NDR - Putin - Völkermord in den Mund gelegt
Verfasst: 27. Februar 2015, 13:20
An den
Rundfunkrat des NDR
Frau Vorsitzende
Dagmar Pohl-Laukamp
Programmbeschwerde
Sehr verehrte Frau Vorsitzende,
am 25.2.2015 war auf der Tagesschauseite neben der Head-Line "Putin wirft Kiew Völkermord vor" im vorletzten Absatz zu lesen:
"Der unter deutscher und französischer Vermittlung vereinbarte Waffenstillstand gilt eigentlich seit dem 15. Februar. Die Separatisten hatten diesen in den ersten Tagen gebrochen.."
Diese Meldung ist einseitig und irreführend, genauso irreführend wie die gewählte Überschrift des Beitrages. Wenn man des Lesens kundig ist, sieht man sofort, dass Putin eine anderslautende Formulierung benutzte, er hatte keinen Völkermordsvorwurf erhoben, sondern lediglich gesagt, dass das Vorgehen Kiews nach "Völkermord riecht". Das ist eine andere und m.E. eine durchaus nachvollziebare Formulierung, wenn man bedenkt, wie Kiew mit der eigenen Bevölkerung im Osten des eigenen Landes umspringt: Gnadenloser Beschuss von Wohnhäusern, der Raub der Renten, der bewusste Ausschluss der Bevölkerung von lebensnotwendigen Versorgungsgütern.
Zum zweiten Punkt:
Im vorletzten Absatz hätte es korrekt heißen müssen: "Die Seperatisten und die Kiewer Regierung haben beide trotz der vereinbarten Waffenruhe in den ersten Tagen weitergekämpft" ( "Bruch" ist eine falsche Wortwahl, weil eine Waffenruhe nach Minsk II zunächst nicht hergestellt werden konnte und es deshalb auch nichts zu brechen gab)
Das Problem des Kessels in Debalzewo war den Teilnehmern bei den Verhandlungen zu Minsk II bekannt, aber insbesondere die Hollande-Merkel-Fraktion ließ die Problematik in der Schwebe. Putin meinte in seinem Statement nach Abschluß der Verhandlungen sinngemäß: “Wir gehen davon aus, dass die eingekesselten ukrainischen Militärs ihre Waffen niederlegen und den Widerstand einstellen. Der ukrainische Präsident ist der Meinung, dass es gar keinen Kessel gibt. Das werden dann unsere Militärexperten gemeinsam klären.”. Trotz realitätsfernen Behauptung Poroschenkos vom Nichtbestehen eines Kessels wissen wir heute, dass in der Kesselschlacht von Debalzewo der überwiegende Teil der ukrainischen Soldaten militärisch zerrieben und getötet wurde. Da der ukrainische Präsident und seine Militärs sich zunächst trotz Minsk II und des Putin-Hinweises weigerten, die eingekesselten Soldaten abziehen zu lassen, ging das tödliche Gemetzel weiter, auf beiden Seiten. Nun davon zu reden, die Seperatisten hätten die vereinbarte Waffenruhe verletzt, kann deshalb so nicht richtig sein, zumal auch die ukrainischen Soldaten - wie es in Kriegen üblich ist - versuchten, mit militärischen Mitteln (und keineswegs mit Knallfröschen!) der Einkesselung zu entkommen.
Vor diesem Hintergrund ist unbestritten, dass nicht die Rebellen, sondern beide Seiten gegen Minsk II verstießen. Erst als ein Kommandeur der ukrainischen Armee auf eigene Faust den Befehl zum Rückzug der Soldaten gab, wurden die Kämpfe beendet. Dieser Ablauf der Ereignisse macht es völlig unverständlich, weshalb die "Tagesschau" die Nichteinhaltung der Waffenruhe noch immer allein den Seperatisten in die Schuhe schiebt. Hätte Poroschenko bei den Minsk II-Verhandlungen nicht (wie so oft, mit propagandistischer Unterstützung westlicher Medien!) die Situation schöngeredet und einem Abzug aus dem Kessel sofort zugestimmt, hätte auch kein Hindernis für eine sofortige Waffenruhe bestanden.
Worauf die ungenügende Darstellung in der "Tagesschau" zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beurteilen: Entweder ist es ein vorsätzlicher Verstoß gegen die in den Programm-Richtlinien festgelegten Grundsätze oder eine journalistische Schlamperei.
Auf jeden Fall ist auch diese TS-Information geeignet, die verantwortungslose Kriegstreiberei in Politik und Medien zu verstärken, anstatt im Sinne der im Staatsvertag statuierten Friedenspflicht mit deeskalierender Wirkung korrekt zu berichten.
Unsäglich und zum Fremdschämen ist m.E. der Kommentar des HR-Fernseh-Chefs Theisen. Er soll hier wegen seiner unterirdischen journalistischen Qualität nicht kommentiert werden.
Eine Zierde für den öffentlich-rechtliche Rundfunk und für die "Tagesthemen" ist er jedenfalls nicht.
Ich bitte Sie zu prüfen, ob der Beitrag vom 25.2.2015 eine Staatsvertragsverletzung enthält, dem Bereich der "journalistischen Schlamperei" zuzuordnen ist oder dem Verständnis von "Qualitäts-Journalismus" entspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Friedhelm Klinkhammer
Rundfunkrat des NDR
Frau Vorsitzende
Dagmar Pohl-Laukamp
Programmbeschwerde
Sehr verehrte Frau Vorsitzende,
am 25.2.2015 war auf der Tagesschauseite neben der Head-Line "Putin wirft Kiew Völkermord vor" im vorletzten Absatz zu lesen:
"Der unter deutscher und französischer Vermittlung vereinbarte Waffenstillstand gilt eigentlich seit dem 15. Februar. Die Separatisten hatten diesen in den ersten Tagen gebrochen.."
Diese Meldung ist einseitig und irreführend, genauso irreführend wie die gewählte Überschrift des Beitrages. Wenn man des Lesens kundig ist, sieht man sofort, dass Putin eine anderslautende Formulierung benutzte, er hatte keinen Völkermordsvorwurf erhoben, sondern lediglich gesagt, dass das Vorgehen Kiews nach "Völkermord riecht". Das ist eine andere und m.E. eine durchaus nachvollziebare Formulierung, wenn man bedenkt, wie Kiew mit der eigenen Bevölkerung im Osten des eigenen Landes umspringt: Gnadenloser Beschuss von Wohnhäusern, der Raub der Renten, der bewusste Ausschluss der Bevölkerung von lebensnotwendigen Versorgungsgütern.
Zum zweiten Punkt:
Im vorletzten Absatz hätte es korrekt heißen müssen: "Die Seperatisten und die Kiewer Regierung haben beide trotz der vereinbarten Waffenruhe in den ersten Tagen weitergekämpft" ( "Bruch" ist eine falsche Wortwahl, weil eine Waffenruhe nach Minsk II zunächst nicht hergestellt werden konnte und es deshalb auch nichts zu brechen gab)
Das Problem des Kessels in Debalzewo war den Teilnehmern bei den Verhandlungen zu Minsk II bekannt, aber insbesondere die Hollande-Merkel-Fraktion ließ die Problematik in der Schwebe. Putin meinte in seinem Statement nach Abschluß der Verhandlungen sinngemäß: “Wir gehen davon aus, dass die eingekesselten ukrainischen Militärs ihre Waffen niederlegen und den Widerstand einstellen. Der ukrainische Präsident ist der Meinung, dass es gar keinen Kessel gibt. Das werden dann unsere Militärexperten gemeinsam klären.”. Trotz realitätsfernen Behauptung Poroschenkos vom Nichtbestehen eines Kessels wissen wir heute, dass in der Kesselschlacht von Debalzewo der überwiegende Teil der ukrainischen Soldaten militärisch zerrieben und getötet wurde. Da der ukrainische Präsident und seine Militärs sich zunächst trotz Minsk II und des Putin-Hinweises weigerten, die eingekesselten Soldaten abziehen zu lassen, ging das tödliche Gemetzel weiter, auf beiden Seiten. Nun davon zu reden, die Seperatisten hätten die vereinbarte Waffenruhe verletzt, kann deshalb so nicht richtig sein, zumal auch die ukrainischen Soldaten - wie es in Kriegen üblich ist - versuchten, mit militärischen Mitteln (und keineswegs mit Knallfröschen!) der Einkesselung zu entkommen.
Vor diesem Hintergrund ist unbestritten, dass nicht die Rebellen, sondern beide Seiten gegen Minsk II verstießen. Erst als ein Kommandeur der ukrainischen Armee auf eigene Faust den Befehl zum Rückzug der Soldaten gab, wurden die Kämpfe beendet. Dieser Ablauf der Ereignisse macht es völlig unverständlich, weshalb die "Tagesschau" die Nichteinhaltung der Waffenruhe noch immer allein den Seperatisten in die Schuhe schiebt. Hätte Poroschenko bei den Minsk II-Verhandlungen nicht (wie so oft, mit propagandistischer Unterstützung westlicher Medien!) die Situation schöngeredet und einem Abzug aus dem Kessel sofort zugestimmt, hätte auch kein Hindernis für eine sofortige Waffenruhe bestanden.
Worauf die ungenügende Darstellung in der "Tagesschau" zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beurteilen: Entweder ist es ein vorsätzlicher Verstoß gegen die in den Programm-Richtlinien festgelegten Grundsätze oder eine journalistische Schlamperei.
Auf jeden Fall ist auch diese TS-Information geeignet, die verantwortungslose Kriegstreiberei in Politik und Medien zu verstärken, anstatt im Sinne der im Staatsvertag statuierten Friedenspflicht mit deeskalierender Wirkung korrekt zu berichten.
Unsäglich und zum Fremdschämen ist m.E. der Kommentar des HR-Fernseh-Chefs Theisen. Er soll hier wegen seiner unterirdischen journalistischen Qualität nicht kommentiert werden.
Eine Zierde für den öffentlich-rechtliche Rundfunk und für die "Tagesthemen" ist er jedenfalls nicht.
Ich bitte Sie zu prüfen, ob der Beitrag vom 25.2.2015 eine Staatsvertragsverletzung enthält, dem Bereich der "journalistischen Schlamperei" zuzuordnen ist oder dem Verständnis von "Qualitäts-Journalismus" entspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Friedhelm Klinkhammer