NDR - Faktenfinder ergänzt Beitrag zu RKI-Files nachträglich ohne Kenntlichmachung

[Maren]

Sehr geehrter Herr Knuth,

hiermit erheben wir Programmbeschwerde wegen unkommentierten inhaltlichen Änderns eines Beitrages des Faktenfinders im Onlineangebot der Tagesschau.

Der Beitrag "Neue Aufregung um RKI-Protokolle" vom 23.07.2024 um 18:09 Uhr wurde am 19.08.2024 um 12:09 Uhr um folgenden Text ergänzt:

Auf Anfrage teilt das RKI mit, dass die Formulierung "Pandemie der Ungeimpften" nicht vom Institut stamme. Allerdings hätten die verfügbaren Daten und Studien zum damaligen Zeitpunkt gezeigt, dass die Impfung einen hohen Schutz insbesondere vor schwerer Covid-19-Erkrankung biete und zudem in einem gewissen Ausmaß auch die Übertragung reduziere. "Daraus folgt, dass Ungeimpfte signifikant häufiger schwere Krankheitsverläufe entwickelten und überproportional häufiger auf Intensivstation behandelt werden mussten als Geimpfte, und darüber hinaus auch mehr zur Virus-Transmission in der Bevölkerung beitrugen."

Da die Impfung aber das Risiko einer Transmission nur reduziert habe, habe das RKI immer wieder betont, dass sich auch Geimpfte weiter an die AHA+L-Regeln halten sollten. Es sei aber genauso klar, dass eine höhere Impfquote zu jenem Zeitpunkt noch besser gewesen wäre, insbesondere um das primäre Impfziel zu erreichen, nämlich die Verhinderung schwerer Covid-19 Erkrankungen in der Bevölkerung und die Überlastung des Gesundheitssystems.

Ursprünglicher Beitrag:
https://web.archive.org/web/20240723162812/https://www.tagesschau.de/faktenfinder/rki-protokolle-100.html
Aktueller Beitrag:
https://web.archive.org/web/20240831060353/https://www.tagesschau.de/faktenfinder/rki-protokolle-100.html

Diese Änderung fiel mir bei der Sichtung des heute veröffentlichten Pressespiegels zum RKI-Leak auf. https://www.velazquez.press/p/pressespiegel-zum-rki-leak-ein-medien

Da wir erst vor kurzem eine Beschwerde zum Thema „kommentarlose inhaltliche Änderung“ durch den hauseigenen Faktenfinder des NDR eigereicht hatten, ist mir die Begründung des Chefredakteures Markus Bornheim noch gut in Erinnerung: „Die Ergänzung im faktenfinder-Artikel wurde dadurch kenntlich gemacht, dass der Zeitstempel aktualisiert wurde.“

Eine Ergänzung kann jedoch nur durch eine Gegenüberstellung der Beiträge kenntlich gemacht werden, oder eben durch einen konkreten Hinweis. Die aktualisierte Version des Zeitstempels könnte zudem auch die Korrektur eines Rechtschreibfehlers bedeuten.

Das nachträgliche Einfügen der Passage geschah doch sicherlich nicht ohne sachlichen Grund. Hatte Herr Siggelkow explizit beim RKI angefragt, was es mit dem damals gängigen Slogan „Pandemie der Ungeimpften“ auf sich hatte?

Warum wurde zu diesem Sachverhalt kein aktueller Beitrag verfasst, sondern ein alter (nach gut einem Monat) klammheimlich editiert?

Am seltsamsten mutet diese Änderung dadurch an, dass der Eingangstext nun nicht mehr stimmt, denn die „bislang unveröffentlichten Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) von den Jahren 2020 bis 2023“ wurden eben nicht „heute“ (am 19.08.2024 um 12:09 Uhr!) ungeschwärzt hochgeladen.

Beschwerde_RKI-Files.JPG (127.5 KiB) 1331 mal betrachtet

Wie bereits in unserer vorangegangenen Beschwerde angemerkt, stellt eine transparente Kenntlichmachung redaktioneller Änderungen/Ergänzungen keine größeren Anforderungen in Bezug auf geistig und körperlichen Arbeitsaufwand dar. Deren Vermeidung jedoch führt zu Unverständnis beim Rezipienten, ist journalistisch unsauber und sieht zudem nach vorsätzlicher Irreführung aus. Berichterstattung und Informationssendungen haben laut NDR-Staatsvertrag den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen.

Die von uns beanstandete Vorgehensweise des Faktenfinders verstößt gegen folgende Richtlinien für seriösen Journalismus:

Qualitätsrichtlinie der Rundfunkräte für die ARD-Gemeinschaftsangebote, gem. § 31 Abs. 4 MStV

Siehe Punkt 6.3: Inhaltliche Korrekturen oder Richtigstellungen sind an geeigneter Stelle und in angemessener Weise darzustellen.
https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/rundfunkrat/qualitaetsrichtlinie100.pdf

Aus Gründen der Transparenz werden wir diesen Schriftverkehr sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Maren Müller

Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V.
https://publikumskonferenz.de/blog/impressum

[Maren]

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihre Hinweise.

Das RKI war von der Redaktion am Tag der Ursprungsberichterstattung am 23. Juli 2024 für eine Stellungnahme angefragt worden, hatte jedoch erst am 24. Juli 2024 geantwortet. Entsprechend hat die Redaktion den Artikel am 24. Juli um die Stellungnahme des RKI ergänzt und den Zeitstempel aktualisiert. Dass die Stellungnahme des RKI bereits ab dem 24. Juli im Artikel war, können Sie diesem Link entnehmen:

https://web.archive.org/web/20240725012 ... e-100.html).

Eine solche nachträgliche Ergänzung einer Reaktion innerhalb einer aktuellen Berichterstattung ist ein üblicher redaktioneller Vorgang, da sich die Reaktion des RKI ja auf die Inhalte eben dieser Berichterstattung bezogen hat. Da es sich weder um einen Fehler noch um eine Richtigstellung handelte, sondern um eine inhaltliche Ergänzung, ist an der Stelle kein Korrekturhinweis erforderlich.

Richtig ist, dass der Zeitstempel des Artikels am 19. August ein weiteres Mal aktualisiert wurde, nachdem uns ein Nutzer auf eine missverständliche Formulierung im Teasertext hingewiesen hatte: Der Begriff „erneut“ sollte sich dort auf „veröffentlicht“ beziehen, nicht auf „ungeschwärzt“. Wir haben die Formulierung deswegen folgendermaßen konkretisiert: „Erneut wurden Protokolle des RKI während der Corona-Pandemie veröffentlicht - dieses Mal ungeschwärzt“.

Sie haben vollkommen Recht, dass nach der Aktualisierung des Zeitstempels der Zeitbezug „heute“ nicht mehr stimmte, vielen Dank für den Hinweis! Das ist der Redaktion tatsächlich durchgerutscht. Das „heute“ wurde nun entfernt. Auf eine weitere Änderung des Zeitstempels würden wir jedoch verzichten.


Mit freundlichen Grüßen
Juliane Leopold
Chefredakteurin Digitales / ARD-aktuell