Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten II

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Maren
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Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten II

Beitrag von Maren »

Werte Damen und Herren,

in der RBB Abendschau vom 7.5.2020 ab 19.30 Uhr trat als Interviewpartner ein Herr Sundermann mit Hintergrundinformationen über Proteste gegen die Einschränkungen elementarer Grundrechte im Zusammenhang mit der Coronapandemie auf. Er erklärte u.a., dass an Demonstrationen vor der Volksbühne bzw. vor dem Bundeskanzleramt "Verschwörungstheoretiker" beteiligt gewesen seien. Die Teilnahme an der Demonstration vor dem Bundeskanzleramt bezeichnete er als "höchst kriminell". Darauf angesprochen, woher man wissen könne, dass sich unter den Demonstranten (eine große Anzahl von - so zumindest der erweckte Eindruck, denn ansonsten hätte es nicht dieser Dringlichkeit bedurft) "Extremisten" befunden hätten, führte er aus, dass man Personen schließlich "kennen" würde, es wären auch "Landtagsabgeordnete aus Potsdam" unter den Demonstranten gewesen (es wurden weitere - allgemeine - Gruppen genannt, nach Zielen bzw. Meinungen befragt wurde aber anscheinend keiner davon).

Darauf bezugnehmend bitte ich um Beantwortung folgender Fragen:

1. Anhand welcher konkreter Kriterien kommt Herr Sundermann zu dem Schluss, dass es sich bei den kritisierten Personen um "Verschwörungstheoretiker" handelt? Welche "Verschwörungstheorien" vertreten die einzelnen Personen genau und was ist daran verwerflich?

2. Warum behauptet Herr Sundermann, dass die Teilnahme an einer Demonstration "höchst kriminell" ist? Das ist eine schwere Beschuldigung gegen alle Teilnehmer der fraglichen Demonstration. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage kommt Herr Sundermann konkret zu dem Schluss, dass hier "höchst kriminelles" Verhalten vorliegt (bitte auch unter Berücksichtigung des grundgesetzlich verankerten Demonstrations- und Widerstandrechts)? Warum "höchst kriminell" und nicht z.B. ordnungswidrig?

3. Hält Herr Sundermann auch "Landtagsabgeordnete aus Potsdam" für "höchst kriminell"? Warum?

4. Warum wurde den derart schwer Beschuldigten, die Herrn Sundermann nach eigener Aussage sämtlichst persönlich bekannt sind (Kern seiner Aussage), keine Möglichkeit zur Darlegung ihrer Position gegeben, was eine elementare Grundregel seriösen Journalismus ist?

5. Falls es sich bei dem Beitrag um die persönliche Meinung des Herrn Sundermann gehandelt haben sollte - warum wurde das im Beitrag einer Nachrichtensendung nicht gekennzeichnet?

Ihren substanziellen Antworten sehe ich mit Interesse entgegen!

Mit höflichem Gruß,


Dr. H. Demanowski, Berlin
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Maren
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Re: Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten II

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Demanowski,

auch auf ihre zweite Mail mit Nachfragen zu unserem Studiogespräch mit Olaf Sundermeyer antworten wir Ihnen gern. In diesem Gespräch ging es um die Frage, welche Personen oder Personenkreise als Initiatoren der jeweils nicht angemeldeten Demonstrationen vor der Volksbühne bzw. dem Reichstag fungieren. Im Falle der Volksbühne und der seit einigen Wochen dort stattfindenden sog. Hygiene-Demos ist das, wie wir im vorangegangenen Beitrag zeigten, ein Bündnis namens Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand um den Theaterdramaturgen Anselm Lenz. Im Fall der am 6.5. vor dem Reichstag veranstalteten Demonstration ist es, wie bereits in unserer vorangegangen Mail ausgeführt, der vegane Koch Attila Hildmann.

Olaf Sundermeyer ist ein bundesweit anerkannter und für den rbb tätiger investigativer Journalist in Sachen Rechtsextremismus. Er arbeitet seit Jahren in diesem Bereich und ist in seiner Funktion als Kenner dieser Szene regelmäßiger Autor von Beiträgen oder Gesprächsgast in rbb-Formaten wie der Abendschau, Brandenburg aktuell, inforadio, rbb24.de oder dem vom rbb für die ARD produzierten Politmagazin KONTRASTE. Aufgrund dieser jahrelang erworbenen Expertise war er als Studiogast in der Abendschau vom 7.5.2020, um im Gespräch mit unserem Moderator Sascha Hingst zu erörtern, was genau nach seiner persönlichen Einschätzung, die auf jahrelanger Recherche fußt, problematisch an einigen - nicht per se allen - Protesten gegen die im Zuge der Corona-Pandemie verordneten Beschränkungen ist. Dass es auch während einer Pandemie möglich sein muss, von seinem Grundrecht auf Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, wurde gleich zu Beginn des Gesprächs klargestellt.

Herr Sundermeyer wertete das Vorgehen von Attila Hildmann als "höchst kriminell". Er bezog sich dabei auf die Tatsache, dass Herr Hildmann über social media zu einer nicht genehmigten Demonstration vor dem Reichstag aufruft. Da ihm eine große Zahl an Menschen auf seinen social media-Kanälen folgt, nimmt er damit billigend in Kauf, dass mehr als 50 Menschen seinem Aufruf folgen. Das war am 7.5. mit mehreren hundert Demonstrationsteilnehmern auch der Fall. Vor Ort hatte der Initiator Hildmann keinerlei Vorkehrungen getroffen, um die Abstandsregel von 1,50 Meter zu gewährleisten und auch sonst keinerlei Maßnahmen ergriffen, um Hygienestandards zu wahren. Er unternahm auch angesichts der Ansammlung hunderter Menschen keine Anstrengungen dazu. Das heißt, er nahm weiterhin billigend in Kauf, dass sich Menschen bei dieser illegalen Demonstration infizieren und sich die Krankheit dadurch weiter verbreitet. Das ist de facto ein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz.

Herr Sundermeyer formuliert, dass Attila Hildmann sich nach seinem persönlichen Dafürhalten in den letzten Tagen im Netz "zum rechten Veschwörungstheoretiker" radikalisiert hat. Sie haben recht, dass er seine Einschätzung hier nicht weiter mit Beispielen belegt. Ich möchte an dieser Stelle auf unsere vorangegangene Antwortmail verweisen, in der ich ausführe, bei welchen Gelegenheiten genau das in unserer Berichterstattung der letzten Woche geschah. Davon abgesehen, halten wir es im Rahmen dieses Gesprächs für statthaft so vorzugehen. Vor allem weil das Gespräch den Zweck verfolgte, einen Überblick über die unterschiedlichen Teilnehmergruppen an den sogenannten Corona-Protesten zu geben. In diesem speziellen Fall könnte man sich nun darauf zurückziehen, dass das Netz als Quelle jedermann zugänglich ist und Sie nur "Attila Hildmann" in eine beliebige Suchmaschine einzugeben brauchen, um sofort zahlreiche Beispiele für die erwähnten Verschwörungstheorien zu finden. Es muss aber selbstverständlich unser Anspruch sein, in solchen Fällen immer auch den Beleg mitzuliefern.

Herr Sundermeyer hat im weiteren Verlauf nicht behauptet, dass Potsdamer Landtagsabgeordnete kriminell seien, auch nicht wenn sie an dieser Demonstration teilgenommen haben. Dieser Ausspruch bezog sich explizit wie oben ausgeführt auf Herrn Hildmann. Herr Sundermeyer erklärte allerdings, dass Potsdamer Landtagsabgeordnete an der Demonstration vor der Volksbühne teilgenommen hatten, die dafür bekannt sind, dem rechtsextremen "Flügel" der Alternative für Deutschland (AfD) angehört zu haben. Der "Flügel" wurde Mitte März vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und somit zum Beobachtungsfall. Seine politischen Positionen und Ziele sind nach Einschätzung der Verfassungsschützer nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Parteivorstand der AfD hat im Zuge dessen beschlossen, dass sich der Flügel zum 30.4.2020 auflösen soll. Möglicherweise ist das geschehen. An der Geisteshaltung der Mitglieder ändert dies mutmaßlich nichts. Es ist in dem Zusammenhang aufschlussreich zu erfahren, dass eine solche Klientel Teil einer möglicherweise erstarkenden Protestbewegung ist oder sein möchte. Eine Stellungnahme der aus Ihrer Sicht vorverurteilten Personen halten wir in diesem Zusammenhang nicht für nötig, denn es wurden keinerlei Abgeordnete namentlich benannt oder im Bild gezeigt.

Wir hoffen erneut, auf Ihre Fragen zufriedenstellende Antworten geliefert zu haben.

Mit freundlichem Gruß

Sandra Hochleitner

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
Masurenallee 8-14
14057 Berlin

www.rbb-online.de
Ihr Rundfunkbeitrag für gutes Programm.
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Maren
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Re: Fragen an den RBB zu den Corona-Protesten II

Beitrag von Maren »

Verehrte Frau Hochleitner,

auch den Erhalt Ihrer neuen Nachricht bestätige ich Ihnen gern. Leider sind auch hierzu einige Anmerkungen unvermeidlich. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, zumal ich Ihnen entsprechende Hinweise schon übermittelt hatte.

Sie werden zugeben, dass eine Expertenmeinung wertlos ist, wenn sie nicht mit Fakten belegt wird. Konkrete Aussagen wie in diesem Fall müssen auch konkret begründet werden, auch von Experten, die schließlich nicht unfehlbar sind (Ihre diesbezügliche Argumentation ist insofern zwar typisch aber ausgesprochen dünn). "Bundesweit anerkannt" zu sein oder viele Referenzen zu haben entbindet leider nicht von der Notwendigkeit, Aussagen zu belegen und nachprüfbar zu machen. Dass von Experten angenommen werden darf, dass sie sich mit einem bestimmten Gebiet intensiv befassen, ist nicht gleichbedeutend mit der Vermutung, dass sie immer richtig liegen - schon gar nicht, wenn sie ihre Behauptungen nicht einmal begründen, geschweige denn mit handfesten Beweisen untermauern. Das scheint ja auch Ihnen klar zu sein, denn im Gegensatz zu Herrn Hingst in der beanstandeten (Nachrichten-!) Sendung betonen Sie nun wiederholt, dass es sich bei den Darstellungen um die persönliche Einschätzung des Gesprächspartners handelte, der aber andererseits auch zu Ihrem Hause gehört und dort Aufträge erhält, so dass seine Meinung dann vielleicht doch nicht ganz so privat sein kann, wie Sie glauben machen wollen. Dieser Eindruck wurde in Ihrer Sendung ja gerade auch vermieden, indem die Äußerungen als (gesicherte? faktenbasierte?) Expertise präsentiert wurden, so dass beim Zuschauer der Eindruck entstehen musste, dass es sich bei den Aussagen um Tatsachen, nicht um private Annahmen, handelte.

Zum Zustandekommen von Demonstrationen im (faktischen) Ausnahmezustand hatte ich Ihnen bereits Denkanstöße gegeben. Ich hatte auch auf das Grundgesetz hingewiesen, wo - als Abwehrrechte der Bürger gegenüber dem Staat - Grundrechte definiert sind. Insbesondere Artikel 20 gesteht den Bürgern das Recht auf Widerstand ausdrücklich zu. Ob lokale Verordnungen oder das mit heißer Nadel gestrickte Infektionsschutzgesetz (das in Teilen wie auch einige der Verordnungen von Gerichten bereits als rechtswidrig eingestuft wurde) das Grundgesetz brechen, wage ich zu bezweifeln. Herr Hildmann beruft sich explizit auf das Grundgesetz, so dass die Beschuldigung, dass solches Verhalten "höchst kriminell" sei, gelinde gesagt sehr fragwürdig ist und in jeder Hinsicht den Tatbestand des Rufmordes erfüllt ( was dann übrigens wirklich höchst kriminell ist). Das werden hoffentlich irgendwann die Gerichte entscheiden (und Herrn Hildmann dann ggf. eine Entschädigung für die erlittene Rufschädigung durch Kriminalisierung zusprechen, was hoffentlich nicht den Gebührenzahlern aufgebürdet wird), vorher würde ich als öffentlich-rechtlicher Sender an Ihrer Stelle solchen justiziablen Beschuldigungen eher kein Forum bieten. Aber das ist, sofern es nicht auf die Gebührenhöhe durchschlägt, natürlich Ihre Sache. Auch hier ist daran zu erinnern, dass Herr Hildmann zur Verteidigung des Grundgesetzes aufgerufen hat, was in Ihrer Berichterstattung zwar erstaunlicherweise gar nicht erwähnt wurde, aber insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Vorwürfen, dass dies "höchst kriminell" sei, einen ganz besonderen Geschmack bekommt. Es stellt sich die Frage, welche Botschaften Sie eigentlich vermitteln wollen und wie Sie es mit den Grundrechten halten.

Mich erleichtert immerhin, dass Herr Sundermeyer "Landtagsabgeordnete aus Potsdam" (dass diese wohl der AfD zuzurechnen sind, hat Herr Sundermeyer bei seinem Auftritt - vorsichtigerweise? - nicht explizit mitgeteilt, ich lese es nun erst bei Ihnen - warum sagt er das eigentlich nicht, wenn er seiner Sache so sicher war?), die er explizit erwähnt und in unklare Zusammenhänge rückt, auf Nachfrage ausdrücklich nicht als "höchst kriminell" ansieht. Dass sie als - sehr gut identifizierbare Gruppe - an prominenter Stelle genannt wurden, hingegen keine Notwendigkeit gesehen wurde, ihre Meinung darzulegen oder auch nur zu erfragen, wundert mich hingegen. Das scheint mir auch nach gründlicher Abwägung - wie auch die Unterschlagung des Anliegens der Demonstrationen insgesamt - eine grobe Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht zu sein, insbesondere, weil die Erhebung entsprechender Informationen alles andere als schwierig gewesen wäre!

Das beißt sich n.b. mit Ihrer anfänglichen Feststellung, dass es auch in der Pandemie das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gäbe, wenn Sie zugleich Demonstrationen, wo diese Meinung artikuliert werden soll, als "höchst kriminell" einordnen (lassen) und die Protagonisten selbst nicht zu Wort kommen dürfen. Dass jeder in seinem Keller seine Meinung frei äußern darf, gilt sogar in Diktaturen. In einer Demokratie besteht aber darüber hinaus das Recht, die Meinung auch öffentlich kundzutun, wozu insbesondere Demonstrationen und die öffentlich-rechtlichen Medien eine Plattform bieten sollen (Rundfunkstaatsverträge!), was Sie im konkreten Fall aber gleich doppelt verweigern.

William Gates, der in der ARD stets positiv wertend als "Bill" Gates bezeichnet wird, durfte, obwohl er mit Deutschland so gut wie nichts zu tun hat, seine Meinung im Zusammenhang mit der Pandemie dagegen unlängst in für eine Nachrichtensendung (Tagesthemen) einmaliger Länge darlegen, obwohl er erwiesenermaßen kein ausgewiesener (Gesundheits-) Experte sondern einfach nur unglaublich reich ist, auch keine belastbaren Fakten präsentieren konnte, aber statt dessen ein abenteuerliches Privatprojekt, das bei anderen womöglich als "Verschwörungstheorie" (dis)qualifiziert worden wäre, vorstellte, ohne auch nur kritische Nachfragen zu bekommen. Sie werden zugeben, dass es wesentlich zielführender wäre, "Landtagsabgeordnete aus Potsdam", immerhin Vertreter der Legislative, mit wesentlich stärkerem lokalem Sachbezug und für die Bürger verbindlicherer Aussagekraft zu Wort kommen zu lassen. Für die Gates-sche Propagandashow in den Tagesthemen sind Sie natürlich nur mittelbar verantwortlich und haben sicherlich ARD-intern energisch gegen derlei Entgleisungen protestiert.

Was nun "Verschwörungstheoretiker" angeht, hatte ich Ihnen bereits den Rat gegeben, sich nicht ohne Not in die gefährliche Situation der Beweislastumkehr zu manövrieren. Lassen Sie die "Verschwörungstheoretiker" doch nachweisen, dass ihre Thesen richtig sind, statt den Versuch des Nachweises zu unternehmen, dass die fraglichen Thesen falsch sind. Damit können Sie eigentlich nur verlieren - es sei denn, dass Sie an einer inhaltlichen Klärung gar nicht interessiert sind und vom Mainstream abweichende Meinungen einfach nur unterdrücken möchten (was allerdings nicht Ihrem Auftrag entspräche).

Ich fürchte, Sie ein weiteres Mal enttäuscht zu haben, weil ich, anders als Sie vermutet hatten, mit Ihren Antworten alles andere als zufrieden bin.

Vielleicht sind Sie trotzdem froh, dass es Zuschauer gibt, die an die Verbesserung Ihrer journalistischen Qualität glauben - oder besser: inständig darauf hoffen, statt Ihnen wortlos den Rücken zu kehren, wie es nach meiner Beobachtung im Bekanntenkreis gerade sehr viele tun.

Mit höflichem Gruß,


Dr. H. Demanowski
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