Archiv - Ständige Publikumskonferenz der öff.-rechtl. Medien

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit lege ich Beschwerde ein gegen Ihre Berichterstattung zum Thema MH17 in den Nachrichten Ihres Radioprogramms MDR Info am 17.07.2015.

Sie haben berichtet, dass das Flugzeug "...wahrscheinlich von prorussischen Separatisten..." abgeschossen wurde.

Wenn Sie Wahrscheinlichkeit von der statistischen Häufigkeit der journalistischen Berichterstattung ableiten, wäre das noch nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit im mathematisch-statistischen Sinne, da die Datengrundlage falsch gewählt ist.

In dem Zusammenhang, in welchem Sie den Begriff Wahrscheinlichkeit verwenden, ist er einfach nur irreführend. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie beim Thema MH17 bewusst und gezielt Ihre Hörerschaft einseitig irreführen. Das mache ich am Kontext fest, in welchen Sie solche Berichte regelmäßig stellen. Es fehlt regelmäßig an ergänzenden Informationen unter anderem zu
- den Teilnehmern an der Untersuchung in den Niederlanden,
- der Geheimhaltungsvereinbarung zwischen diesen Teilnehmern,
- anderen Versionen zum möglichen Hergang des Unglücks,
- Ergebnissen von Zeugenbefragungen vor Ort,
- Gründen für die Geheimhaltung von Beweisen, welche angeblich den USA seit dem Tag des Absturzes vorliegen (laut Verkündungen von Außenminister John Jerry und anderen).

Die Welt hat bisher sehr viele unterschiedliche Theorien zum Hergang des Unglücks, und Sie nennen die eine Theorie, für die es immer noch keinen einzigen Beweis gibt, "wahrscheinlich".

Wie dürftig Ihre eigene Recherchetätigkeit ist, hatten Sie unter anderem vor einigen Wochen im Fall Ihrer Berichterstattung zu der Bloggergruppe "Bellingcat" gezeigt. In anderen "Qualitätsmedien" wurde bereits einen Tag nach dieser Berichterstattung erklärt, es handele sich um eine Falschmeldung. Aber Sie hielten es nicht für notwendig, Ihre Hörer zu informieren.

Ich fordere Sie auf, die Einseitigkeit Ihrer Berichterstattung zu korrigieren. Mit dieser Einseitigkeit verstoßen Sie gegen Ihren Auftrag, die Bürger umfassend zu informieren.

Ich sende eine Kopie dieser Beschwerde an den Verein Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien zur weiteren Verwendung.

Mit freundlichen Grüßen

XXXXXXX

Sehr geehrter Herr XXXXXX,

vielen Dank für Ihre Nachricht, auch wenn Sie darin sehr kritisch mit uns ins Gericht gehen. Ausgangspunkt und Anlass Ihrer Ausführungen ist eine Formulierung, die wir in unseren Nachrichtensendungen am 17.07.15 gebraucht haben sollen. Ich darf Sie zitieren:

Sie haben berichtet, dass das Flugzeug "...wahrscheinlich von prorussischen Separatisten..." abgeschossen wurde.

Da bei uns alles sehr detailliert archiviert wird, war es kein Problem, die thematisch in Frage kommenden Nachrichten dieses Tages nachzulesen. Es handelt sich dabei um genau eine Meldung, die mehrfach gesendet wurde. Ihr Wortlaut war:

Ein Jahr nach dem Abschuss von Flug MH17 über der Ost-Ukraine ist der Opfer gedacht worden. Die meisten der 298 Toten stammten aus den Niederlanden. Dort wehten die Fahnen auf Halbmast. Bei Utrecht versammelten sich rund 1.600 Angehörige und Freunde der Opfer zu einer Gedenkfeier. Auch in der Ost-Ukraine fand eine Gedenkfeier statt. Sie wurde von prorussischen Separatisten abgehalten, die vom Westen für den Abschuss verantwortlich gemacht werden. - Das Flugzeug der Malaysia Airlines war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgeschossen worden - wahrscheinlich von einer Boden-Luft-Rakete.

© MDR INFO

Wie Sie unschwer erkennen können, haben wir Ihre Formulierung nicht verwendet, sondern mit einer korrekten Quellenangabe gearbeitet:

Sie wurde von prorussischen Separatisten abgehalten, die vom Westen für den Abschuss verantwortlich gemacht werden.

Ich gehe davon aus, dass sich Ihr Anliegen damit im Kern erledigt hat.

Mit freundlichen Grüßen

Hörer-Redaktion
MDR INFO

Sehr geehrter Herr XXXXXX,

danke für Ihre Antwort. Nein, mein Anliegen hat sich mit Ihrer Antwort nicht "im Kern erledigt".

Mit Ihrer Antwort haben Sie die genaue Formulierung geklärt. Ich bitte um Nachsicht, ich höre Ihren Sender regelmäßig im Auto und kann die genaue Formulierung nicht sofort notieren.

Die tatsächlichen Formulierungen waren also

".... die vom Westen für den Abschuss verantwortlich gemacht werden....wahrscheinlich von einer Boden-Luft-Rakete".

Also nicht nur das Wort wahrscheinlich wurde verwendet , sondern auch das Wort verantwortlich. Die Wirkung Ihrer Formulierung erkennen Sie an dem, was ich in meiner vorhergehenden E-Mail wiedergegeben habe. Und diese Wirkung wird von Ihnen beabsichtigt.

Aber mir geht es weniger um Formulierungen, sondern "im Kern" um die unerträgliche Einseitigkeit Ihrer Berichterstattung und um die fehlende oder gezielt irreführende Kontextualisierung. In diesem Kernpunkt ist meine vorhergehende E-Mail nicht beantwortet.

Ich fordere Sie daher nochmals auf, die Einseitigkeit Ihrer Berichterstattung zu korrigieren. Z. B. indem Sie die in meiner vorhergehenden E-Mail genannten ergänzenden Informationen zum Kontext berücksichtigen. Und indem Sie eine Richtigstellung zu Ihrer Falschmeldung bezüglich "Bellingcat" senden.

Mit freundlichen Grüßen

XXXXXX