Es ist Donnerstagabend, der Raum in der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung ist übervoll, zusätzliche Stühle müssen geholt werden. Auf dem Podium sitzen vier Herren, allesamt nicht sächsischer Herkunft, die dem Publikum und den vielen auch überregionalen Journalisten erklären wollen und dürfen, wie die Sachsen ticken.
Aber zuvor darf noch ein Referent aus der sächsischen Staatskanzlei einige Worte zum Inhalt und Methodik der Studie an die Runde richten.
Der Mann hat an diesem Abend wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe.
Er muss eine in vielen Teilen widersprüchliche und im soziologischen Sinne recht unterkomplexe Studie als gelungen verkaufen. Immerhin, die Sachsen bekennen sich mehrheitlich zur Demokratie, haben aber Skepsis zu den Institutionen. Hier wäre der Punkt gewesen, um dies als Hilfeschrei zu verstehen. Ein Hilfeschrei der Sachsen, der einem Wunsch nach erweiterter politischer Partizipation außerhalb des Parlaments gleichkommt, aber nichts dergleichen passiert. Selbstreflektion der Staatsregierung - Fehlanzeige.
Stur geht es weiter im Text, bis zu dem Sonderpunkt der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“, entwickelt vom Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer.
Endlich ist man dort, wo man eigentlich hin will, die Sachsen tragen mehrheitlich ein menschenfeindliches Weltbild in sich- so einfach ist die Welt erklärt.
Mitnichten wird Zeit dafür verschwendet, die Ergebnisse im Kontext der „Flüchtlingskrise“ zu betrachten und die 2015 stattgefundene Selbstermächtigung der Bundeskanzlerin und der danach erfolgte Kontrollverlust bei der Beantwortung der Fragen mit einzubeziehen. Warum auch? Das wäre doch viel zu kompliziert.
Die Sachsen und der braune Fleck - dieser Rahmen steht und soll um Gottes Willen nicht verrückt werden.
Stattdessen darf der Moderator des Abends, Matthias Meisner, endlich damit beginnen, sein gefestigtes sächsisches Weltbild weiter auszubauen. Den Autor des umstrittenen Buches „Unter Sachsen“ als Moderator für diese Veranstaltung auszuwählen, ist gleichbedeutend damit, als würde gleichsam der rechte Verleger Götz Kubitschek ein Podium zum Thema Gewalt der Antifa leiten dürfen.
Und weiter geht es in der Runde, mit dem erklären, wie die Sachsen denn nun so ticken.
Der Bautzener Oberbürgermeister Herr Ahrens, selbst aus Berlin-Neukölln stammend, legt auch gleich nach und sinniert darüber, dass für ihn ein Ausländeranteil in Sachsen von drei Prozent nicht nachweisbar sei. In Neukölln seien es doch 45 Prozent. Was will er aber dem Publikum damit sagen?
Außerdem gäbe es da noch die Sächsische Polizei, die mit Ausnahme von Leipzig nicht überall politisch neutral agiere. Belegbare Zahlen auf denen sich dies begründen liese, nennt er nicht.
Hier hätte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Gordian Meyer-Plath dazwischen gehen können, vielleicht sogar müssen, aber stattdessen gibt er dem MDR noch folgenden O-Ton:
„Einstellungen sind noch keine Taten oder Bestrebungen. Der Verfassungsschutz ist für Bestrebungen gegen die Freiheitlich Demokratische Grundordnung zuständig. Aber dennoch sind natürlich solche Umfragen nicht irrelevant für die Arbeit des Verfassungsschutzes, denn eine Einstellung ist ja möglicherweise ein Einfallstor für extremistische Akteure- in diesem Fall Rechtsextremistische, wo kann ich diese Bevölkerungsteile abholen und möglicherweise für meine Ziele instrumentalisieren.“
Wie der Verfassungsschutz Relevanz auslegt oder zukünftig auslegen wird, bleibt im Dunkeln. Mich beschleicht bei solchen Sätzen ein leichtes Unbehagen. Er triggert meine DDR-Vergangenheit. Wenn der Verfassungsschutz solche Umfragen als „nicht irrelevant für die Arbeit“ einstufen würde, sofern sie um den Bereich der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit entledigt wären, hätte ich dafür Verständnis. So aber besteht aufgrund der nicht ideologiefreien Abfrage, die Gefahr, dass zukünftig die Gesinnung im Focus der Beobachtung stehen könnte. Solch ein Ansinnen wäre aber fatal für eine wahre offene und freiheitliche Gesellschaft. Haltungen, noch dazu, wenn sie auf die hier angewandte umstrittene Methode ermittelt wurden, zur Grundlage staatlichen Handeln zu erklären, ist zutiefst antiaufklärerisch und daher im höchsten Maße abzulehnen.
Auch der neue Direktor der Landeszentrale Dr. Löffler, vermochte diesen Abend nicht mehr zu retten. Stattdessen gibt er die Prognose aus, es werde wohl bis zu 10 Jahre dauern, dass sich die Einstellungen der Sachsen in Bezug der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ändern werden.
Vielleicht geht es etwas schneller, wenn man die Landeszentrale umbenennt:
Torsten KülligWie wäre es mit Landeszentrale für politisch korrekte Erziehung?
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