NDR- Jauch und der Mord an Nemzow
Verfasst: 2. April 2015, 13:29
Herrn
Lutz Marmor - NDR Intendant
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Hamburg, 11.März 2015
Sehr geehrter Herr Marmor,
die „Jauch"-Sendung vom 8. März 2015, die wie alle Jauch-Sendungen unter Verantwortung des NDR produziert, kann man so nicht stehen lassen, was da am Sonntag Abend aus dem Gasometer in Berlin gesendet wurde.
1. In einem Einspieler werden "Zehn Morde - Zehn Todesfälle" mit Bildern der Opfer präsentiert, die quasi der russischen Führung angehängt werden, nur weil sie als Oppositionelle galten: "Erschossen, Erschössen, Erschossen...." Zwar wird eingeräumt (um sich einen weißen Fuß zu holen), daß Putin die Morde nicht persönlich angeordnet haben muß, dennoch sei er verantwortlich, aus welchen Gründen auch immer. Diese haltlose - durch nichts belegte - Diskriminierung der Gegenseite gipfelte in Jauchs Bemerkung, daß ja keine Freunde Putins zu den Opfern zähle.
Platzeck hat hier zu Recht angemerkt, daß diese Art Darstellung unvertretbar, d.h. zu suggestiv und schlicht sei, insbesondere auch, weil es an einer Differenzierung der Tatmotive fehle.
Dieser Auffassung ist rückhaltlos zuzustimmen: Es ist mit den Grundsätzen eines fairen Journalismus nicht vereinbar, Vermutungen und Spekulationen zu verbreiten, die so oberflächlich, undifferenziert und propagandaähnlich zusammengeschustert sind.
2. Jauch: "Dank an Garri Kasparov! Was er als Letztes gesagt hat, Herr Platzeck, das kommt ja sehr oft, die Hoffnung auf Destabilisierung Russlands: der Rubel soll runtergehen, das Öl soll möglichst billig werden, dann würde Russland im Innern erschüttert werden, dann würde Putin auch im Innern den Rückhalt verlieren und dann würde - in Anführungsstrichen - alles wieder gut.... Kann das so hinhauen?
Mit dieser Anmerkung stellt Günter Jauch distanzlos klar, um was es dem Westen in Rußland tatsächlich geht: um eine wirtschaftliche und politische Destabilisierung des Landes, vermutlich um - wie zu Jelzins Zeiten - Rußland leichter beeinflussen und plündern zu können.
Jauch hätte sich mindestens einschränkend mit dieser Zielsetzung befassen müssen, denn hier geht es um das Zufügen von Leid und Unglück gegen ein 200 Millionen-Volk. Er erweckt den Eindruck, als sei die Destablisierung Rußlands ein völlig legitimes Mittel des Westens.
Nach meiner Auffassung widerspricht dies dem Gebot der Unabhängigkeit und Sachlichkeit.
Die Regelung des Staatsvertrages: "Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein."
3.Unsachlich und falsch ist auch der Hinweis: "Das ist Boris Nemzow: ein Familienmensch! Vier Kinder hat er - von drei Frauen." Daß er als verheirateter Mann nachts in Moskau mit einem Model unterwegs war, das jünger ist, als seine eigeneTochter, spricht aus meiner Sicht gegen den beschönigenden Versuch, ihn als "Familienmensch" zu porträtieren. "Sugarboy" käme einer korrekteren Charakterisierung näher.
4. Jauch hatte seinen Gast und Kreml-Gegner Koch in der Sendung zu den Korruptionsvorwürfen gegen dessen Person befragt. Allerdings hatte er nicht nachgehakt, offenkundig fehlten ihm Belege für seine Vorwürfe. So blieb an Koch der Verdacht der Korruption hängen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß damit der Tatbestand einer Verleumdung erfüllt ist, mindestens jedoch der Verstoß gegen die Grundsätze fairen Journalismus.
Dies sind einige Punkte der Sendung, die gravierende journalistische Mängel aufweisen. Insgesamt handelt es sich aber - wie bei vielen anderen Sendungen auch - um eine typische Propaganda-Sendung, soweit man sie an den 10 Propaganda-Kriterien misst, die der Engländer Arthur Ponsonby vor nahezu hundert Jahren entwickelt hat.
Zu Ihrer Information und eigenen Überprüfung:
Die 10 Regeln der Kriegspropaganda
1. Wir wollen den Krieg nicht („Wir tragen nur Verantwortung und liefern Waffen")
2. Das gegnerische Lager trägt die alleinige Verantwortung („Rußland ist diktatorisch und autoritär")
3. Der Führer des Gegners hat dämonische Züge („Putin")
4. Wir kämpfen für eine gute Sache „Demokratie und Destabilisierung"
5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen („Mit böser Propaganda und Separatisten")
6 Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, bei uns handelt es sich um Versehen („Morde an Oppositionellen,
Ukrainer, Maidanern", wir sind nicht grausam)
7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm („Die Sanktionen sind für die Russen empfindlich, für uns nicht")
8. Angesehene Persönlichkeiten, Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache („Ina Ruck,
Kasparow, Jauch, Golineh Atai, Poroschenko, Obama, Tom Buhrow und Angela Merkel")
9. Unsere Mission ist heilig („Wir wollen überall Demokratie, Einfluß, Verantwortung")
10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, steht auf der Seite des Gegners („Putinversteher")
Mit freundlichen Grüßen
xxxxxxxxx
Lutz Marmor - NDR Intendant
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Hamburg, 11.März 2015
Sehr geehrter Herr Marmor,
die „Jauch"-Sendung vom 8. März 2015, die wie alle Jauch-Sendungen unter Verantwortung des NDR produziert, kann man so nicht stehen lassen, was da am Sonntag Abend aus dem Gasometer in Berlin gesendet wurde.
1. In einem Einspieler werden "Zehn Morde - Zehn Todesfälle" mit Bildern der Opfer präsentiert, die quasi der russischen Führung angehängt werden, nur weil sie als Oppositionelle galten: "Erschossen, Erschössen, Erschossen...." Zwar wird eingeräumt (um sich einen weißen Fuß zu holen), daß Putin die Morde nicht persönlich angeordnet haben muß, dennoch sei er verantwortlich, aus welchen Gründen auch immer. Diese haltlose - durch nichts belegte - Diskriminierung der Gegenseite gipfelte in Jauchs Bemerkung, daß ja keine Freunde Putins zu den Opfern zähle.
Platzeck hat hier zu Recht angemerkt, daß diese Art Darstellung unvertretbar, d.h. zu suggestiv und schlicht sei, insbesondere auch, weil es an einer Differenzierung der Tatmotive fehle.
Dieser Auffassung ist rückhaltlos zuzustimmen: Es ist mit den Grundsätzen eines fairen Journalismus nicht vereinbar, Vermutungen und Spekulationen zu verbreiten, die so oberflächlich, undifferenziert und propagandaähnlich zusammengeschustert sind.
2. Jauch: "Dank an Garri Kasparov! Was er als Letztes gesagt hat, Herr Platzeck, das kommt ja sehr oft, die Hoffnung auf Destabilisierung Russlands: der Rubel soll runtergehen, das Öl soll möglichst billig werden, dann würde Russland im Innern erschüttert werden, dann würde Putin auch im Innern den Rückhalt verlieren und dann würde - in Anführungsstrichen - alles wieder gut.... Kann das so hinhauen?
Mit dieser Anmerkung stellt Günter Jauch distanzlos klar, um was es dem Westen in Rußland tatsächlich geht: um eine wirtschaftliche und politische Destabilisierung des Landes, vermutlich um - wie zu Jelzins Zeiten - Rußland leichter beeinflussen und plündern zu können.
Jauch hätte sich mindestens einschränkend mit dieser Zielsetzung befassen müssen, denn hier geht es um das Zufügen von Leid und Unglück gegen ein 200 Millionen-Volk. Er erweckt den Eindruck, als sei die Destablisierung Rußlands ein völlig legitimes Mittel des Westens.
Nach meiner Auffassung widerspricht dies dem Gebot der Unabhängigkeit und Sachlichkeit.
Die Regelung des Staatsvertrages: "Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein."
3.Unsachlich und falsch ist auch der Hinweis: "Das ist Boris Nemzow: ein Familienmensch! Vier Kinder hat er - von drei Frauen." Daß er als verheirateter Mann nachts in Moskau mit einem Model unterwegs war, das jünger ist, als seine eigeneTochter, spricht aus meiner Sicht gegen den beschönigenden Versuch, ihn als "Familienmensch" zu porträtieren. "Sugarboy" käme einer korrekteren Charakterisierung näher.
4. Jauch hatte seinen Gast und Kreml-Gegner Koch in der Sendung zu den Korruptionsvorwürfen gegen dessen Person befragt. Allerdings hatte er nicht nachgehakt, offenkundig fehlten ihm Belege für seine Vorwürfe. So blieb an Koch der Verdacht der Korruption hängen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß damit der Tatbestand einer Verleumdung erfüllt ist, mindestens jedoch der Verstoß gegen die Grundsätze fairen Journalismus.
Dies sind einige Punkte der Sendung, die gravierende journalistische Mängel aufweisen. Insgesamt handelt es sich aber - wie bei vielen anderen Sendungen auch - um eine typische Propaganda-Sendung, soweit man sie an den 10 Propaganda-Kriterien misst, die der Engländer Arthur Ponsonby vor nahezu hundert Jahren entwickelt hat.
Zu Ihrer Information und eigenen Überprüfung:
Die 10 Regeln der Kriegspropaganda
1. Wir wollen den Krieg nicht („Wir tragen nur Verantwortung und liefern Waffen")
2. Das gegnerische Lager trägt die alleinige Verantwortung („Rußland ist diktatorisch und autoritär")
3. Der Führer des Gegners hat dämonische Züge („Putin")
4. Wir kämpfen für eine gute Sache „Demokratie und Destabilisierung"
5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen („Mit böser Propaganda und Separatisten")
6 Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, bei uns handelt es sich um Versehen („Morde an Oppositionellen,
Ukrainer, Maidanern", wir sind nicht grausam)
7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm („Die Sanktionen sind für die Russen empfindlich, für uns nicht")
8. Angesehene Persönlichkeiten, Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache („Ina Ruck,
Kasparow, Jauch, Golineh Atai, Poroschenko, Obama, Tom Buhrow und Angela Merkel")
9. Unsere Mission ist heilig („Wir wollen überall Demokratie, Einfluß, Verantwortung")
10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, steht auf der Seite des Gegners („Putinversteher")
Mit freundlichen Grüßen
xxxxxxxxx