ARD - Podien für Rechtsradikale innerhalb der Ukrainebericht
Verfasst: 25. September 2014, 12:28
Norddeutscher Rundfunk
Gremienbüro
Frau Ute Schildt
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Norddeutscher Rundfunk
Intendanz
Herrn Lutz Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Programmbeschwerde
Sehr geehrter Herr Marmor,
sehr geehrte Frau Schildt,
hiermit legen wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., formal Beschwerde wegen des wertneutralen Bereitens von Podien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für rechtsradikale und kriminelle Personen innerhalb der Ukraine-Berichterstattung ein.
Am 16. September 2014 sendeten die ARD-Tagesthemen ein Interview mit Oleg Lyashko, in dem dieser seine Kritik an dem von der Rada verabschiedeten Gesetz zum Sonderstatus der Donbass-Region als "Kapitulation vor Putin" äußerte. Der informierende Untertitel stellte ihn dabei vor als: "Oleg Lyashko, Abgeordneter Rada" (ab Minute 3:38).
Verschwiegen wurde dem Zuschauer, dass Oleg Lyashko Chef "der rechtsradikalen Partei 'Radikale Partei'" ist. Weiterhin wurde dem Zuschauer die Information vorenthalten, dass erst am 6.8.2014 Amnesty International in einem Bericht schwere Vorwürfe gegen Lyashko erhob, und zwar wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen und "gravierende(r) Verletzung internationaler rechtlicher Standards". Amnesty dokumentiert in diesem Bericht etliche Vergehen in Bezug auf "Gewalt, Einschüchterung und Entführung" und fordert die Ukraine auf, unverzüglich eine Untersuchung der Vergehen Lyashkos einzuleiten.
"Auf seiner Webseite sieht man in zahlreichen Videos, wie er -stets begleitet von bewaffneten Männern- private und öffentliche Einrichtungen betritt und im Anschluss Menschen entführt, sie erniedrigt und zwingt, seine Befehle auszuführen"
http://www.amnesty.de/2014/8/14/ukraini ... -beteiligt
Dass diese wesentlichen Informationen über Lyashko in dem Beitrag ausgespart wurden und er wertneutral als bloßer Abgeordneter dargestellt wurde, wiegt um so schwerer, als dass es sich bei Oleg Lyashko nicht lediglich um einen Abgeordneten geringer Bekanntheit handelt, sondern um den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten, der bei der Wahl am 25. Mai 2014 immerhin 8,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Über seine möglichen Aussichten bei den kommenden Parlamentswahlen im Oktober schreibt nicht nur "die Zeit":
"Jetzt kann seine Radikale Partei sogar mit 10 bis 15 Prozent der Stimmen rechnen und zur zweitgröß-ten Fraktion im Parlament werden." http://www.zeit.de/politik/ausland/2014 ... uebersicht
Das Verschweigen des rechtsradikalen Hintergrunds von ukrainischen Interviewpartnern ist in der ARD kein Einzelfall. Auch in den Tagesthemen vom 05. September 2014 wurde dem Zuschauer die Information über den rechtsradikalen Hintergrund des ARD-Interviewpartners Andrej Biletski, Kommandeur des rechtsradikalen Asow-Bataillons, vorenthalten (siehe auch ARD-Programmbeschwerde vom 12. September wegen Verharmlosung faschistischer Organisationen).
Oleg Lyashko war in diesem Beitrag nicht der einzige Chef einer radikalen Partei, dem die ARD eine Plattform zur Äußerung seiner Ansichten bot. Vor dem Interview mit Oleg Lyashko sendeten die Tagesthemen ab Minute 3:22 ein Interview mit Oleg Tjagnibok, dem Chef der Swoboda-Partei. Auch wenn diese Partei im Beitrag immerhin als "nationalistisch" (Minute 3:14) charakterisiert wurde, stellt sich dennoch die Frage, weshalb in Bezug auf die Beurteilung des neuen Rada-Gesetzes ausschließlich Vertreter der radikalen Fraktionen des ukrainischen Parlaments zu Worte kamen.
Zur Erinnerung: Zu Oleg Tjagnibok schrieb die ARD selbst noch im Januar dieses Jahres, also vor dem politischen Umsturz in der Ukraine: "Doch auch wenn er sich gemäßigt gibt, so stand seine Partei in den vergangenen Jahren für 'rassistische, antisemitische und ausländerfeindliche Auffassungen', wie z.B. das Europaparlament in einer Resolution am 13. Dezember 2012 feststellte." http://www.tagesschau.de/ausland/ukrain ... en100.html
Anlässlich von Wahlveranstaltungen, Podien und Gesprächsrunden innerhalb Deutschlands werden nationalsozialistische Parteikader mit allen Mitteln aus Liveschalten und Interviewrunden herausgehalten. Lässt sich die Teilnahme nicht vermeiden, erfolgen deutliche Distanzierungen seitens der Teilnehmer der Podien bzw. Kritik seitens der politischen Kommentatoren.
In Leipzig muss die Kommunalwahl in Teilen wiederholt werden, weil ein Kandidat der NPD wegen einschlägiger Vorstrafen als nicht wählbar deklariert wurde.
Innerhalb der Nachrichtensendungen von ARD und ZDF kommen jedoch immer wieder besonders berüchtigte Vertreter faschistischer Ideologien unkommentiert zu Wort. Durch das de facto Ausbleiben kritischer Kommentare oder Hinweise für das Fernsehpublikum, setzen sich Medienvertreter vor Ort dem Verdacht aus, diese Ideologie im Fall Ukraine zu tolerieren oder gar zu unterstützen, indem sie den Protagonisten über Gebühr Podien in öffentlich-rechtlichen Medien bereiten.
Dieser Zustand ist nicht länger hinnehmbar. Wir erwarten künftig von unseren öffentlich-rechtlichen Medienanstalten eine deutliche Abgrenzung von faschistischen Organisationen (auch außerhalb der Bundesrepublik), vernünftige Hintergrundrecherchen zu den interviewten Personen sowie die unverzügliche Einstellung der, u.a. auch dem Jugendschutz abträglichen, vorsätzlichen Marginalisierung faschistischer Umtriebe im Ukrainekonflikt.
§ 11
Auftrag
(1)(…) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. (…)
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Zum Zwecke der Transparenz werden diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programm-verantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller
Gremienbüro
Frau Ute Schildt
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Norddeutscher Rundfunk
Intendanz
Herrn Lutz Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Programmbeschwerde
Sehr geehrter Herr Marmor,
sehr geehrte Frau Schildt,
hiermit legen wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., formal Beschwerde wegen des wertneutralen Bereitens von Podien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für rechtsradikale und kriminelle Personen innerhalb der Ukraine-Berichterstattung ein.
Am 16. September 2014 sendeten die ARD-Tagesthemen ein Interview mit Oleg Lyashko, in dem dieser seine Kritik an dem von der Rada verabschiedeten Gesetz zum Sonderstatus der Donbass-Region als "Kapitulation vor Putin" äußerte. Der informierende Untertitel stellte ihn dabei vor als: "Oleg Lyashko, Abgeordneter Rada" (ab Minute 3:38).
Verschwiegen wurde dem Zuschauer, dass Oleg Lyashko Chef "der rechtsradikalen Partei 'Radikale Partei'" ist. Weiterhin wurde dem Zuschauer die Information vorenthalten, dass erst am 6.8.2014 Amnesty International in einem Bericht schwere Vorwürfe gegen Lyashko erhob, und zwar wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen und "gravierende(r) Verletzung internationaler rechtlicher Standards". Amnesty dokumentiert in diesem Bericht etliche Vergehen in Bezug auf "Gewalt, Einschüchterung und Entführung" und fordert die Ukraine auf, unverzüglich eine Untersuchung der Vergehen Lyashkos einzuleiten.
"Auf seiner Webseite sieht man in zahlreichen Videos, wie er -stets begleitet von bewaffneten Männern- private und öffentliche Einrichtungen betritt und im Anschluss Menschen entführt, sie erniedrigt und zwingt, seine Befehle auszuführen"
http://www.amnesty.de/2014/8/14/ukraini ... -beteiligt
Dass diese wesentlichen Informationen über Lyashko in dem Beitrag ausgespart wurden und er wertneutral als bloßer Abgeordneter dargestellt wurde, wiegt um so schwerer, als dass es sich bei Oleg Lyashko nicht lediglich um einen Abgeordneten geringer Bekanntheit handelt, sondern um den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten, der bei der Wahl am 25. Mai 2014 immerhin 8,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Über seine möglichen Aussichten bei den kommenden Parlamentswahlen im Oktober schreibt nicht nur "die Zeit":
"Jetzt kann seine Radikale Partei sogar mit 10 bis 15 Prozent der Stimmen rechnen und zur zweitgröß-ten Fraktion im Parlament werden." http://www.zeit.de/politik/ausland/2014 ... uebersicht
Das Verschweigen des rechtsradikalen Hintergrunds von ukrainischen Interviewpartnern ist in der ARD kein Einzelfall. Auch in den Tagesthemen vom 05. September 2014 wurde dem Zuschauer die Information über den rechtsradikalen Hintergrund des ARD-Interviewpartners Andrej Biletski, Kommandeur des rechtsradikalen Asow-Bataillons, vorenthalten (siehe auch ARD-Programmbeschwerde vom 12. September wegen Verharmlosung faschistischer Organisationen).
Oleg Lyashko war in diesem Beitrag nicht der einzige Chef einer radikalen Partei, dem die ARD eine Plattform zur Äußerung seiner Ansichten bot. Vor dem Interview mit Oleg Lyashko sendeten die Tagesthemen ab Minute 3:22 ein Interview mit Oleg Tjagnibok, dem Chef der Swoboda-Partei. Auch wenn diese Partei im Beitrag immerhin als "nationalistisch" (Minute 3:14) charakterisiert wurde, stellt sich dennoch die Frage, weshalb in Bezug auf die Beurteilung des neuen Rada-Gesetzes ausschließlich Vertreter der radikalen Fraktionen des ukrainischen Parlaments zu Worte kamen.
Zur Erinnerung: Zu Oleg Tjagnibok schrieb die ARD selbst noch im Januar dieses Jahres, also vor dem politischen Umsturz in der Ukraine: "Doch auch wenn er sich gemäßigt gibt, so stand seine Partei in den vergangenen Jahren für 'rassistische, antisemitische und ausländerfeindliche Auffassungen', wie z.B. das Europaparlament in einer Resolution am 13. Dezember 2012 feststellte." http://www.tagesschau.de/ausland/ukrain ... en100.html
Anlässlich von Wahlveranstaltungen, Podien und Gesprächsrunden innerhalb Deutschlands werden nationalsozialistische Parteikader mit allen Mitteln aus Liveschalten und Interviewrunden herausgehalten. Lässt sich die Teilnahme nicht vermeiden, erfolgen deutliche Distanzierungen seitens der Teilnehmer der Podien bzw. Kritik seitens der politischen Kommentatoren.
In Leipzig muss die Kommunalwahl in Teilen wiederholt werden, weil ein Kandidat der NPD wegen einschlägiger Vorstrafen als nicht wählbar deklariert wurde.
Innerhalb der Nachrichtensendungen von ARD und ZDF kommen jedoch immer wieder besonders berüchtigte Vertreter faschistischer Ideologien unkommentiert zu Wort. Durch das de facto Ausbleiben kritischer Kommentare oder Hinweise für das Fernsehpublikum, setzen sich Medienvertreter vor Ort dem Verdacht aus, diese Ideologie im Fall Ukraine zu tolerieren oder gar zu unterstützen, indem sie den Protagonisten über Gebühr Podien in öffentlich-rechtlichen Medien bereiten.
Dieser Zustand ist nicht länger hinnehmbar. Wir erwarten künftig von unseren öffentlich-rechtlichen Medienanstalten eine deutliche Abgrenzung von faschistischen Organisationen (auch außerhalb der Bundesrepublik), vernünftige Hintergrundrecherchen zu den interviewten Personen sowie die unverzügliche Einstellung der, u.a. auch dem Jugendschutz abträglichen, vorsätzlichen Marginalisierung faschistischer Umtriebe im Ukrainekonflikt.
§ 11
Auftrag
(1)(…) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. (…)
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Zum Zwecke der Transparenz werden diese Programmbeschwerde sowie die Antwort der Programm-verantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Maren Müller