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Eingabe zu "Ich schäme mich für Thomas Bach"

Verfasst: 11. August 2016, 21:31
von Maren
To: l.marmor@ndr.de

Eingabe zu "Ich schäme mich für Thomas Bach"

http://rio.sportschau.de/rio2016/nachri ... ng524.html

Sehr geehrter Herr Marmor,

wir erheben Beschwerde gegen den Tagesschau.de Beitrag vom 27.7.2016.

Nach den einschlägigen Vorschriften und Richtlinien ist die "Tagesschau" verpflichtet, objektiv und wahrheitsgemäß zu berichten und zwar so, dass dem Publikum eine Einordnung der Informationen möglich ist.

Diese Voraussetzungen werden in dem Beitrag nicht erfüllt.

Der Olympiasieger im Diskuswerfen Robert Harting kritisierte die Entscheidung des IOC und seines Präsidenten Thomas Bach, die Russische Mannschaft nicht vollständig von der Olympiateilnahme ausgeschlossen zu haben. Russische Athleten trotz der eindeutigen Beweise für Staatsdoping starten zu lassen, sei "einfach peinlich", wird Harting zitiert; Bach habe kurz vor Beginn der Spiele "keinerlei Interesse, den Schmerz" der sauberen Athleten "zu fühlen“. Nach der IOC-Entscheidung sei für ihn ein Stück die "Welt untergegangen. Und ich kann das eigentlich nicht verstehen." Er habe sich schon gefragt, ob Bach als IOC-Präsident "noch tragbar ist. Aber ich alleine werde da nichts verändern können." Nur eine "Allianz aus Wirtschaft, Medien und Politik" könne Bach stürzen.

ARD-aktuell hat es versäumt, die opportunistische Haltung des Goldmedalliengewinners zu beleuchten. Es wäre journalistisch zwingend notwendig gewesen, nicht nur darauf hinzuweisen, wie wohlfeil Hartungs Äußerung ist, sondern auch, welche Heuchelei und Doppelbödigkeit den Diskurs über das Doping prägen. Diskussionen, wie sie hier geführt und publiziert werden, dienen vorrangig als systematische Propagandawaffe gegen Russland. Der indirekt vermittelte Eindruck, von anderen Sportnationen werde bei Olympia kein systematisches Doping betrieben, ist nichts anderes als Zuschauertäuschung.

Harting, hatte noch im Jahr 2009 lautstark für eine eingeschränkte Freigabe von Dopingmitteln Stimmung gemacht und gleichzeitig Opfer des systematischen Dopings in der DDR verunglimpft. Die nämlich wollten während der Leichtatlethik-WM in Berlin in einer Aktion 20.000 Pappbrillen verteilen "um plakativ auf den im Verborgenen weiter stattfindenden Missbrauch verbotener Mittel aufmerksam zu machen", wie "Spiegelonline" am 18.August 2009 schreibt. Harting damals:
"Wenn der Diskus auf dem Rasen aufspringt, soll er gleich gegen eine der Brillen springen, die die Dopingopfer hier verteilt haben. Aber ich bin kein Mörder, ich will nur, dass sie wirklich nichts mehr sehen.“
Ein prächtiges Sportler-Vorbild, das ARD-aktuell hier tönen lässt.

Näheres: http://spiegelkabinett-blog.blogspot.de/

Auch ARD-aktuell erweckt mit seinem unkritisch und betont kämpferischen Beitrag den Eindruck, als sei Doping völlig aus der Welt verschwunden und nur noch im bösen Putin-Reich ein Problem.

Ausschließlich Mainstream, ohne die Fähigkeit, selbständige Positionen zu entwickeln, das ist der traurige journalistische Zustand von ARD-aktuell.

Wie es besser geht, zeigen wieder einmal andere Medien. Dort sind Töne zu hören, die sich wohltuend von der ARD-aktuell-Verlogenheit abheben.

Julius Brink, Beachvolleyball-Olympiasieger von 2012:
"Es geht hier nicht nur um Russland. Ich weiß gar nicht, wie viele Leichtathleten aus den USA inzwischen im Nachhinein des Dopings überführt wurden. Justin Gatlin zum Beispiel wurde mehrfach des Dopings überführt, da können wir sicherlich noch viele andere Nationen aufführen. Da spielt die Nationalität keine Rolle"
http://www.gmx.net/magazine/sport/olymp ... g-31795318


Mit höflichem Gruß
F. Klinkhammer und V. Bräutigam

Re: Eingabe zu "Ich schäme mich für Thomas Bach"

Verfasst: 31. August 2016, 21:51
von Maren
Betreff: Ihre E-Mail vom 10. August 2016
Sehr geehrter Herr Bräutigam,
sehr geehrter Herr Klinkhammer,

in Ihrer E-Mail vom 10. August 2016 kritisieren Sie einen Beitrag auf tagesschau.de vom 27. Juli 2016, in dem sich Diskuswerfer Robert Harting kritisch zur Entscheidung des IOC äußert, die russische Mannschaft nicht vollständig von den Olympischen Sommerspielen in Rio ausgeschlossen zu haben.

Ich habe den zuständigen Programmbereich Online und Multimedia gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen und füge Ihnen die Antwort bei.
Stellungnahme Bach_geschwärzt.pdf
(1.12 MiB) 746-mal heruntergeladen

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

Re: Eingabe zu "Ich schäme mich für Thomas Bach"

Verfasst: 31. August 2016, 21:55
von Maren
Programmbeschwerde vom 10.8.2015 - Harting-Thomas Bach

Werte Rundfunkräte,

wieder einmal können wir einer NDR-Stellungnahme nichts abgewinnen, so dass die „Weisen“ im Rundfunkrat gefragt sind.

In der Stellungnahme heisst es:

"Der Beitrag gibt Robert Hartings Position wieder. Die Aussage des Diskuswerfers „er (Thomas Bach) ist für mich Teil des Doping-Systems, nicht des Anti-Doping-Systems. Ich schäme mich für ihn" wird klar als Zitat kenntlich gemacht. Die Absenderschaft aller Meinungsäußerungen wird in dem Bericht an jeder Stelle deutlich. Dass ein deutscher Weltklasse-Athlet und Medaillenkandidat sich derart klar positioniert, ist eine Ausnahmesituation, die zweifelsfrei der Berichterstattung bedarf. Dabei wird die Person Harting durchaus als meinungsstark eingeordnet, denn in dem Beitrag heißt es:

„Ein Mann der leisen Töne war Robert Harting noch nie" sowie „Diskus-Olympiasieger Robert Harting hat kein gutes Haar an Thomas Bach gelassen."

Wir wissen selbst, dass Harting ein Großmaul ist, inzwischen zum Looser mutiert.

Unsere Kritik an dem Beitrag beschränkte sich nicht auf Hartings Äußerungen, sondern galt vor allem das „Bashing" des IOC-Vorsitzenden. Bach hatte es gewagt, den pauschalen Ausschluss russischer Sportler anders zu sehen als der Chor der deutschen Mainstreammedien und der ARD-Doping-"Experte“ Seipelt (nicht nur Bach hat Vorstellungen dieses journalistischen Eiferers aus nachvollziehbaren Gründen nicht für voll genommen).

Gegenstand unserer Kritik war, dass auch in einem ARD-Beitrag die Dämonisierung und persönliche Verunglimpfung Thomas Bachs als "Russland-Freund" betrieben wurde.

Es ist eine billige und durchsichtige Schutzbehauptung, in dem kritikwürdigen Beitrag sei es allein auf die "meinungsstarke" Darstellung Hartings angekommen. Wäre es um eine ernsthaft interessante Darstellung der Ansichten deutscher Spitzensportler zu der Thematik gegangen, dann wären die durchaus auch differenzierten Töne anderer Olympiasieger wie z.B. des Beachballers Julius Brink berücksichtigt worden.

In der Alleinstellung eines beleidigenden Grobians im Rahmen dieses Beitrags lag zugleich eine agitatorische Absicht, und das leugnen zu wollen beweist Unredlichkeit - und die Notwendigkeit eines Einschreitens des Rundfunkrats.

Hartings Forderung nach beschränkter Dopingfreigabe vor acht Jahren hat diesen Mann unglaubwürdig gemacht, und dass das nicht bedacht und nicht erwähnt wurde, ist nicht nur eine grobe journalistische Fehlleistung, sondern zugleich ein starkes Indiz dafür, dass es allein um die Diskreditierung Bachs ging – und nicht um die Vermittlung einer angemessenen Betrachtung der Doping-Problematik, die ja nicht nur im Zusammenhang russischer Verhältnisse zu diskutieren ist.

Der Rechtfertigungsversuch "Selbst wenn der Autor des Beitrags die Beurteilung „wohlfeil" teilte, wäre es in einem Bericht - anders als in einem Kommentar - nicht seine Aufgabe, darauf hinzuweisen. Schließlich würde dann das Gebot der Objektivität wirklich verletzt.“ ist eine dreiste Verdrehung der Gegebenheiten.

In jedem Beitrag, gleich welcher Art, ist die Verwendung von Adjektiven zugleich eine Wertung, und wo es zum Verständnis nötig ist und wo nur eine unzulässige Kommentierung, ist nach berufsethischen Kriterien zu entscheiden. Im vorliegenden Fall zeigt sich der Mangel an journalistischer Ethik, auch in der Verwendung von irreleitenden Schutzbehauptungen. Das ist bei ARD-Journalisten aber keine neue Erscheinung. Da wird nicht nach Moral gefragt, sondern nach der Windrichtung geguckt und dann entsprechend berichtet. Sind denn die ARD-Kriechspuren zu Zeiten des Jan Ulrich im Gedächtnis schon verweht, dem man routinemäßig zu Füßen lag, bis sein Dopingvergehen nicht mehr zu ignorieren war? Um im Bild zu bleiben: Wenn Jan Ulrich heute lauthals gegen das Doping zu Felde zöge, wären unsere Sportjournalisten dann nicht aus Gründen der Objektivität gehalten, seine Dopingvergangenheit zu erwähnen?

Es spricht keineswegs für den Autor des Beitrags, dass er seine eigene Auffassung nicht dargelegt, sondern nur Statements ausgewählter Dritter wiedergegeben hat. Es handelt sich vielmehr um eine bekannte, im Einzelfall sogar infame Methode der Manipulation: Die für einen Autor gefahrlose Verbreitung von Bezichtigungen erfolgt mithilfe „opportuner Zeugen“ (hier Harting), wodurch sich der Autor der Verantwortung für die Folgen der verbreiteten Anschuldigungen entzieht.

"Die Redaktion stellt somit sowohl Hartings als auch Bachs Standpunkte neutral, objektiv und umfassend dar Es steht selbstverständlich jeder Nutzerin und jedem Nutzer frei, eine Meinung dazu zu entwickeln."

Herr Bensemann lenkt hier – absichtlich oder nicht – von der Problematik ab: Der unbedarfte Rezipient dieses Beitrags bekommt gerade nicht die Möglichkeit, eine durch Fakten abgesicherte Meinung zu Hartings Positionen zu entwickeln, eben weil dessen miese Haltung zu Dopingopfern in der DDR dem Publikum verschwiegen wurde.
Da gleichzeitig auf Seipelts "Enthüllungen" (der eigene ARD-Kumpel, auf den "Herr Bach nicht hören will") verwiesen wird, liegt zweifelsfrei eine interessengeleitete Selektion und Dekontextualisierung vor, eine Manipulations-Methode, bei der wesentliche Fakten ausgelassen werden und somit wichtige Sinnzusammenhänge verloren gehen.

„Eine Halbwahrheit ist eine ganze Lüge.“ (Jüdisches Sprichwort).

Da die Harting-Äußerungen fast textgenau in allen deutschen Mainstreammedien zu lesen waren, spricht auch einiges dafür, dass der Beitrag irgendwo blindlings "abgekupfert" und von der ARD kritiklos übernommen wurde. Aber auch Dummheit entschuldigt die vorliegende Fehlleistung nicht.
Der Beitrag verstößt gegen die Regelungen des Rundfunkstaatsvertragen und die dazu erlassenen Richtlinien.

F. Klinkhammer V. Bräutigam