Mal was anderes:
Die BBC beschützt Großbritanniens engen Verbündeten Saudi Arabien mit unglaublich unehrlicher und parteiischer Berichterstattung mit unglaublich unehrlicher und parteiischer Berichterstattung
von Glenn Greenwald
Übersetzung FritztheCat
via Propagandaschau
Die BBC prahlt gerne damit, wie „objektiv“ und „neutral“ sie sei. Aber ein jüngster Bericht den man zwangsweise ändern musste zeigt, wie weit das vom Staat finanzierte Medienkonglomerat geht, um einen der engsten Verbündeten der britischen Regierung zu schützen. Saudi Arabien ist zufällig auch einer ihrer größten Waffenkäufer. (Heute Morgen erst hat der saudische Botschafter in Großbritannien in einem Leitartikel gedroht, dass eine fortwährende Kritik Jeremy Corbyns am Regime in Riad das vielfältige Bündnis UK/Saudi gefährden könnte.)
Vorher hatte die BBC einen Artikel veröffentlicht, der die Zunahme an Waffen- und Geldlieferungen von Saudi Arabien und anderen Golf-Regimen an die Anti-Assad Kämpfer in Syrien beschreibt. Der gesamte „Bericht“ basiert auf Behauptungen eines „saudischen Regierungsvertreters“ (lt. BBC), der – da er für eine eng mit Großbritannien verbündete Regierung arbeitet – von der BBC Anonymität zugesichert bekam. Und diese Behauptungen wurden gedankenlos und unkritisch als Fakten präsentiert (einer der seltenen Ausnahmen in denen die BBC kritisch über die Saudis berichtet). Dieser anonyme „Regierungsvertreter“ ist kein Whistleblower oder will mit seinen Informationen dem Regime schaden. Im Gegenteil: er verbreitete offizielle Informationen, die seine Regierung verbreitet sehen will. Und das ist die Kernaussage des „anonymen Regierungsvertreters“:
„Der hochrangige Vertreter, der ungenannt bleiben will, sagte, die Lieferung von High-Power-Waffen inklusive gelenkten panzerbrechenden Waffen an die von Arabien und dem Westen unterstützten, gegen die Kräfte von Syriens Präsident Assad und seine russischen, iranischen und libanesischen Verbündeten kämpfenden Rebellengruppen würden erhöht.
Er sagte, zu den unterstützten Gruppen gehörten weder der IS noch die al-Nusra Front, beide seien geächtete Terrororganisationen. Stattdessen gingen die Waffen an drei andere Rebellengruppen: Jaish al-Fatah (Army of Conquest), die Freie Syrische Armee (FSA) und die Südfront (Southern Front).“
Die Saudis rüsten also nach den Worten des anonymen Regierungsvertreters nur Gruppen wie die „Army of Conquest“ aus, nicht aber den alQaeda-Ableger al-Nusra Front. Wo liegt das Problem dieser Aussage? Es ist offensichtlich, auch wenn die BBC es höflicherweise verschweigt: die „Army of Conquest“ beinhaltet als eine ihrer stärksten Kräfte die al-Nusra Front. Das ist in keinster Weise umstritten. Die New York Times hat die Grundzüge der „Army of Conquest“ vor drei Wochen erläutert:
„Wer ist alles Mitglied (der Army of Conquest)?
Das Bündnis besteht aus einer Anzahl von meist islamistischen Gruppierungen, einschließlich al-Nusra Front, einem syrischen Tochterunternehmen von alQaeda. Ahrar al-Sham, eine weitere große Gruppe, hat verdeckte Waffenlieferungen von den Geheimdiensten der USA und deren Verbündeter erhalten.“
Der „Telegraph“ hatte sich Anfang Oktober beschwert, dass Russland „Rebellen die nicht zu ISIL gehören“ bombardiere. Gleichzeitig schreibt er darüber, dass die „Army of Conquest“ (von Russland bombardiert) „eine Anzahl islamistischer Gruppen beinhaltet, darunter die sehr mächtigen Ahrar al-Sham und Jabhat al-Nusra. Jabhat al-Nusra ist das örtliche Tochterunternehmen von alQaeda.“ Sogar „Voice of America“ bemerkt, dass „Russlands Hauptziel die Army of Conquest war, ein Bündnis von Aufständischen, darunter die al-Nusra Front, alQaedas Tochter in Syrien und die kompromisslos islamistische Gruppierung Ahrar al-Sham, neben anderen weniger extrem islamistischen Gruppen.“
Anders gesagt: die von der BBC unkritisch wiedergekäute Aussage des anonymen saudischen Regierungsvertreters (die Saudis würden nur die „Army of Conquest“ und keine Gruppen mit Nusra Front bewaffnen) widerspricht sich selbst. Der BBC-Leser Ricardo Vaz hat die BBC auf diesen Widerspruch aufmerksam gemacht. Er sagte dem Intercept: „Das Problem ist, dass die Nusra Front die wichtigste Gruppierung innerhalb der ‘Army of Conquest’ ist. Entweder dachte der saudische Offizielle, dass der BBC-Journalist das nicht weiß. Oder er denkt wir glauben, dass sie Waffen an Gruppen liefern, die Seite an Seite mit alQaeda-Tochterunternehmen kämpfen und dass diese Waffen nicht in den Händen von al-Nusra landen. So oder so ist dies fast eine offizielle Stellungnahme, dass die Saudis (zusammen mit Katar und der Türkei) Waffen an alQaeda-Töchter liefern. Für jemanden der gut aufgepasst hat ist das natürlich kein Geheimnis.“
Als Antwort auf die Beschwerde des Lesers hat die BBC den Lesern nichts über dieses Eingeständnis erzählt. Stattdessen redigierten sie das saudische Eingeständnis einfach aus dem Artikel. Damit machten sie den irreführenden Artikel nur noch schlimmer. Die BBC lehnt sich mit ihrer Verteidigung der Saudis nur noch weiter aus dem Fenster. So sieht der betreffende Absatz in der gegenwärtigen Fassung auf der BBC-Seite aus:
„Er sagte, zu den unterstützten Gruppen gehörten weder der IS noch die al-Nusra Front, beide seien geächtete Terrororganisationen. Stattdessen gingen die Waffen an die Freie Syrische Arme und andere kleine Rebellengruppen.“
Zu Beginn hat also der „saudische Regierungsvertreter“ angekündigt, dass das Regime die Army of Conquest bewaffnet. Als die BBC darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Army of Conquest den alQaeda-Ableger Nusra Front beinhaltet – ein direkter Widerspruch zu der Aussage des saudischen Offiziellen, dass die Saudis Nusra nicht bewaffnen würden – hat die BBC buchstäblich die eigene Aussage des saudischen Vertreters verändert und so geschönt, dass die Behauptung, man würde die Army of Conquest bewaffnen, verschwunden ist. Jetzt schreibt die BBC, dass die Saudis „die Freie Syrische Armee und andere kleine Rebellengruppen“ bewaffnen. Dazu sagte Vaz dem Intercept:
„Das ist eine unglaubliche Schönfärberei! Zuerst zitierten sie den saudischen Vertreter direkt, er redet ausdrücklich von „drei Rebellengruppen“, darunter Jaish al-Fatah (Army of Conquest). Es kann nicht sein, dass ein Journalist etwas gesagt bekommt über „andere kleine Rebellengruppen“ und zuvor etwas anderes verstanden und geschrieben. In der Antwort auf meine Beschwerde schreiben sie, dass der Fehler in der „redaktionellen Aufsicht“ lag, das ist absolut lachhaft. Was wir sehen ist ein renommiertes Medienunternehmen, das eine Plattform für einen offiziellen Vertreter des mittelalterlichsten aller Regime bietet. Der Offizielle sagt im Grunde, dass sie (weiter) Waffen an einen alQaeda-Ableger liefern. Anstatt darauf hinzuweisen kaschiert die BBC das Bild und deckt die terroristische Bewaffnung/Finanzierung der Saudis, Kataris und Türken.
Für mich persönlich ist die Anwesenheit von mit alQaeda „verwandten“ Kämpfern kein überzeugendes Argument gegen die Unterstützung von syrischen Rebellen. Verständlich, dass Leute die gegen ein unterdrückerisches Regime kämpfen – unterstützt von einflussreichen ausländischen Gruppen – sich mit jedem verbünden, der Willens und in der Lage ist mit ihnen zu kämpfen. Mehr noch – die altbekannte Leier von UK/USA, jeden zu Bekämpfenden als „Terroristen“ oder „alQaeda“ zu bezeichnen, klingt aus dem Munde Assads und der Russen auch nicht überzeugender, besonders wenn man zivile Opfer verheimlichen will. Und dass die Anti-Assad-Kräfte ein einheitliches Gebilde aus religiösen Extremisten wären, ignoriert das anti-tyrannische Gefühl, das unter den einfachen Syrern zu den Protesten gegen das Regime führte. Der Ursprung liegt im Arabischen Frühling.*
Was das alles zeigt ist, wie grotesk – jenseits jeder Parodie – der 14 Jahre dauernde Krieg gegen den Terror geworden ist. Wie wenig er mit der ursprünglich vorgegebenen Rechtfertigung zu tun hat. Das Regime mit der größten Nähe zu den Anschlägen vom 11. September – Saudi Arabien – ist neben Israel der engste Verbündete der USA. Das Land, das absolut nichts mit den Anschlägen zu tun hat, der Iran, ist der größte Gegner der USA im „War on Terror“. Und dieses Land hat mindestens genauso unter einer von den USA entfachten religiösen Ideologie zu leiden. Jetzt haben wir praktisch das Geständnis der Saudis, dass sie eine Gruppe bewaffnen, deren wichtiger Teil alQaeda ist. Die USA haben zumindest indirekt das gleiche getan (das galt auch für Libyen). Und jetzt sind wir so weit, dass die westlichen Medien Russland beschuldigen, sie würden Elemente von alQaeda bombardieren. Und das Ganze wird dann von den Medien manipulativ als „Rebellen die nicht zu ISIS gehören“ bezeichnet.
Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster wenn man sagt, dass gegenwärtig die USA und seine Verbündeten die größten Lieferanten für alQaeda sind. Das gilt sogar während alQaeda als Hauptgrund für den andauernden Krieg angeführt wird.
Was auch immer man von Syrien hält: die BBC dabei zu beobachten, wie sie verzweifelt einen saudischen Offiziellen schützt, spricht Bände. Nicht nur weil sie Anonymität gewähren um offizielle Propaganda zu verspritzen. Schlimmer noch: mit miesen redaktionellen Spielchen die eigenen Eingeständnisse der Saudis zu beschönigen. Eingeständnisse, die die BBC bereits veröffentlicht hatte. Es gibt viel Eigenschaftswörter die man der BBC für ihr Verhalten geben könnte. „Objektiv“ und „neutral“ gehören ganz sicher nicht dazu.
Glenn Greenwald (* 6. März 1967 in New York City) ist ein US-amerikanischer Journalist, Blogger, Schriftsteller und Rechtsanwalt. Weltweite Bekanntheit erlangte Greenwald, als er die von Edward Snowden im Jahr 2013 übermittelten Dokumente zum streng geheimen NSA-Überwachungsprogramm PRISM aufbereitete und Anfang Juni 2013 in der britischen Tageszeitung The Guardian zusammen mit einem Interview Snowdens veröffentlichte. Aufgrund dieser und folgender Berichte ist er eine der zentralen Figuren der Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre. Seit Februar 2014 ist er als Hauptautor der publizistischen Website The Intercept tätig. Greenwald ist Gründungsmitglied der Freedom of the Press Foundation mit Sitz im Vorstand (Board of Directors).