DLF - Was Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine sagt

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Maren
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DLF - Was Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine sagt

Beitrag von Maren »

Deutschlandradio (DLF)
Gremienbüro
Raderberggürtel 40
50968 Köln


Vorab via Mail: gremienbuero@deutschlandradio.de


Sehr geehrte Damen und Herren Hörfunkräte,
sehr geehrte Frau Hatzinger,

wir erheben förmliche Programmbeschwerde gegen den Beitrag: „Was Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine sagt“ vom 17.08.2024, wegen Irreführung und subjektiv geprägter Einordnung durch die DLF-Journalisten Sabine Adler, Florian Kellermann und Marcus Pindur zu Aussagen der Politikerin Sahra Wagenknecht, welche diese zuvor im Interview mit dem DLF vom 13. August 2024 geäußert hatte.

Ursprüngliche Fassung:
https://web.archive.org/web/20240817184 ... k-100.html
Aktuelle Fassung:
https://www.deutschlandfunk.de/sahra-wa ... k-100.html
Interview:
https://www.deutschlandfunk.de/bsw-wahl ... e-100.html

Ursprünglich als „Faktencheck“ gekennzeichnet, wurde das beanstandete Stück wohl vorsichtshalber in „Analyse und Einordnung“ umgetauft, was das Ergebnis nicht besser macht. Was die thematischen Einordnungen politisch brisanter Themen durch Mitarbeiter Öffentlich-rechtlicher Anstalten anbelangt, so machen wir uns keine Illusionen zu deren Realitätsgehalt. Es sind politisch geprägte Überzeugungen. Was Analysen von Kommentaren und Meinungen zum Zeitgeschehen angeht, so können diese eine erstaunliche Vielfältigkeit von Meinungen und Stellungnahmen innerhalb der Medienlandschaft aufzeigen. Eine Garantie, durch solche Analysen die absolute Wahrheit zu finden, gibt es nicht. Hierbei greifen nur harte Fakten.

Die drei analysierenden und einordnenden Ukraine-Experten des DLF arbeiten sich im beanstandeten Stück an ausgewählten Aussagen Wagenknechts ab, die sie als „Wagenknechts Thesen“ subsummieren.
Wagenknechts Thesen.JPG
Wagenknechts Thesen.JPG (47.95 KiB) 6606 mal betrachtet
Zu These eins behaupten die DLF-Journalisten: „Russland unter Wladimir Putin hat heiße Kriege immer nur dann begonnen, wenn der angegriffene Staat deutlich schwächer und leicht zu besiegen schien. Beispiele dafür sind die Kriege gegen Georgien 2008 und die Ukraine ab 2014.“

Das mag eine subjektive Einordnung sein, nur ist sie bekannterweise und nachweislich falsch.

„Der fünftägige Krieg zwischen Georgien und Russland ist (…) vom georgischen Militär begonnen worden. Zu diesem Ergebnis kommt u.a. eine von der EU eingesetzte Untersuchungskommission unter Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini. Georgiens Angriff auf die nach Unabhängigkeit strebende Region Südossetien habe den Beginn des militärischen Konflikts markiert.“

Quellen:
https://www.reuters.com/article/world/e ... BEE58T0KH/
https://www.echr.coe.int/documents/d/ec ... nnexes_ENG

Was den Ukrainekonflikt ab 2014 anbelangt, so glaubt sicher nicht einmal das DLF-Ukraine-Team selbst an ihren formulierten Kriegsgrund, der angeblich auf der „Schwäche des Kleineren“ basiert. Jeder halbwegs informierte Zeitgenosse kennt die Historie des Konfliktes, auch wenn Medien mit öffentlichem Auftrag diese stets zu verschleiern versuchen. Das Argument ist zudem so einfältig wie absurd, wenn man sich anschaut, das in den letzten Jahrzehnten ausschließlich kleinere und schwächere Länder von den NATO-Staaten mit brachialen Materialschlachten überzogen wurden. Wie viele „heiße Kriege“ hat „Russland unter Putin“ wohl im Vergleich zu den illegalen NATO-Angriffskriegen der Nachkriegszeit begonnen?

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages formulierte in einem Dossiert von 2019 folgendermaßen:

„Seit fünf Jahren bekämpfen sich ukrainische Streitkräfte und pro-russische Separatisten im Donbass/ Donezbecken. Der Territorialkonflikt weist klassische Züge eines nicht-internationalen (internen) bewaffneten Konflikts auf. Über Umfang, Qualität und Ausmaß der militärischen Involvierung Russlands im Ukraine-Konflikt gibt neben wenigen belastbaren Fakten und Analysen vor allem zahlreiche Spekulationen, zum Teil widersprüchliche Berichte und Pressemeldungen, verschiedene Dementi aber insgesamt kein eindeutiges Lagebild.“

Quelle:
https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... f-data.pdf

Zudem verfehlt das Argument des DLF-Teams das Thema bzw. Wagenknechts berechtigte Sorge, dass unser Land durch sein parteiisches Handeln für Russland zum legitimen Kriegsziel werden könnte.

Zu These zwei fällt dem DLF-Ukraine-Team eine Antwort ein, die ganz offenbar auf Wunschdenken und Glaskugelleserei basiert:

„Waffen, die in Deutschland stationiert sind, sind grundsätzlich für den Verteidigungsfall gedacht, da eine deutsche Regierung wohl niemals einen Krieg beginnen würde.“

Vergessen ist offenbar die deutsche Beteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien und die US-Stationierungen in Ramstein, im Eifeldörfchen Büchel oder Stuttgart-Möhringen. Deutschland und die USA haben vereinbart, dass ab 2026 US-Mittelstreckenwaffen auf deutschem Boden stationiert werden sollen. Diese können mit einer Reichweite von bis zu 2.500 km Ziele in Russland treffen. Sowohl die Waffen als auch deren Einsatz stehen unter US-Befehlsgewalt. Das heißt: Wenn sich von deutschem Boden aus Mittelstreckenraketen auf den Weg in russisches Kernland machen, dann entscheidet das nicht die deutsche Regierung. Dasselbe gilt für die vom Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz ausgehenden Drohnenangriffe auf Ziele in Konfliktgebieten. Wir unterstellen, dass diese Fakten zumindest den langjährigen Mitarbeitern des DLF bekannt sind.

Des Weiteren unterschlagen die DLF-Experten vorsätzlich eine aktuelle Quelle aus berufenem Mund, auf die sich die stets gut vorbereitete Politikerin Wagenknecht in ihren Ausführungen zur Gefährdung Deutschlands durch die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen bezieht.

Darin heißt es: „Die erwartbare russische Gegenstationierung nuklearfähiger Raketen wird Deutschland einer erhöhten Gefährdung aussetzen. Die absehbare Eskalation der Spannungen mit Russland wird die Sicherheitslage Deutschlands verändern und das atomare Risiko für Deutschland im Konfliktfall gravierend erhöhen.“

Quelle:
https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/21371.pdf
Waffenlieferungen:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/ ... ne-2054514

Die beiden Schlusssätze zur Einordnung der These zwei durch das DLF-Team lauten: „Die Stationierung von US-amerikanischen Tomahawk-Marschflugkörpern soll ein Gegengewicht zu den russischen Raketen schaffen. Führende Militärexperten sagen, dass es dieses bisher nicht gibt.“

Die Namen dieser angeblich „führenden Militärexperten“ bleiben geheim. Das Publikum muss diese Leerstelle wohl anstandslos schlucken. Die Beschuldigung politischer Kontrahenten durch Berufung auf anonyme Quellen bewirken das Verschieben der Beweislast. Weder die namenlose Quelle noch der Verbreiter müssen somit die Verantwortung für das Gesagte übernehmen. Das sind Methoden, die mit seriösem Journalismus nichts zu tun haben. Wagenknecht nannte die Namen der Experten und Urheber ihrer Quellen.

Zu These drei fällt auf, dass das DLF-Team Europa ganz offenbar nicht als Kontinent sieht, dessen Landfläche zu 40 Prozent aus russischem Territorium besteht.

Zitat DLF: „Europa hat hier, wie in der Debatte immer wieder bemerkt wird, eine Lücke.“

Warum spricht man nicht von der EU oder aus Respekt vor EU-Flüchtling UK vom NATO-Bündnis? Nicht alle Länder Europas sind begeistert vom Rüstungswahn der Allianz und ihrer Kriegsminister bzw. sehen eine Lücke, die es mit Waffenarsenalen zu füllen gilt, deren Preis die Bürger zahlen müssen.

Der von Sahra Wagenknecht im Interview zitierte Oberst Richter, stellt eben genau diese Einschätzung infrage:

„Die Annahme, dass trotz der vielfältigen luft- und seegestützten Fähigkeiten der NATO eine Fähigkeitslücke bei landgestützten Mittelstreckenraketen besteht, überzeugt nicht. Auch bisher war es möglich, wichtige operative Ziele in Russland durch verbundene Luftangriffsoperationen abzudecken. Anderenfalls wären die Beschaffung von F-35 Stealth-Bombern (auch) für die Bundeswehr und das Konzept der nuklearen Teilhabe operativ nutzlos und strategisch unglaubwürdig.“

Ein interessantes Detail, welches wiederum in der Einordnung des DLF-Experten-Teams unterschlagen wird.

Zu These vier erklären die DLF-Experten folgende Aussagen von Sahra Wagenknecht im DLF-Interview für „allesamt falsch und absurd“ ohne diese Bewertung auch nur im Ansatz zu begründen oder mit Fakten zu untermauern:

Wagenknecht: „Die Ukraine war die am meisten hochgerüstete (Ex-Sowjetrepublik) von allen. Die Ukraine wurde ja von den USA zu ihrem militärischen Vorposten gemacht. Das gehört zur Vorgeschichte des Krieges.“ Und: „In den letzten Jahren ist die Ukraine massiv hochgerüstet worden. Es sind auch US-Soldaten dort schon stationiert gewesen, insgesamt 4.000 NATO-Soldaten. Es gab zwölf Militärbasen der CIA. Die USA werden sehr tätig in der Ukraine.“

1.) Einordnung DLF-Team: „Die Ukraine als „militärischen Vorposten der USA“ zu bezeichnen, ist in Bezug auf die Zeit vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 absurd.“

Bis heute haben die USA mehr als 55,5 Milliarden US-Dollar an militärischer Unterstützung bereitgestellt, seit Russland am 24. Februar 2022 den Einmarsch in die Ukraine begann, und etwa 58,3 Milliarden US-Dollar an militärischer Unterstützung seit dem Jahr 2014. Nennen Sie auch nur eine Ex-Sowjetrepublik, welche bislang mehr militärische Unterstützung seitens der USA erhielt.

Quelle:
https://www.state.gov/u-s-security-coop ... th-ukraine

2.) Einordnung DLF-Team: "In der Ukraine waren nie NATO-Soldaten stationiert. Jene waren ab 2015 lediglich dort, um ukrainische Soldaten auszubilden. Die Ukraine gestattete dafür den Aufenthalt von bis zu 4.000 Soldaten aus NATO-Ländern."

Wenn das DLF-Team argumentiert, dass in der Ukraine nie 4000 NATO-Soldaten stationiert waren, sondern lediglich NATO-Ausbilder, betreibt es unzulässige Haarspalterei. Das weitere US-Spezialeinheiten in der Ukraine waren oder sind, geht aus den Dokumenten eines Datenlecks Anfang des Jahres 2023 hervor. Insgesamt sollen 97 Spezialtruppen aus den Nato-Ländern in der Ukraine stationiert sein, davon 14 aus den Vereinigten Staaten. Was genau die Spezialtruppen dort treiben und wie hoch die jeweilige Truppenstärke ist, können wohl weder Frau Wagenknecht noch das DLF-Team umfassend verifizieren. Man entnimmt solche Informationen in der Regel der (internationalen) Presse und verlässt sich dabei auf ein Mindestmaß an Realitätsnähe.

Quelle:
https://www.fr.de/politik/biden-geld-uk ... 50167.html

3.) Einordnung DLF-Team: „Es gab in der Ukraine auch nie CIA-Basen. Was es gab, waren zwölf Spionage-Einrichtungen an der ukrainischen Grenze zu Russland, die das CIA für die Ukraine gebaut hat.“

Auch hier betätigen sich die Experten des DLF in Rosinenpickerei. Ein brisantes Exposé der New York Times von Adam Entous und Michael Schwirtz wirft ein Licht auf die wichtigsten Entwicklungen, die der groß angelegten Invasion in der Ukraine vorausgingen. Dem Bericht zufolge ging die ukrainische Regierung eine weitreichende Partnerschaft mit der CIA gegen Russland ein. Diese Zusammenarbeit, welche die Einrichtung von bis zu 12 geheimen CIA-„vorgeschobenen Operationsbasen“ entlang der ukrainischen Grenze zu Russland umfasste, begann nicht mit der russischen Invasion 2022, sondern vor etwas mehr als 10 Jahren.

Quellen:
https://responsiblestatecraft.org/cia-ukraine-russia/
https://www.nytimes.com/2024/02/25/worl ... a-war.html

Die nachträgliche redaktionelle Änderung des beanstandeten Beitrages ist wohl auf die lautstarke Kritik in Netz und in reichweitenstarken Onlinemedien zurückzuführen, denn Fakten sucht man in diesem ehrenrührigen Verriss der Aussagen von Sahra Wagenknecht vergeblich. Beiträge wie dieser wären zudem leichter zu ertragen und entsprächen auch mehr dem öffentlich-rechtlichem Auftrag in Punkto Ausgewogenheit, wenn die aktuell regierenden Ampelpolitiker gleichermaßen unter öffentlich-rechtlicher Beobachtung stünden.

Der Beitrag zielt auf die Glaubwürdigkeit der BSW-Vorsitzenden vor wichtigen Wahlen, ganz offensichtlich mit dem Ziel der Zerstörung von Reputation und politischem Erfolg. Das ist nicht die Aufgabe öffentlich-rechtlicher Medien.

Der beanstandete Beitrag verstößt gegen folgende Grundsätze und Richtlinien für die Sendungen der Körperschaft Deutschlandradio:

I. Allgemeine Grundlagen, Punkt 2, Absatz 1-3
II. Grundsätze für die Gestaltung der Sendungen, Punkt 3, Absatz 1-2 sowie Punkt 4, Absatz 1
III. Richtlinien der Berichterstattung, Punkt 1, Absatz 1-2 sowie die Punkte 2 und 4

Programmrichtlinien:
https://bilder.deutschlandfunk.de/9b/3a ... ds-178.pdf

Rechtsgrundlagen:
https://www.deutschlandradio.de/rechtsg ... n-100.html

Aus Gründen der Transparenz werden wir diesen Schriftverkehr sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins https://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


Maren Müller
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Maren
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Re: DLF - Was Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine sagt

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Frau Müller,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Beschwerde im Gremienbüro von Deutschlandradio. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Bearbeitung und Beantwortung etwas Zeit in Anspruch nehmen können.

Mit freundlichen Grüßen
Deutschlandradio
Gremienbüro
Hörfunk- & Verwaltungsrat
gremienbuero@deutschlandradio.de

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Maren
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Re: DLF - Was Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine sagt

Beitrag von Maren »

Wir erhielten eine ausführliche Antwort des DLF-Intendanten, Herrn Raue, auf unsere Beschwerde. Die Antwort überzeugt mich inhaltlich nicht, da Beschwerdepunkte elegant umschifft wurden und der Interpretationsrahmen natürlich vollumfänglich auf NATO-Linie gesteckt wurde. Genau DAS hatte ich in meiner Eingangsformel befürchtet. Jedoch mahnt mich die Konversation, künftig weniger polemisch zu formulieren. Ist ein unbedachter Satz im ersten Ärger erst mal gefallen, ist die Replik darauf unausweichlich. Aber urteilen Sie selbst.
Sehr geehrte Frau Müller,

sehen Sie angehängt die Antwort des Intendanten von Deutschlandradio auf Ihre Beschwerde.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Bremkamp
Gremienbüro
Hörfunk- & Verwaltungsrat

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Maren
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Re: DLF - Was Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine sagt

Beitrag von Maren »

Dokumentiert auf den NDS: https://www.nachdenkseiten.de/?p=124232
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