u. Hd. Bundesinnenministerin Nancy Faeser - persönlich
Alt-Moabit 140
10557 Berlin
Anfrage zur Konkretisierung einer Begrifflichkeit aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht.
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
in meiner Funktion als stellvertretender Vereinsvorsitzender des Vereins „Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V.“ erlaube ich mir, direkt mit Ihnen in Kontakt zu treten. Der Grund für meine Anfrage, ist eine für mich missverständliche Formulierung im aktuellen Verfassungsschutzberichtes des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV).
Auf Seite 119 unter römisch drei Gefährdungspotential heißt es wörtlich:
Diese in den bisher veröffentlichten Verfassungsschutzberichten nicht angewandte Formulierung löste bei mir und unseren Vereinsmitgliedern eine gewisse Irritation aus. So besteht gerade der Zweck unseres Vereins in der Erlangung und Förderung von Medienkompetenz, demokratischer und kultureller Bildung, sowie der demokratischen Mitsprache bei der Umsetzung des gesellschaftlichen Programm- und Bildungsauftrages. Der Verein ist als demokratische Rezipienteninitiative offen für die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Initiativen ohne eigenwirtschaftliche Interessen.„Die Angehörigen des Phänomenbereichs versuchen, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen sowie in Wissenschaft und Medien zu untergraben. Sie zielen dabei auf die Radikalisierung und Mobilisierung von Teilen der Bevölkerung, um ihre eigene Agenda voranzubringen.“
Eine kritische Medienanalyse insbesondere das Verfassen und Dokumentieren von Programmbeschwerden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist der genuine Kernauftrag unserer Vereinsarbeit. Das dies auch von Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anerkannt wird, erkennt man an der Tatsache, dass wir als Verein aufgrund unserer Expertise auch schon zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 2. Mai 2022 bei der MDR-Sendung „Fakt ist!“ einen Gast entsenden konnten.
Einige Vereinsmitglieder haben sich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie- genau wie ich- in einem Dienst- und Treueverhältnis stehen, mit der Bitte an den Vereinsvorstand gewandt, klarstellen zu lassen, inwieweit es noch in dem durch das BfV zulässigen Spektrum folgenlos möglich ist, Medienkritik zu üben, ohne in den neugeschaffenen Phänomenbereich ggf. durch Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln erfasst zu werden.
Soweit mir, der seine berufliche Laufbahn vor über 20 Jahren auch einmal in einem Nachrichtendienst begonnen hat, noch bekannt ist, bedarf es einer sehr langen und an bestimmten formellen Voraussetzungen gebundenen Prüfung, bis es zu einer nachrichtendienstlichen Erfassung kommen kann.
Denn um extremistische Bestrebungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten zu dürfen, ist ein langwieriges dreistufiges Prüfverfahren erforderlich, bei dem zuerst ein ausschließlich intern zu haltender Prüffall, ggf. zum Verdachtsfall qualifiziert werden kann und letztendlich auch zu einem Beobachtungsobjekt, mit allen damit verbundenen Konsequenzen, gipfelt.
Ist dieses dreistufige Verfahren, welches auch unterschiedlich tiefe Grundrechtseinschnitte mit sich bringt, in dem neu geschaffenen Phänomenbereich ebenfalls noch gegeben?
Nach welchen Kriterien erfolgt die Einstufung in den Phänomenbereich? Wie kann das Ihnen unterstellte BfV gewährleisten, dass es keine ermessenfehlerhaften Einstufungen in den Phänomenbereich vornimmt?
Ist Ihnen bewusst, dass durch diese o.b. Formulierung im Verfassungsschutzbericht eine offene medienkritische Arbeit, wenn nicht behindert, zumindest aber nachweislich erschwert werden könnte, da für die einzelne Person nicht ersichtlich ist, ab wann diese für das BfV von Bedeutung sein könnte?
Neben der konkreten Einstufung der „verfassungsschutzrelevanten Medienkritik“ würde mich darüber hinaus auch interessieren, welche konkreten rechtlichen Grundlage das BfV dazu ermächtigt, die Beobachtung dieses neuen Phänomenbereiches im Hinblick der Medienkritik überhaupt zu erfassen?
Wäre es nicht im Sinne der Freiheitlichkeit der Gesellschaft sinnvoll, den Passus „Medienkritik“ vollends aus den Kriterien des Phänomenbereichs zu streichen? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der neugeschaffene Phänomenbereich „Delegitimierung des Staates“ quasi unterstellt, Medien und Staat bilden eine Einheit.
Eine Beantwortung meiner Fragen insbesondere, was die genaue Abgrenzung hinsichtlich zulässiger Medienkritik anbetrifft, ist für unsere erfolgreiche und auch sehr notwendige Vereinsarbeit von hoher Bedeutung.
Insofern freue ich mich auf eine baldige Antwort von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Küllig