Hier wird Journalismus delegitimiert
Verfasst: 5. Dezember 2025, 19:15
Die Angriffe auf die Nahost-Korrespondentin Sophie von der Tann sind nur die jüngsten Ausbrüche eines verbittert geführten Meinungskampfes – in dem jede Differenzierung verloren geht. […]
Konkrete Belege für antiisraelische oder gar antisemitische Aussagen oder Berichte von der Tanns für die ARD bleiben ihre Kritiker schuldig – Anlass für die aktuellen Angriffe war ein Artikel in der Welt über den Besuch des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle in Israel im Oktober. Dabei soll von der Tann davon gesprochen haben, dass das Hamas-Massaker „eine Vorgeschichte“ gehabt habe, hieß es darin. Gesprächspartner hätten dies als Relativierung empfunden.
Nun ließe sich fragen, warum es Wochen gedauert hat, bis dieser vermeintliche „Eklat“ an die Öffentlichkeit gelangt ist. Und ob es für die politische Analyse und damit für die journalistische Berichterstattung nicht geradezu zwingend ist, bei terroristischen Verbrechen auch die Entwicklung davor in den Blick zu nehmen, die Radikalisierung, die Planung, die Sicherheitslücken.
Entscheidender ist in diesem Fall allerdings, dass der Streit über den Hanns-Joachim-Friedrich-Preis nur der vorläufige Höhepunkt einer seit Monaten andauernden Kampagne gegen die ARD-Journalistin ist. Die inzwischen Dimensionen erreicht hat, die weit über die Nahost-Berichterstattung hinausgehen und die Meinungsfreiheit hierzulande ganz grundsätzlich berührt.
Ex-Armeesprecher Shalicar hatte den Spiegel zuvor mit dem NS-Hetzblatt Stürmer gleichgesetzt und ihn als „Sprachrohr der Hamas“ beschimpft. Prosor nannte das Magazin den größten „Terroristen-Verharmloser im ganzen Land“. Der taz-Journalist Daniel Bax, der DLF-Redakteur Stephan Detjen, gerade jene, die sich – wie Detjen – seit Jahren um ein differenziertes Bild der Konfliktlage bemühen, mussten sich irgendwann den Vorwurf der Verharmlosung und des Antisemitismus anhören.
Nicht nur Journalisten-Organisationen, sondern auch viele Berichterstatter aus dem Nahen Osten kritisieren wachsenden Druck durch die israelische Regierung. Knapp 60 deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten, die regelmäßig über den Nahen Osten berichten, veröffentlichen am Donnerstag auf der Webseite von Reporter ohne Grenzen einen offenen Brief.
https://www.sueddeutsche.de/medien/sop ... li.3348477
Die 72 Unterzeichner schreiben: "Viele von uns berichten seit langem aus Israel, den palästinensischen Gebieten und der Region. Es ist normal, dass wir als Journalisten von allen Seiten mit Kritik an unserer Arbeit konfrontiert werden." Sachlicher Kritik stelle man sich täglich. Die derzeitigen Angriffe haben nach Meinung der Unterzeichner jedoch jedes Maß verloren: "Sie zielen offenbar darauf ab, das Ansehen unserer Kollegin zu zerstören sowie kritischen Journalismus zu delegitimieren."
Die Kritik an von der Tann kommt unter anderen vom bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle, dem israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, und jüdischen Verbänden. So bedauere etwa der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten die Auszeichnung von der Tanns, da diese wiederkehrende Erzählmuster verbreite, "die sich darauf beschränken, Israel als Aggressor darzustellen" […]
"Diesem Satz können wir als langjährige Nahostberichterstatter nur zustimmen. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern reicht viele Jahrzehnte zurück", heißt es in der Erklärung. Die Vorgeschichte im Blick zu haben, sei keine "Relativierung des 7. Oktober". In der Berichterstattung seien die "Barbarei des Terrorangriffs und die verheerende Kriegsführung in der Folge" gleichermaßen Thema wie das "Leid auf beiden Seiten".
Die Korrespondenten kritisieren auch, dass palästinensische Quellen von Israel grundsätzlich infrage gestellt würden. Die Regierung in Tel Aviv blockiere aber gleichzeitig trotz der seit dem 10. Oktober geltenden Waffenruhe und der Rückkehr aller noch lebenden Geiseln weiter den Zugang für ausländische Journalisten nach Gaza.
https://www.turi2.de/aktuell/prominente ... -der-tann/
Kontroverse um Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis – Interview mit Sophie von der Tann
https://www.deutschlandfunk.de/hanns-j ... n-100.html
Konkrete Belege für antiisraelische oder gar antisemitische Aussagen oder Berichte von der Tanns für die ARD bleiben ihre Kritiker schuldig – Anlass für die aktuellen Angriffe war ein Artikel in der Welt über den Besuch des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle in Israel im Oktober. Dabei soll von der Tann davon gesprochen haben, dass das Hamas-Massaker „eine Vorgeschichte“ gehabt habe, hieß es darin. Gesprächspartner hätten dies als Relativierung empfunden.
Nun ließe sich fragen, warum es Wochen gedauert hat, bis dieser vermeintliche „Eklat“ an die Öffentlichkeit gelangt ist. Und ob es für die politische Analyse und damit für die journalistische Berichterstattung nicht geradezu zwingend ist, bei terroristischen Verbrechen auch die Entwicklung davor in den Blick zu nehmen, die Radikalisierung, die Planung, die Sicherheitslücken.
Entscheidender ist in diesem Fall allerdings, dass der Streit über den Hanns-Joachim-Friedrich-Preis nur der vorläufige Höhepunkt einer seit Monaten andauernden Kampagne gegen die ARD-Journalistin ist. Die inzwischen Dimensionen erreicht hat, die weit über die Nahost-Berichterstattung hinausgehen und die Meinungsfreiheit hierzulande ganz grundsätzlich berührt.
Ex-Armeesprecher Shalicar hatte den Spiegel zuvor mit dem NS-Hetzblatt Stürmer gleichgesetzt und ihn als „Sprachrohr der Hamas“ beschimpft. Prosor nannte das Magazin den größten „Terroristen-Verharmloser im ganzen Land“. Der taz-Journalist Daniel Bax, der DLF-Redakteur Stephan Detjen, gerade jene, die sich – wie Detjen – seit Jahren um ein differenziertes Bild der Konfliktlage bemühen, mussten sich irgendwann den Vorwurf der Verharmlosung und des Antisemitismus anhören.
Nicht nur Journalisten-Organisationen, sondern auch viele Berichterstatter aus dem Nahen Osten kritisieren wachsenden Druck durch die israelische Regierung. Knapp 60 deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten, die regelmäßig über den Nahen Osten berichten, veröffentlichen am Donnerstag auf der Webseite von Reporter ohne Grenzen einen offenen Brief.
https://www.sueddeutsche.de/medien/sop ... li.3348477
Die 72 Unterzeichner schreiben: "Viele von uns berichten seit langem aus Israel, den palästinensischen Gebieten und der Region. Es ist normal, dass wir als Journalisten von allen Seiten mit Kritik an unserer Arbeit konfrontiert werden." Sachlicher Kritik stelle man sich täglich. Die derzeitigen Angriffe haben nach Meinung der Unterzeichner jedoch jedes Maß verloren: "Sie zielen offenbar darauf ab, das Ansehen unserer Kollegin zu zerstören sowie kritischen Journalismus zu delegitimieren."
Die Kritik an von der Tann kommt unter anderen vom bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle, dem israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, und jüdischen Verbänden. So bedauere etwa der Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten die Auszeichnung von der Tanns, da diese wiederkehrende Erzählmuster verbreite, "die sich darauf beschränken, Israel als Aggressor darzustellen" […]
"Diesem Satz können wir als langjährige Nahostberichterstatter nur zustimmen. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern reicht viele Jahrzehnte zurück", heißt es in der Erklärung. Die Vorgeschichte im Blick zu haben, sei keine "Relativierung des 7. Oktober". In der Berichterstattung seien die "Barbarei des Terrorangriffs und die verheerende Kriegsführung in der Folge" gleichermaßen Thema wie das "Leid auf beiden Seiten".
Die Korrespondenten kritisieren auch, dass palästinensische Quellen von Israel grundsätzlich infrage gestellt würden. Die Regierung in Tel Aviv blockiere aber gleichzeitig trotz der seit dem 10. Oktober geltenden Waffenruhe und der Rückkehr aller noch lebenden Geiseln weiter den Zugang für ausländische Journalisten nach Gaza.
https://www.turi2.de/aktuell/prominente ... -der-tann/
Kontroverse um Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis – Interview mit Sophie von der Tann
https://www.deutschlandfunk.de/hanns-j ... n-100.html