Die Unsicherheit der Medien
in Zeiten des Nichtwissens
Viel Spekulation, wenig Erkenntnis: Die
Live-Berichterstattung im TV zum Amoklauf in München wirkte hektisch und orientierungslos.
Wir wollen ja nicht spekulieren: Das Fernsehen zeigt bei der
Berichterstattung zu dem Massenmordim Olympia-Einkaufszentrum, wozu es in der Lage ist. Es erklärt Dinge, ohne zu wissen, was vor sich geht.
Unverantwortliche Angstmacherei mit «Terror»
Der Amokläufer brachte es zu vielen Schlagzeilen
«TERROR IN MÜNCHEN». Der Isis und die rechtsnationalen Parteien freuen sich.
München und die Medien: Egal wo, Hauptsache sofort
Terror und Gewalt in Echtzeit: Wie sich das TV-Nachrichtengeschäft durch Social Media ändert. Orientierung geben, damit sich die Zuschauer nicht selbst orientieren müssen. Heutzutage noch Ruhe zur Recherche einzufordern ist löblich, aber sinnlos. Die Ruhe wird im Zeitalter der Social Media nicht wiederkehren. Eine Aufgabe der Medien, so muss es wohl nach heutigem Stand formuliert werden, ist es deshalb auch, ein Informationsvakuum zu verhindern, in dem sich
Falschmeldungen und Verschwörungstheorien ausbreiten.
"Live-Recherche ist für uns nichts Neues":
ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke über den viereinhalbstündigen Dauereinsatz des Ersten am Freitag mit "tagesschau" und "tagesthemen".
Internet-Bilder schocken TV-Zuschauer
Das Fernsehen reagiert umgehend auf die Schüsse von München. Die
ARD verlängert die "tagesschau" bis zu vorgezogenen "tagesthemen". CNN warnt davor, per Internet Fotos und Videos zu verbreiten, hält sich aber selbst nicht daran.
Wir wissen nichts über den Täter, nichts über seine Motive. Es ist unsinnig, jetzt über islamistischen Terror und die Konsequenzen daraus zu spekulieren. Man müsste das tun, was weder Journalisten noch die Öffentlichkeit gut können:
einfach mal abwarten.
Lange ist von bis zu drei Schützen die Rede, in der Stadt herrscht Ausnahmezustand. Auch die Medien schalten in den Notfallmodus, die ARD und andere Sender berichten am Abend ununterbrochen. So habe ich den Abend und die Nacht in der
NDR-Nachrichtenredaktion für die Radioprogramme erlebt.
Daniel Fiene ist Social-Media-Profi und Fan von Tools wie Periscope und Facebook Live. Dennoch fragt er sich, ob das
Veröffentlichen von Bildern und Videos immer zweckdienlich sei. „Ich nehme mir auf jeden Fall vor, bei künftigen extremen Nachrichtensituation — egal ob nah dran, oder beobachtend — auf meinen eigenen Accounts in den Textmodus zu wechseln. Es gibt Leute, die das schätzen werden und Leute, die das schätzen lernen werden und vielleicht den Textmodus auch für sich entdecken. Wir können Vorbild sein.“
Gruppendynamik bedeutet nichts anderes als dass wir Dinge sagen, tun und fühlen, weil andere sie auch sagen, tun und fühlen. Das Handeln der Allgemeinheit begründet das Handeln des Einzelnen. Menschen sind soziale Wesen; sich nach anderen zu richten, ist normal, natürlich und in vielen Fällen sinnvoll. In aufgeregten Zeiten aber, das hat der gehetzte
Eilmeldungsjournalismus der letzten Jahre genauso gezeigt wie die Erfolge der AfD, macht Gruppendynamik genau eines: die Menschen noch aufgeregter. Denn das Vielfache von Entsetzen ist nicht Trost, sondern Panik.
Die
sozialen Medien & die Tat von München. Eine erste Einschätzung von Vera Linß.
Das Dilemma der vorschnellen Berichterstattung: Die Amokfahrt von Nizza und der Putschversuch in der Türkei zeigen erneut: Die
Berichterstattung unter dem Diktat der Hochgeschwindigkeit wird für den Leser zu einem zeitfressenden, sich endlos dahin windenden Annäherungsprozess an die Wahrheit.