Rede von Professor Jeffrey D. Sachs vor dem EU-Parlament

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Maren
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Rede von Professor Jeffrey D. Sachs vor dem EU-Parlament

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Übersetzung der Rede von Professor Jeffrey D. Sachs "Die Geopolitik des Friedens" vor dem Europäischen Parlament vom 19. Februar 2025.

Einleitung

Michael, vielen Dank, und vielen Dank an Sie alle für die Gelegenheit, zusammen zu sein und gemeinsam nachzudenken. Dies ist in der Tat eine komplizierte und sich schnell verändernde Zeit und eine sehr gefährliche.

Daher brauchen wir wirklich klare Gedanken. Ich bin besonders an unserem Gespräch interessiert, daher werde ich versuchen, mich so kurz und klar wie möglich auszudrücken. Ich habe die Ereignisse in Osteuropa, der ehemaligen Sowjetunion, Russland und der Ukraine in den letzten 36 Jahren sehr genau beobachtet.

Ich war 1989 Berater der polnischen Regierung, 1990 und 1991 Berater des Wirtschaftsteams von Präsident Gorbatschow, 1991 bis 1993 Berater des Wirtschaftsteams von Präsident Jelzin und 1993 bis 1994 Berater des Wirtschaftsteams von Präsident Kutschma in der Ukraine.

Ich half bei der Einführung der estnischen Währung. Ich habe mehreren Ländern im ehemaligen Jugoslawien geholfen, insbesondere Slowenien. Nach dem Maidan wurde ich von der neuen Regierung gebeten, nach Kiew zu kommen, und ich wurde über den Maidan geführt und habe viele Dinge aus erster Hand erfahren.

Weiterlesen: https://weltwoche.ch/daily/professor-jeffrey-d-sachs-der-krieg-in-der-ukraine-ist-vorbei-der-verlierer-der-durch-verhandlungen-gerettet-werden-wird-ist-die-ukraine-der-zweite-verlierer-ist-europa/
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Maren
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Re: Rede von Professor Jeffrey D. Sachs vor dem EU-Parlament

Beitrag von Maren »

NachDenkSeiten - Die Geopolitik des Friedens
Es ist ein aufrüttelndes Zeugnis des Zeitgeschehens und wichtiges Zeitdokument: Die Rede von Professor Jeffrey Sachs vor dem Europäischen Parlament am 19. Februar 2025. Der vorliegende Artikel ist das bearbeitete Transkript der Rede von Professor Jeffrey Sachs im Europäischen Parlament bei einer Veranstaltung mit dem Titel “The Geopolitics of Peace”, die vom ehemaligen stellvertretenden UN-Generalsekretär und derzeitigen BSW-
Europaabgeordneten Michael von der Schulenburg am 19. Februar 2025 ausgerichtet wurde. Das Transkript wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit bearbeitet und mit Fußnoten und Hyperlinks kommentiert. Die Übertragung ins Deutsche erfolgte von Klaus-Dieter Kolenda mit freundlicher Genehmigung von Sonia Sachs.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=129862&pdf=129862
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Maren
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Re: Rede von Professor Jeffrey D. Sachs vor dem EU-Parlament

Beitrag von Maren »

Interview mit Jeffrey Sachs (July 17, 2023) Links im Original

"Lassen Sie mich in zwei Minuten den Krieg in der Ukraine erklären: Es handelt sich nicht um einen Angriff Putins auf die Ukraine, wie es uns jeden Tag erzählt wird. Er begann 1990, am 9. Februar 1990. James Baker III, unser Außenminister, sagte zu Michail Gorbatschow: „Die NATO wird sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen, wenn Sie der deutschen Wiedervereinigung zustimmen und damit den Zweiten Weltkrieg beenden.“ Und Gorbatschow sagte, „das ist sehr wichtig, ja, die NATO bewegt sich nicht, und wir stimmen der deutschen Wiedervereinigung zu“. Die USA haben dann schon ab 1994 geschummelt als Clinton einen Plan unterschrieben hat, die NATO bis in die Ukraine zu erweitern. Zu diesem Zeitpunkt übernahmen die so genannten Neocons die Macht, und Clinton war der erste Vertreter dieser Politik. Und die Erweiterung begann 1999 mit Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik. Zu diesem Zeitpunkt war Russland nicht sonderlich interessiert, es gab keine direkte Grenze außer die von (der Enklave) Königsberg, aber abgesehen davon gab es keine direkte Bedrohung. Dann führten die USA 1999 die Bombardierung von Serbien an. Das war übrigens schlimm, weil die NATO eine europäische Hauptstadt, Belgrad, 78 Tage lang bombardiert hat, um das Land zu zerschlagen. Das gefiel Russland nicht besonders. Aber als Putin Präsident wurde haben sie es geschluckt, sie haben sich beschwert, aber selbst Putin war anfangs pro-europäisch, pro-amerikanisch, hat sogar gefragt, ob sie nicht der NATO beitreten sollten, als es noch die Idee von einer Art gegenseitiger respektvoller Beziehung gab.

Dann kam der 11. September, dann kam Afghanistan, und die Russen sagten, ja, wir unterstützen euch, wir verstehen, dass wir den Terror ausrotten wollen, aber dann kamen zwei weitere entscheidende Aktionen. Im Jahr 2002 traten die Vereinigten Staaten einseitig aus dem Vertrag über den Schutz vor ballistischen Raketen aus. Das war wahrscheinlich das entscheidendste Ereignis, über das in diesem Zusammenhang nie gesprochen wurde. Aber es hat dazu geführt, dass die USA Raketensysteme in Osteuropa installiert haben, die Russland als eine unmittelbare Bedrohung der nationalen Sicherheit ansieht, da sie einen Enthauptungsschlag mit Raketen ermöglichen, die nur wenige Minuten von Moskau entfernt sind. Und wir haben zwei Aegis-Raketensysteme installiert. Wir sagen, es sei zur Verteidigung, und Russland fragt, „woher wissen wir, dass es sich nicht um Tomahawk-Raketen mit Atomwaffen in euren Silos handelt? Ihr habt uns gesagt, dass wir damit nichts zu tun haben.“ Und so sind wir 2002 einseitig aus dem ABM-Vertrag ausgestiegen, und dann sind wir 2003 unter völlig falschen Vorwänden in den Irak einmarschiert, wie ich bereits erklärt habe. Im Jahr 2004, 2005 haben wir uns an einem sanften Regimewechsel in der Ukraine beteiligt, der so genannten Farbenrevolution. Sie brachte jemanden ins Amt, den ich kannte und mit dem ich befreundet war, nämlich Präsident Juschtschenko, denn ich war 1993, 94, 95 Berater der ukrainischen Regierung. Und dann hatten die USA ihre schmutzigen Hände im Spiel. Sie sollten sich nicht in die Wahlen anderer Länder einmischen, aber 2009 gewann Janukowitsch die Wahlen und wurde 2010 Präsident auf der Grundlage der Neutralität der Ukraine. Das beruhigte die Lage, denn die USA drängten sie in die NATO, aber die Menschen in der Ukraine wollten laut Meinungsumfragen nicht in der NATO sein. Sie wussten, dass das Land zwischen ethnischen Ukrainern und ethnischen Russen geteilt ist. Was wollen wir damit, wir wollen uns aus euren Problemen heraushalten.

Am 22. Februar 2014 beteiligten sich die Vereinigten Staaten also aktiv am Sturz von Janukowitsch. Eine typische Regimewechsel-Operation der USA. Daran besteht kein Zweifel. Und die Russen haben uns einen Gefallen getan, sie haben ein wirklich hässliches Telefonat zwischen Victoria Nuland, meiner Kollegin an der Columbia University, abgefangen, und wenn Sie ihren Namen kennen und wissen, was sie getan hat, haben Sie Mitleid mit mir, wirklich. Zwischen ihr und dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, der bis heute ein hoher Beamter des Außenministeriums ist. Und sie sprachen über Regimewechsel. Sie sagten, wer die nächste Regierung sein wird. Ah, warum wählen wir nicht diesen? Nein, Klitschko sollte es nicht sein, es sollte Jazenuk sein. Ah ja, es war Jazenuk, und wir werden den großen Kerl, Biden, dazu bringen, zu kommen und ihm auf die Schulter zu klopfen, sagten sie. Das ist großartig. Sie haben also die neue Regierung gebildet. Und kurz danach wurde ich zufällig eingeladen dorthin zu reisen, ohne etwas über diese Hintergründe zu wissen. Und dann wurde mir nach meiner Ankunft auf sehr hässliche Art und Weise erklärt, wie die USA daran beteiligt gewesen waren. Das heißt, die USA haben dann gesagt, okay, jetzt wird die NATO wirklich erweitert. Und Putin hat immer wieder gesagt: Stopp! Ihr habt versprochen: keine NATO-Erweiterung! Es waren übrigens, das habe ich vergessen zu erwähnen, im Jahr 2004 Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Slowakei, Slowenien, sieben weitere Länder, soviel zu „keinen Zentimeter nach Osten“. Und dann, okay, das ist eine lange Geschichte, aber die USA lehnten immer wieder die Grundidee ab, die NATO nicht an Russlands Grenze auszudehnen, wo wir ein verdammtes Raketensystem aufstellten. Nachdem wir den einen Vertrag gebrochen hatten, sind wir 2019 aus einem weiteren, dem Vertrag über Mittelstreckenraketen ausgestiegen. Im Jahr 2017 sind wir aus dem JCPOA, dem Vertrag mit dem Iran, ausgestiegen. Das ist Partnerschaft, das ist Aufbau von Vertrauen. Mit anderen Worten, das ist eine völlig rücksichtslose US-Außenpolitik. Am 15. Dezember 2021 legte Putin einen Entwurf für ein russisch-amerikanisches Sicherheitsabkommen auf den Tisch. Sie können ihn online finden. Die Grundlage des Abkommens lautet: keine NATO-Erweiterung. Ich habe das Weiße Haus in der darauf folgenden Woche angerufen und sie gebeten, die Verhandlungen aufzunehmen.

„Putin hat etwas angeboten, um diesen Krieg zu vermeiden.“ „Oh Jeff, es wird keinen Krieg geben.“ „Kündigen Sie an, dass die NATO nicht erweitert wird.“ „Oh, keine Sorge, die NATO wird nicht erweitert.“ Ich sagte: „Oh, ihr wollt einen Krieg wegen etwas führen, das nicht passieren wird? Warum geben Sie das nicht bekannt?“ Und er sagte: „Nein, nein, unsere Politik ist die der offenen Tür“. Das ist Jake Sullivan. Unsere Politik ist eine Politik der offenen Tür, offene Tür für die NATO-Erweiterung. Das fällt übrigens unter die Kategorie „Bullshit“. Sie haben nicht das Recht, Militärbasen zu errichten wo immer Sie wollen, und dann zu erwarten, dass in dieser Welt Frieden herrscht. Man muss ein wenig Umsicht walten lassen. Es gibt keine offene Tür. „Wir werden dort sein und wir stellen unsere Raketensysteme dort auf, und das ist unser Recht.“ Es gibt kein Recht, das zu tun. Wir haben 1823 erklärt, dass die Europäer nicht in die westliche Hemisphäre kommen. Das ist die Monroe-Doktrin. Immerhin die gesamte westliche Hemisphäre. Okay, jedenfalls lehnten sie die Verhandlungen ab. Dann begann die Spezielle Militäroperation, und fünf Tage später sagte Zelinsky „okay, okay, Neutralität“. Und dann sagten die Türken: „Wir werden das vermitteln. Und ich bin nach Ankara geflogen, um mit den türkischen Unterhändlern darüber zu sprechen, weil ich genau wissen wollte, was vor sich ging. Sie erzielten also eine Einigung mit ein paar Kleinigkeiten. Und dann sagten die Vereinigten Staaten und Großbritannien: „Auf keinen Fall, ihr kämpft weiter. Wir halten euch den Rücken frei“. Wir sind nicht an eurer Front, ihr werdet sterben. Wir stehen hinter ihnen, das heißt, wir haben sie immer wieder an die Front geschoben. Seit Boris Johnson nach Kiew geflogen ist, um ihnen zu sagen, dass sie tapfer sein müssen, sind bis heute 600.000 Ukrainer gestorben. Das ist absolut grauenhaft. Wenn Sie also über Ihre Frage nachdenken, müssen wir verstehen, dass wir es nicht mit einem verrückten Hitler zu tun haben, wie uns das täglich erzählt wird, der uns bedrängt und hier und dort Gewalt anwendet und Europa überfallen will. Das ist ein Schwindel, eine völlig falsche Geschichte, ein reines PR-Narrativ der US-Regierung. Und es glaubt niemand, der nur ein bisschen weiß. Aber wenn man versucht, auch nur ein Wort davon zu sagen, wird man komplett aus der New York Times gestrichen. Damals, im Jahr 2022, nachdem ich mein ganzes Leben lang Kolumnen für sie geschrieben hatte, sagen sie „oh, schicken Sie das mal.“ Und, nebenbei bemerkt, online ist der Platz begrenzt, obwohl es, wie Sie wissen, eigentlich keine Beschränkung gibt. Sie könnten 700 Wörter veröffentlichen. Seitdem würden sie keine 700 Wörter mehr von mir veröffentlichen, in denen ich beschreibe, was ich mit eigenen Augen sehe, worum es in diesem Krieg geht. Sie werden es nicht tun. Wir spielen hier ein Spiel. Also, Gott bewahre, dass eine Atommacht uns bedrängt. Ich weiß nicht, was dann passieren würde. Aber wir haben sie bedrängt. Und wir sollten aufhören, China und Taiwan zu bedrängen."

https://www.jeffsachs.org/newspaper-articles/history-of-war-in-ukraine
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