Assange-Schauprozess: Auch ARD-Doku bleibt bei ihrem „Vergewaltigungsverdacht“

Thema sollen insbesondere Film- und Dokumentarproduktionen für das Fernsehen sein.
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Maren
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Assange-Schauprozess: Auch ARD-Doku bleibt bei ihrem „Vergewaltigungsverdacht“

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Assange-Schauprozess: Auch ARD-Doku bleibt bei ihrem „Vergewaltigungsverdacht“

von Daniela Lobmueh und Hannes Sies

Wie der den Prozess-Wiederauftakt flankierende SZ-Artikel bleibt auch die nächtliche ARD-Doku zu WikiLeaks bei vielen alten Anti-Assange-Bildern. Mainstream-Medien-Produktionen wie diese verfestigen die in zehn Jahren Hexenjagd auf Assange geschaffene Vorurteile und lenken das Publikum von Netzmedien ab, welche die skandalöse Unrechts-Justiz derzeit ans Licht der Öffentlichkeit bringen wollen.

Die ARD Doku „WikiLeaks: Die USA gegen Julian Assange“ von Elena Kuch und Robert Holm wirkt in vielem wie das Plagiat einer dubiosen Zapp-Doku vom Februar diesen Jahres, die wir damals kritisierten. Genau wie dort werden wichtige Fakten, die Assange entlasten könnten, in einem Schwall von Bildern, Behauptungen und ablenkenden Details ertränkt. Wieder darf Donald Boström über Julian Assange sein „Über Nacht wurde er vom Rockstar zum Arschloch“ loslassen, wieder darf der damalige CIA-Chef Mike Pompeo sagen, WikiLeaks sei „...ein feindlicher Geheimdienst“, wieder darf Buhmann-Präsident Donald Trump aus dem Wahlkampf 2016 sein „I love WikiLeaks!“ ins Mikrofon stöhnen.

Wieder lässt man die Zuschauer im Unklaren über den „Vergewaltigungsverdacht“, unter den die Medien Julian Assange seit zehn Jahren wie gleichgeschaltet immer wieder stellen. Einen Verdacht, der nie wirklich begründet wurde, der von Anfang an hoch zweifelhaft war und von dem man immer begründet vermuten musste, er sei nichts als eine schmutzige Rufmord-Kampagne. Ein Verdacht, der allerspätestens mit den Melzer-Enthüllungen vom 31.1.2020 vom Tisch ist: Prof.Nils Melzer hat in Republik.ch dargelegt, dass die in Schweden protokollierten Aussagen der Zeuginnen (anonymisiert als A.A. und S.W.) manipuliert, die „Beweise“ gegen Assange damit gefälscht wurden. Prof.Melzer hat genau und klar dargelegt, wie die schwedische Polizei und Justiz dabei vorgingen, wie die Briten Einfluss nahmen und dies mit Beweisen untermauert. Sollte der ARD wie schon der ZAPP-Redaktion im Februar dies weiterhin entgangen sein?

Neu: Die schmalzige Lovestory im Relotius-Stil

Neu an der Doku ist hauptsächlich nur eine schmalzige Lovestory im Claas-Relotius-Stil, die einen Großteil der Sendezeit verschwendet (die Reporterin Elena Kuch war an beiden Machwerken beteiligt). Dies weckt zwar einige positive Emotionen für Assange, der neben seiner schönen jungen Verlobten, seiner Anwältin Stella Morris, und ihren mittlerweile zwei kleinen Kindern zu sehen ist. Doch da seine Vergangenheit immer noch in zweifelhaften Bildern und Kommentaren geschildert wird, ist dies nur ein schwacher Trost. Manche Zuschauerin wird wohl eher die junge Mutter und ihre Kindern bedauern, dass sie an so eine Person wie den WikiLeaks-Gründer geraten sind. Dabei hätte die Doku vieles aufklären und berichtigen können, was seit zehn Jahren gegen Assange an Rufmord verbreitet wurde.

Statt Solidarität und Mitgefühl mit einem verfolgten Kollegen fanden sich kürzlich sich in der einst linksliberalen Süddeutsche Zeitung (SZ) nur zynische Häme, verlogene Halbwahrheiten und eine dünne Story, die ihre Propaganda im Relotius-Stil mit breit ausgewalzter kitschiger Lovestory überzuckert. Wichtige Fakten, die Assange entlasten, die Hetze gegen entkräften und dem saturierten SZ-Leser ein ausgewogenes Urteil erlauben würden, fehlten dagegen.

Mit Verdrehung und Weglassung setzte auch die SZ ihre zehn Jahre währende Rufmord-Kampagne vom „Vergewaltigungsverdacht“ gegen Assange fort. Alle Differenzierungen, die beim extrem stigmatisierenden Thema Vergewaltigung von seriösen Journalisten erwarten sollte, fehlen: Es ging nie um „Vergewaltigung“, sondern immer um Beschuldigungen weit geringerer Schwere, die Beschuldigungen wurden nie bewiesen, nie wurde Anklage erhoben. Alle Zweifel, die man an den Beschuldigungen schon seit 2010 haben musste, werden von der SZ verschwiegen. Ähnlich tendenziös geht es weiter, so auch in der ARD-Doku.

Der gefeierte Mainstream-Journalist Claas Relotius bekam für seine Lügengeschichten, prominent publiziert etwa im Bertelsmann-Blatt „SPIEGEL“, zahlreiche Preise. Relotius verpackte knallharte Propaganda für völkerrechtswidrige Nato-Kriege etwa in Syrien meist in schmalzige Geschichten von Waisenkindern etc. Bemängelt wurde im großen Relotius-Katzenjammer seiner Mainstream-Auftraggeber nachher nur eins: Dass ihr Starschreiber sich die Story oft aus den Fingern gesaugt hatte. Diesen Fehler macht die SZ nicht, doch ihr Stil ist Relotius: Sie machen aus der seit 2019 bekannten Beziehung von Julian Assange zu seiner Anwältin, inzwischen verlobt, zwei Kinder, eine Schmachtstory und walzen die über fünf Spalten aus: „Die Frau, mit der er im Zelt lag und sich an den Strand träumte.“ usw.

Die ARD-Doku lässt dergleichen von Stella Morris selbst sagen und versenkt wichtige Informationen zu WikiLeaks, seinen Enthüllungen damit in einer Kitschstory. Desgleichen wichtige Fakten zum Fall Assange, zu den an ihm begangenen Menschenrechtsverbrechen, den ihm vorenthaltenen Rechten. Der Schauprozess in London? Für die ARD-Doku scheinbar ein ganz normales Verfahren, nichts, was Zweifel am britischen Rechtsstaat aufkommen ließe. Die Wirklichkeit sieht anders aus, wenn man kritische Prozessbeobachter wie Craig Murray fragt. Das tut die ARD jedoch ebenso wenig wie die SZ es für nötig hielt. Heraus kommt auch hier eine einlullende Desinformation für die ARD-Zuschauer und ein Armutszeugnis rückgratlosen Mainstream-Journalismus. Letztlich bleibt bei der ARD das Klischee einer „Aufstieg-und-Fall“-Story, die Julian Assange als angeblich falschen Helden entlarvt und ihn mit Verdrehungen und tendenziösen Bildern „als Spion, Vergewaltiger und verschrienen Sonderling“ hinstellt. Fazit: Perfide Meinungsmache ganz im Sinne der von WikiLeaks kritisierten Machteliten.


Wikileaks – Die USA gegen Julian Assange
07.09.20 | 59:31 Min. | Verfügbar bis 04.09.2021

„Verbrecher oder Revolutionär? Die Doku beleuchtet den Aufstieg und Fall von Julian Assange – vom gefeierten Publizisten zum als Spion und Vergewaltiger verschrienen Sonderling. Es entsteht ein differenziertes Bild von Assange und Wikileaks. Erstmals spricht auch Assanges Verlobte im deutschen Fernsehen.“

Quellen/weitere Literatur


NDR-Medienmagazin ZAPP: Assange-Bericht verschweigt Melzer-Fakten (von Hannes Sies und Daniela Lobmueh)
http://scharf-links.de/45.0.html?&tx_tt ... 608315c7db

Verfolgte Helden: Wie ZAPP sich mit Assange-Bericht selbst demontiert
http://scharf-links.de/45.0.html?&tx_tt ... 3a1e7eb4e0

ZAPP-Das Medienmagazin, Mittwoch 19.2.2020, 23:20 bis 23:50
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... 98212.html

«Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System» Interview mit Prof.Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter für Folter, Republik.ch, 31.1.2020
https://www.republik.ch/2020/01/31/nils ... an-assange

D.Lobmueh: Der Fall Omran: Macht sich ZAPP zur Kriegspartei in der Medienschlacht um Aleppo? Jasminrevolution 14.7.2017
https://jasminrevolution.wordpress.com/ ... um-aleppo/

D.Lobmueh: Von ARD&Co. übersehen? US-Parlament fordert Kontrolle der US-Kriegsführung, Nachdenkseiten, 20. Mai 2014 https://www.nachdenkseiten.de/?p=21777

H.Sies: Die Abwiegler. Zur ARD-Tagesschau, Rubikon.news 19.1.2020
https://www.rubikon.news/artikel/die-abwiegler

H.Sies: Anti-WikiLeaks-Film ‚West of Liberty‘: ZDF soll sich bei Assange entschuldigen! Scharf-links.de, 18.2.2020
http://scharf-links.de/45.0.html?&tx_tt ... dbb8332ef8

H.Sies: Kriminelle Propaganda: Anti-Wikileaks Tatort ‚Elefant im Raum‘, Rubikon 8.11.2019
https://www.rubikon.news/artikel/kriminelle-propaganda
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