ZDF Frontal21 Sondersendung vom 17.3.2015 "Was wirklich hinter der Ukrainekrise steckt"
Verfasst: 18. März 2015, 09:36
Ich zitiere hier aus meiner Email an die Redaktion nach der Sendung:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Macher der heutigen Sendung “Neuer kalter Krieg?”,
auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass so eine einzelne Wortmeldung, wie meine Email hier, rein gar nichts bewirken wird, muss ich Ihnen wenigstens meine Meinung sagen, um mich nicht dem Gefühl der Ohnmacht zu ergeben.
Noch eine Vorbemerkung:
Kritische Meinungen zu journalistischen Arbeiten, wie der Ihren, geraten leider heutzutage leicht in den Verdacht, russische Propaganda zu sein oder wenigstens von unbedarften, indoktrinierten Nachbetern solcher Propaganda geäußert zu werden.
… Ich bin Jahrgang 57… (aufgewachsen in der DDR) Ich bin weder ein Verschwörungstheoretiker noch ein ewig gestriger Politbürokrat. Ich habe mir sowohl vor dem Mauerfall, als auch nach diesem eine offen-neugierige, kritische, vorurteilsfreie Sicht auf die Wirklichkeit bewahrt. Ich kenne die Anforderungen an wissenschaftliche Arbeit – die ohne Präzision und Vorurteilsfreiheit unmöglich ist – genau so gut, wie die Medienarbeit – insbesondere letztere unter den Bedingungen einer sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnenden Einheitspartei. Ich brauche keine Russische Propaganda und bin auch keinesfalls anfällig dafür.
Auf der Website der Sendung formulieren Sie den Anspruch, den Sie sich mit dieser Sendung stellen wollen: “Was steckt hinter der Ukraine-Krise – fern von Propaganda, Säbelrasseln und kriegerischen Handlungen? Welche Vorgeschichte hat der Konflikt und welche Akteure wirken hinter den Kulissen mit?”
Leider scheitern Sie dabei; leider werden Sie diesem eigenen Anspruch nicht gerecht.
Ich habe mich auf Ihre Sendung wirklich gefreut, habe mit Spannung den Beginn erwartet und so sehr gehofft, dass endlich einmal eine Dokumentation mit Fakten arbeiten würde, nur behaupten würde, was sie auch belegen kann, mit persönlichen Wertungen sehr zurückhaltend agieren und wenn, diese dann als solche kennzeichnen würde und die vor allem einmal die naheliegenden Fragen formulieren würde, wissend, dass sie nicht alle im Rahmen von 45 Minuten würden beantwortet werden können.
Ihre Sendung hat bedauerlicher Weise davon kaum etwas eingelöst. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich enttäuscht bin von der inhaltlichen, journalistischen Nicht-Qualität dieser Sendung.
Es tut mir leid Ihnen sagen zu müssen: Über weite Strecken wirkte Ihr Beitrag so platt und seine wahre Absicht kaum verbergend wie ein billigster NATO Propagandafilm und leider nicht weniger schlimm, als eine der schlimmen ehemaligen Machwerke von Karl-Eduard von Schnitzler. Mir ist bewusst, dass sie das vielleicht als persönliche Beleidigung empfinden – mir liegt aber nichts ferner, als sie zu beleidigen. Ich muss Sie nur heftigst kritisieren! Ich kann ihnen akribisch an Hand Ihrer Sendung nachweisen, wo und wann sie behaupten, ohne den Beleg dafür zu liefern, wo sie nur noch eine einseitige Sicht wiedergeben, wo sie Ihre Interviews mit zumindest hinterfragenswerten Aussagen stehen lassen, als würden da allgemein anerkannte und bewiesene Wahrheiten verkündet. Der ganze Film ist voll davon.
Aber abgesehen von diesem Mangel an Objektivität und Sachlichkeit in Ihrem Film, kritisiere ich zwei zentrale Dinge am heftigsten: 1. Ob Sie das nun mit Absicht und Bedacht tun oder ungewollt – Sie propagieren in der überwiegenden Laufzeit der Doku Aspekte für eine militärische Lösung der Krise. Dabei meine ich mit “militärischer Lösung” nicht allein militärische Kämpfe in der Ostukraine, sondern auch die Hinwendung der NATO zu neuer Abschreckung als eine der Antworten auf diese Krise. Sie lassen entsprechende Aussagen Ihrer Gesprächspartner umkommentiert stehen und erwecken den Eindruck, als wären z. B. Waffenlieferungen an die Ukraine DAS Gebot der Stunde oder als wäre eine neue militärische Aufrüstung der NATO insbesondere im Osten die einzige Alternative, um Frieden und Freiheit auf dem Kontinent zu sichern. Sie persönlich mögen das ja glauben, aber darf ein Beitrag, der sich ankündigt als DIE objektive Analyse des gegenwärtigen Ukrainekonflikts, so etwas einfach behaupten, ohne es zu belegen?
Und 2. sie blenden in ihrer ganzen Dokumentation die ebenfalls hinterfragenswerte Rolle der USA in dieser ganzen Krise und ihrer Vorgeschichte völlig aus. Sie verschweigen, dass die USA – aus ihrer Sicht durchaus legitim – sehr starke Interessen in diesem Konflikt haben, die sie mit vielen offenen und verdeckten Mitteln durchzusetzen versuchen. Ich hatte ja gar nicht erwartet, dass Sie die USA in diesem Zusammenhang bloß stellen und kritisieren. Aber auszublenden, DASS es diese Interessen gibt, und dass diese Interessen nicht deckungsgleich mit Europäischen und auch nicht mit Ukrainischen Interessen sind, ist m. E. nicht akzeptabel und ein zweiter Hauptvorwurf, den ich Ihnen mache.
Da ich weiß, dass einer der Autoren in der DDR aufgewachsen und dort schon im DDR-Fernsehen seine ersten journalistischen Schritte gegangen ist, möchte zum Abschluss besonders ihm noch sagen, mit welchen Gefühlen und Gedanken ich die derzeitige Situation u. a. in den Medien erlebe. Vielleicht wird wenigstens er mich etwas verstehen…
In den letzten zwei Jahren vor dem Mauerfall hatte ich das zunehmende Gefühl, dass die Herrschenden in der SED (und ihre Medien) die Realität und Fakten nicht mehr richtig interpretieren und deshalb einen Fehler nach dem anderen machten. Ein Gefühl zu dem sich immer mehr die Angst vor den Folgen dieser Fehler gesellte. Immerhin war noch Anfang Oktober 1989 völlig offen, ob sie nicht eine gewaltsame Lösung der innenpolitischen Krise wählen würden. Dazu das Gefühl von Ohnmacht, sehenden Auges in diese Lage zu schlittern, ohne als Einzelner tatsächlich etwas dagegen ausrichten zu können.
Jetzt – 2015 – treiben mich sehr ähnliche Gedanken und Gefühle um. Es ist jetzt nur noch schlimmer – die Ohnmachtsgefühle sind heftiger. Denn jetzt kann ich zwar alles sagen und schreiben. Aber es geht im Rauschen der allgemeinen Freiheit unter; es hört keiner. Sie haben einen Sendeplatz in exponierter Stellung – vor dem Heute Journal. Und dann liefern Sie so eine Arbeit ab?
Mit allem Respekt – Ihr Film hat leider meine Befürchtungen weiter genährt…
Schlafwandlerisch tappen wir hier im Westen in die nächste große Katastrophe und Sie haben dabei keine Aufklärung geleistet.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Schmidt
Bonn”
"Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Macher der heutigen Sendung “Neuer kalter Krieg?”,
auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass so eine einzelne Wortmeldung, wie meine Email hier, rein gar nichts bewirken wird, muss ich Ihnen wenigstens meine Meinung sagen, um mich nicht dem Gefühl der Ohnmacht zu ergeben.
Noch eine Vorbemerkung:
Kritische Meinungen zu journalistischen Arbeiten, wie der Ihren, geraten leider heutzutage leicht in den Verdacht, russische Propaganda zu sein oder wenigstens von unbedarften, indoktrinierten Nachbetern solcher Propaganda geäußert zu werden.
… Ich bin Jahrgang 57… (aufgewachsen in der DDR) Ich bin weder ein Verschwörungstheoretiker noch ein ewig gestriger Politbürokrat. Ich habe mir sowohl vor dem Mauerfall, als auch nach diesem eine offen-neugierige, kritische, vorurteilsfreie Sicht auf die Wirklichkeit bewahrt. Ich kenne die Anforderungen an wissenschaftliche Arbeit – die ohne Präzision und Vorurteilsfreiheit unmöglich ist – genau so gut, wie die Medienarbeit – insbesondere letztere unter den Bedingungen einer sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnenden Einheitspartei. Ich brauche keine Russische Propaganda und bin auch keinesfalls anfällig dafür.
Auf der Website der Sendung formulieren Sie den Anspruch, den Sie sich mit dieser Sendung stellen wollen: “Was steckt hinter der Ukraine-Krise – fern von Propaganda, Säbelrasseln und kriegerischen Handlungen? Welche Vorgeschichte hat der Konflikt und welche Akteure wirken hinter den Kulissen mit?”
Leider scheitern Sie dabei; leider werden Sie diesem eigenen Anspruch nicht gerecht.
Ich habe mich auf Ihre Sendung wirklich gefreut, habe mit Spannung den Beginn erwartet und so sehr gehofft, dass endlich einmal eine Dokumentation mit Fakten arbeiten würde, nur behaupten würde, was sie auch belegen kann, mit persönlichen Wertungen sehr zurückhaltend agieren und wenn, diese dann als solche kennzeichnen würde und die vor allem einmal die naheliegenden Fragen formulieren würde, wissend, dass sie nicht alle im Rahmen von 45 Minuten würden beantwortet werden können.
Ihre Sendung hat bedauerlicher Weise davon kaum etwas eingelöst. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich enttäuscht bin von der inhaltlichen, journalistischen Nicht-Qualität dieser Sendung.
Es tut mir leid Ihnen sagen zu müssen: Über weite Strecken wirkte Ihr Beitrag so platt und seine wahre Absicht kaum verbergend wie ein billigster NATO Propagandafilm und leider nicht weniger schlimm, als eine der schlimmen ehemaligen Machwerke von Karl-Eduard von Schnitzler. Mir ist bewusst, dass sie das vielleicht als persönliche Beleidigung empfinden – mir liegt aber nichts ferner, als sie zu beleidigen. Ich muss Sie nur heftigst kritisieren! Ich kann ihnen akribisch an Hand Ihrer Sendung nachweisen, wo und wann sie behaupten, ohne den Beleg dafür zu liefern, wo sie nur noch eine einseitige Sicht wiedergeben, wo sie Ihre Interviews mit zumindest hinterfragenswerten Aussagen stehen lassen, als würden da allgemein anerkannte und bewiesene Wahrheiten verkündet. Der ganze Film ist voll davon.
Aber abgesehen von diesem Mangel an Objektivität und Sachlichkeit in Ihrem Film, kritisiere ich zwei zentrale Dinge am heftigsten: 1. Ob Sie das nun mit Absicht und Bedacht tun oder ungewollt – Sie propagieren in der überwiegenden Laufzeit der Doku Aspekte für eine militärische Lösung der Krise. Dabei meine ich mit “militärischer Lösung” nicht allein militärische Kämpfe in der Ostukraine, sondern auch die Hinwendung der NATO zu neuer Abschreckung als eine der Antworten auf diese Krise. Sie lassen entsprechende Aussagen Ihrer Gesprächspartner umkommentiert stehen und erwecken den Eindruck, als wären z. B. Waffenlieferungen an die Ukraine DAS Gebot der Stunde oder als wäre eine neue militärische Aufrüstung der NATO insbesondere im Osten die einzige Alternative, um Frieden und Freiheit auf dem Kontinent zu sichern. Sie persönlich mögen das ja glauben, aber darf ein Beitrag, der sich ankündigt als DIE objektive Analyse des gegenwärtigen Ukrainekonflikts, so etwas einfach behaupten, ohne es zu belegen?
Und 2. sie blenden in ihrer ganzen Dokumentation die ebenfalls hinterfragenswerte Rolle der USA in dieser ganzen Krise und ihrer Vorgeschichte völlig aus. Sie verschweigen, dass die USA – aus ihrer Sicht durchaus legitim – sehr starke Interessen in diesem Konflikt haben, die sie mit vielen offenen und verdeckten Mitteln durchzusetzen versuchen. Ich hatte ja gar nicht erwartet, dass Sie die USA in diesem Zusammenhang bloß stellen und kritisieren. Aber auszublenden, DASS es diese Interessen gibt, und dass diese Interessen nicht deckungsgleich mit Europäischen und auch nicht mit Ukrainischen Interessen sind, ist m. E. nicht akzeptabel und ein zweiter Hauptvorwurf, den ich Ihnen mache.
Da ich weiß, dass einer der Autoren in der DDR aufgewachsen und dort schon im DDR-Fernsehen seine ersten journalistischen Schritte gegangen ist, möchte zum Abschluss besonders ihm noch sagen, mit welchen Gefühlen und Gedanken ich die derzeitige Situation u. a. in den Medien erlebe. Vielleicht wird wenigstens er mich etwas verstehen…
In den letzten zwei Jahren vor dem Mauerfall hatte ich das zunehmende Gefühl, dass die Herrschenden in der SED (und ihre Medien) die Realität und Fakten nicht mehr richtig interpretieren und deshalb einen Fehler nach dem anderen machten. Ein Gefühl zu dem sich immer mehr die Angst vor den Folgen dieser Fehler gesellte. Immerhin war noch Anfang Oktober 1989 völlig offen, ob sie nicht eine gewaltsame Lösung der innenpolitischen Krise wählen würden. Dazu das Gefühl von Ohnmacht, sehenden Auges in diese Lage zu schlittern, ohne als Einzelner tatsächlich etwas dagegen ausrichten zu können.
Jetzt – 2015 – treiben mich sehr ähnliche Gedanken und Gefühle um. Es ist jetzt nur noch schlimmer – die Ohnmachtsgefühle sind heftiger. Denn jetzt kann ich zwar alles sagen und schreiben. Aber es geht im Rauschen der allgemeinen Freiheit unter; es hört keiner. Sie haben einen Sendeplatz in exponierter Stellung – vor dem Heute Journal. Und dann liefern Sie so eine Arbeit ab?
Mit allem Respekt – Ihr Film hat leider meine Befürchtungen weiter genährt…
Schlafwandlerisch tappen wir hier im Westen in die nächste große Katastrophe und Sie haben dabei keine Aufklärung geleistet.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Schmidt
Bonn”