechtlichen Bereich, und nicht zuletzt die Menschen in Berlin und Brandenburg selbst - sei es über Beiträge, in nicht repräsentativen Straßenumfragen, über unser nicht repräsentatives Umfragetool meinrbb.de oder den von uns und der Berliner Morgenpost bei infratest dimap beauftragten und repräsentativen Berlin Trend.

Wir hoffen, Ihnen hiermit zufriedenstellende Antworten auf Ihre Fragen gegeben zu haben.


Mit freundlichem Gruß
Sandra Hochleitner

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
Masurenallee 8-14
14057 Berlin

http://www.rbb-online.de
Ihr Rundfunkbeitrag für gutes Programm.
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Maren
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Re: Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten I

Beitrag von Maren »

Verehrte Frau Hochleitner,

für Ihre Nachricht bedanke ich mich und möchte dabei zuerst positiv hervorheben, dass Sie eine recht schnelle Reaktion gezeigt haben.

Gestatten Sie mir zu Ihren Ausführungen jedoch noch folgende Bemerkungen bzw. Nachfragen:

Das Zustandekommen der fraglichen Demonstration war nicht Gegenstand meiner Fragen, trägt insofern auch nicht zur Beantwortung bei. Dennoch: Die starken Einschränkungen des Demonstrationsrechts wurden inzwischen von verschiedenen Gerichten als rechtswidrig erkannt und entsprechend revidiert. Das ist auch für Berlin zu erwarten, dauert aber wohl noch etwas. Spontane Demonstrationen ohne Anmeldung sind nicht per se ungesetzlich (ich verweise auf die Artikel 8, 19 und insbesondere 20 des Grundgesetzes) und hier sogar möglicherweise geboten, zumal Gerichte bereits begonnen haben, wie ich oben schrieb, entsprechende Verordnungen aufzuheben. Es kann nicht ungesetzlich sein, (friedlich) gegen Maßnahmen zu demonstrieren, die selbst ungesetzlich sind. Vielleicht sollten Sie das in Ihrer Berichterstattung etwas stärker herausstellen!

Bei "Verschwörungstheorien" besteht m. E. die grundsätzliche Schwierigkeit darin, dass man zur Feststellung des Vorliegens einer solchen Theorie den Beweis antreten müsste, dass die enthaltenen Aussagen definitiv falsch sind. Das würde allerdings die Existenz einer "absoluten Wahrheit" voraussetzen, gegen die sich eine Theorie prüfen ließe. Da es keine absolute Wahrheit geben kann, kann es folglich auch keine "Verschwörungstheorien" geben (da sie ja doch - obwohl zunächst unwahrscheinlich - am Ende - ggf. teilweise - wahr sein können).

Sehr wohl gibt es vom Mainstream abweichende Meinungen, darunter auch absurd erscheinende, die ich auch bei Herrn Hildmann beobachte. Dennoch wäre es vermessen, ihm das Etikett "Verschwörungstheoretiker" anzuheften, weil Sie genau das gar nicht beweisen können (viele der zugegeben merkwürdigen Ansichten des Herrn Hildmann beziehen sich auf die Zukunft, können folglich frühestens auch erst dann als "wahr" oder "falsch" - oder "teilweise falsch"? - klassifiziert werden). Übrigens haben sich viele "Verschwörungstheorien" später doch als näher an der Wahrheit erwiesen, als offizielle Statements, auch in den Medien, nahegelget hatten - ich erinnere nur an die Begründung des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges 2003, der viele Menschenleben gefordert und unermessliche Schäden verursacht hat. Hier lag dann doch eine Verschwörung mehrerer Regierungen und weiterer Akteure gegen einen großen Teil der Menschheit vor, was zuvor als "absurd" geleugnet wurde (ich verweise auf die Untersuchung des Britischen Parlaments etc.). Wundern Sie sich also nicht, wenn in der Bevölkerung ein gewisses "Grundmisstrauen" gegenüber Politik und Medien besteht! Das ist übrigens auch nicht schlecht, sondern eine der Voraussetzungen jeder funktionierenden Demokratie.

In dem Zusammenhang verstehe ich übrigens nicht, warum Sie mutwillig und ohne Not die Beweislast umkehren: Fordern Sie doch Herrn Hildmann dazu auf, seine Thesen zu beweisen! Indem Sie Herrn Hildmann als " Verschwörungstheoretiker" etikettieren, müssen nun SIE beweisen, dass seine Behauptungen falsch sind. An Ihrer Stelle hätte ich mir das nicht aufgehalst.

Schließlich möchte noch einmal an der Kern der Aktivitäten von Herrn Hildmann erinnern, der - alle möglicherweise auch kruden Thesen einmal beseite - explizit zur Verteidigung des Grundgesetzes aufruft. Das ist ein absolut ehrenwerter und auch unterstützenswerter Ansatz, der Respekt verdient, statt ihm unlautere Absichten (welche eigentlich?) zu unterstellen, denn das wäre in der Tat nach Ihrer eigenen Definition, die ich nicht teile, eine handfeste "Verschwörungstheorie" - hier ganz konkret zulasten Herrn Hildmanns. Warum haben Sie die positive Absicht des Herrn Hildmann in keiner Weise hervorgehoben oder auch nur berichtet, obwohl sie doch so offensichtlich ist? Das können nur Sie beantworten.

Mit Freude habe ich Ihre Bemerkungen zu meiner zweiten Frage gelesen, muss dazu aber erneut feststellen, dass in der fraglichen Sendung explizit das genaue Gegenteil vermittelt wurde. Eine ebenso öffentliche Richtigstellung hat es meines Wissens nicht gegeben. Ich finde es unredlich, öffentlich einem breiten Publikum einen bestimmten Eindruck zu vermitteln und dann in einer persönlichen Korrespondenz - auf Nachfrage - das genaue Gegenteil einzuräumen.

Wie Sie sehen, habe ich die öffentlich-rechtlichen Medien noch nicht gänzlich abgeschrieben, weshalb ich mir für Sie auch - erneut - viel Zeit genommen habe, bin aber hochgradig mit der von Ihnen gebotenen, über weite Strecken an substanzlose Propaganda erinnernden Berichterstattung unzufrieden. Ich wünsche mir, dass Sie sich wieder viel mehr auf die eigentliche Rolle der Presse als "vierte Säule der Demokratie" besinnen und weniger als Sprachrohr der Regierung(en) und Inquisitor für (von amtlichen Statements abweichende) Meinungen agieren. Das wäre übrigens auch in Ihrem ureigensten Interesse.

Mit höflichem Gruß,


Dr. H. Demanowski
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