Missionierung in den öffentlich-rechtlichen Medien

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Bücherleser

Re: Missionierung in den öffentlich-rechtlichen Medien

Beitrag von Bücherleser »

Telepolis beschreibt die Zurückweisung der BfG-Klage durch das Verwaltungsgericht als "nach hinten losgegangen":

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45507/1.html

Ich sehe das anders:
Der Sinn der Klage bestand nicht im Sparen von Rundfunkgebühren, sondern in einer Klarstellung, was "gottesdienstlich genutzte Räume" sind.

Nun hat das Verwaltungsgericht klargestellt, daß der betreffende Passus im Rundfunkgestetz eng auszulegen ist und sich somit auf Kirchen, Moscheen und Synagogen anerkannter Religionsgemeinschaften beschränkt.
Einer Klage vor den nächsthöheren Instanzen wurde wenig Aussicht auf Erfolg vorausgesagt, weil in einem anderen Prozeß bereits die Verfassungskonformität des Rundfunkgesetzes festgestellt worden sei.

Damit ist eindeutig:
Das Rundfunkgesetz privilegiert einzelne Religionsgemeinschaften, benachteiligt damit Nicht- und Andersgläubige und verstößt damit gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Entweder wurde dieser Fakt bei der Beurteilung der Verfassungsgemäßheit des Rundfunkgesetzes nicht berücksichtigt, womit dieses Urteil revidiert werden müsse -
oder unsere Verfassung verstößt gegen die Menschenrechte.

Da wegen der brüderlichen Verfilzung der Verfassungsrichter mit einem maßgeblichen Mitentwerfer des Rundfunkgesetzes ohnehin keine unbefangene Beurteilung von dessen Verfassungskonformität zu erwarten ist,
wünsche ich dem Kläger und seiner Anwältin einen erfolgreichen Klageweg bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Irena

Re: Missionierung in den öffentlich-rechtlichen Medien

Beitrag von Irena »

Ich bin auch Atheistin. Eine kritische Atheistin. Meine Kritik richtet sich eher gegen Intoleranz der Atheisten. Ich bin auch keine Charlie-Anhängerin, weil bin überzeugt, dass die Gefühle der anderen müssen respektiert werden. Es gehört zu meine moralischen Einstellungen.

Dieses Thread ist gutes Beispiel, wie die Weltanschauung beeinträchtigt die Wahrnehmung. Es gebe Aspekte, für die man besonders empfindlich ist (hier z.B. die Ablehnung der Religionen). So auch die Schmerzschwelle entsprechend niedrig ist, wenn gerade dieser Aspekt gehäuft – aus eigenen Empfindung – auftaucht. Ob es wirklich gehäuft ist, da habe ich mein Zweifel. Zugegebene weise meine Erfahrung bezieht sich nur auf Fernseher. Auf jedem Fall, um es zu beurteilen, muss man der gesamte Inhalt des von ÖR Medien Gesendeten in Vergleich zum diesem speziellen Thema untersuchen. Es muss statistische Daten hier, um es objektiv zu beurteilen und nicht auf eigene subjektive Empfindungen zu stützen.

Wie gesagt, die Kirche nimmt in meinem Leben kein Platz. Wenn ich auf so etwas gelegentlich stoße (es spricht, glaube ich, ein Pastor am Sonntag), dann schalte ich um, wie auch andere, was mich nicht interessiert.

Wenn ich als politisch interessierte Bürgerin nachdenke, ob man noch politisch (und finanziell) Kirchen unterstützt muss, dann gelinge ich doch zu positiver Antwort. Immerhin sind es fast 60% der Bevölkerung, die einer oder andere Konfession angehören. Sie haben ihre Rechte. Es ist die Tatsache, der man sich stellen muss. Es gibt auch latente „Gläubige“, die als Atheisten auftreten. Sie sehen in der Kirche die Wurzeln ihre Identität (objektiv gesehen stimmt es auch) und sind emotional mit ihr verbunden. So etwa, obwohl man längst sich von Elternhaus emanzipiert hat, hat man trotzdem eine emotionale Beziehung zu dem… Das Fehler der – ich nenne es – aggressiven Atheisten ist, dass sie diese emotionale Verbindung unterschätzen. Bei wirklich religiösen Menschen ist es um Potenzen größer.

Zudem, wenn ich über Radikalisierung der Kirche in USA nachdenke und ihre wachsenden Einfluss hierzulande, dann ist es notwendig diese Verbindung Staat-Kirche aufrecht zu erhalten. Weil meiner Meinung nach, bei radikalen Tendenzen, kann man auch schneller politisch eingreifen. Gehen sie s. z. von Bildfläche weg, dann kann diese Radikalisierung nicht verfolgen und notfalls eingreifen. Im Grunde müsstet ihr stolz sein (ich habe nicht dazu beigetragen, bin Einwanderer) dass ihre Kirchen moderat sind. Ich denke, es muss die Plattformen angeboten werden, wo gemäßigte Gläubige sich mit Radikalen – auf ihre eigene Ebene und „Sprache“ auseinander setzen können.
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Das Phänomen Religion. Früher hatte ich ähnlich gesehen: die Zukunft gehört Atheisten. Mittlere Weile, habe ich verstanden, dass man auch ideologische – atheistische – Vorstellungen kann so weit idealisieren, dass sie im Grunde von der religiösen nur inhaltlich unterscheiden (ein mit plus, andere mit minus-Zeichen). So etwa, brach kommunistische sowjetische Ideologie, begannen Menschen massenhaft der Kirche sich zuwenden. Es ist doch erstaunlich, dass in Russland z. B. nach 70 Jahren Atheismus (3 Generationen hinweg), begann trotzdem der Siegeszug der orthodoxen Kirche, Buddhismus, Schamanismus, ich schweige schon über Islam. Aber auch viele Intellektuelle – Atheisten „auf Papier“ – verfallen esoterischen Vorstellungen.

Es scheint so, dass die Menschen brauchen Ideale. Dass es zu ihrer essentielle Eigenschaft gehört. So z. B. der Drang zu Missionierung der demokratischen Ideale, ist nach meine Beurteilung genau zu dieser Kategorie zu zuordnen. Oder der Phänomen der Stars in unserer Welt. Statt etwas Abstraktes (wie Gott) zu idealisieren, werden die Menschen idealisiert, s. z. Personenkult der westlichen Kultur. Wenn man die kreischenden Mädchen vor Konzert beobachtet, die ihre Idol(e) begrüßen, ähnelt es sehr der Fanatismus der Gläubigen…

Gibt es Atheismus dem Menschen das, wonach er anscheint sehnt?! Und was ist das, wonach er sehnt?! Die Fragen müssen uns beschäftigen…

Vor allem ich beobachte eine Tendenz zur Esoterik, zur verschiedenen spirituellen Praktiken, zur Bildung der Sekten etc. Dies m. E. bringt größeres Gefahr, weil unkontrollierbar ist. Insofern auch deswegen ist lieber mit einem „Ansprechpartner“ zu tun zu haben als kleine amorphen Gruppen, die genauso radikalisieren können, nur entgeht diese Radikalisierungsprozess unserer Wahrnehmung.

In allgemein halte ich den Vorwurf für Religionen für Mord und Leiden in der Geschichte unhaltbar, weil es sehr einseitig die Wirkung der Religion bewertet. Die Bedeutung der Religionen in der gesellschaftlichen evolutiven Entwicklung wird damit ausgeblendet. Das Verbrechen der Neuzeit, das komprimiert in 2 Hundert Jahren auftrat und daher auf Vielfaches die Opfer des religiösen Eifer übersteigt, die auf viele Jahrtausende verteilt sind, geht auf atheistischen Ideologien. Ein Messer nicht nur tötet. Er schneidet auch das Brot, das an Hungernden verteilt werden kann…
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Gerade in unserer Welt, wo die Konkurenzfähigkeit, die Ellenbogenmenatlität gefordert wird, sehe ich die moralische Werte, die dem Trend entgegenstehen, von der Religionen aufbewahrt zu sein. Ich will nicht jetzt Diskussion entfalten, dass Moral nicht Erfindung einer Religion ist. Ich denke, es lässt sich nicht so einfach beantworten, weil anfangs moralische und religiöse Vorstellungen untrennbar waren. Daher kann man nicht sagen, wer wem Anfang gab, weil es zwei eng verknüpfte Stränge der gesellschaftlichen Entwicklung waren, wobei die Religion sich zunehmen emanzipierte. Wie übrigens später die Wissenschaft sich von der Religion emanzipierte.

Übrigens habe ich mich sehr stark und intensiv mit der Frage der Evolution beschäftigt (für mich war der Ziel das evolutives Muster in unbelebten Materie entdecken, da auch sie sich bekannter weise selbstorganisiert). So habe ich mich sehr intensiv beschäftigt mit der Quantentheorie und ähnl. Nirgendwo kann man entnehmen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse gegen religiöse Vorstellungen stehen. Komische Weise stehen hier die religiösen Fundamentalisten mit aggresiven Atheisten nebenbei. Da sie die Auslegung der Religion in ihren Büchern wörtlich verstehen. Nach mein Verständnis sind Religionen nicht die Mythos-Sammlung (wobei zweifellos auch diese dort sich befinden). Viel mehr sind es die Botschaften die auf Assoziationen übermittelt werden. Es gab die Erleuchtete (die Genies ihrer Zeit) in der Geschichte, die ihre Erkenntnisse anderen übermitteln versuchten. Sie selbst waren Kinder ihrer Zeit, verfügten über das Wissen, das damals bekannt war. Ihre Erleuchtung bedeutete einen qualitativen Sprung in der Anwendung des Wissens in der Beschreibung der Welt. Dies gab gewaltigen Stoß für gesellschaftliche Entwicklung.
So etwa versuchen wir einem Kind einen komplexen Tatbestand in einer einfachen Form zu beschreiben. Am einfachsten gelingt es, wenn wir es auf etwas anlehnen, was ihn schon bekannt ist. Also eine Assoziation hervorrufen. So – bin ich überzeugt – auf Ebene der Assoziationen – keine Religion widerspricht der Wissenschaft.

Die, die mit philosophischen Fragen des Daseins sich beschäftigt, wird auch die atheistische Weltsicht hinterfragen müssen. Sicher kann man postulieren (nur postulieren – beweisen geht es nicht), dass der Geist auf der Spitze der kausalen Kette der materiellen Wechselwirkungen sich befindet. Mancher kann sich damit zufrieden stellen. Ich allerding, die wirklich sehr intensiv mit der Entwicklung der Materieformen sich beschäftigte, sehe als evolutives Muster in der Rückkoppelung der Wirkungen. Und ich denke, dass Atheismus damals mit der Ablehnung der Kirche, hat womöglich das Kind mit Badewasser ausgeschüttet… weil das Geist ist das unmittelbarste, was uns zugänglich ist, was uns ausmacht. Alles andere ist gedankliche Konstrukte…
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Maren
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Re: Missionierung in den öffentlich-rechtlichen Medien

Beitrag von Maren »

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