Fehlgriffe in ZDF-Teletext, ZDF Heute-Kurznachrichten und dem Heute Journal bei der Berichterstattung über Syrien

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Maren
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Fehlgriffe in ZDF-Teletext, ZDF Heute-Kurznachrichten und dem Heute Journal bei der Berichterstattung über Syrien

Beitrag von Maren »

Fehlgriffe in ZDF-Teletext, ZDF-Heute-Kurznachrichten und dem Heute Journal bei der Berichterstattung über Syrien im Monat März

Sehr geehrte Damen und Herren,

Für den Monat März musste ich feststellen, dass sich gewisse Trends zu ungenauer bis falscher Berichterstattung in und um Syrien herum in ihren Kurznachrichten, Teletext wie ZDFheute-Online, fortgesetzt haben, und auch in Ihrem Abendprogramm Heute Journal ein sehr fragwürdiger Bericht gesendet wurde.

Zu Beginn des Monats, am 1. März, zitierte ihre Redaktion denGeneralsekretär der North Atlantic Treaty Organization, Jens Stoltenberg, in der Teletext-Meldung: "Nato besorgt über Russlands Aufrüstung in Syrien" dahingehend, dass dieser "besorgt sei über Russlands Aufrüstung in Syrien".

Weiters wird von ihm zitiert, sinngemäß: "[Russland] fliege Angriffe, die hauptsächlich nicht die Terrormiliz [Islamischer Staat] zum Ziel hatten, sondern andere Oppositionsgruppen". Er habe desweiteren davon gesprochen, dass "keine Bodentruppen in Syrien" durch die NATO entsendet würden. Immerhin, muss man anmerken.

So der Wortlaut Stoltenbergs, den Sie zitieren. Was m.E. eher besorgniserregend ist als die Beschwörung von Ängsten aus dem Kalten Krieg, wofür Stoltenberg offensichtlich auch das syrische Kriegsgeschehen einspannt, ist dessen offenkundiges Schweigen über die Rolle, welche die Türkei, ein NATO-Mitglied, gespielt hat bei besagtem Kriegsgeschehen als logistische Basis und Knotenpunkt für Organisationen, die nicht bloß irreguläre Milizen sind, sondern objektivierbaren Fakten gemäß problemlos als Terrorgruppen zu bezeichnen sind.

Der "Islamische Staat" da selbst nutzte und nutzt nach wie vor die Türkei als Dreh- und Angelpunkt für seinen Nachschub an Personal und Rüstgütern sowie als Umschlagsplatz für dessen rentable Geschäfte, seien dies Menschenhandel, das Verscherbeln von fossilen Rohstoffen, die es dem syrischen und irakischen Staat raubt, Handel mit geplünderten archäologischen Gütern sowie andere Geschäftsbereiche auf dem Schwarzmarkt. Andere "Oppositions"-Gruppen finanzieren sich ebenso auf die Art und Weise, wie dies der "Islamische Staat" tut. Zu alldem findet der Herr Generalsekretär nicht ein öffentliches Wort, zumindest wird dies nach einer Suche nach entsprechender "Sorge", welche das Verhalten des NATO-Mitglieds Türkei im Mindesten bereiten muss, nicht ersichtlich.

Gleichfalls verbleibt in der Berichterstattung allgemein das Nachhaken danach, wen genau Stoltenberg denn als "Oppositionsgruppen" ansieht. Wohl nicht ganz beabsichtigt wird der "Islamische Staat" und besagte "Oppositionsgruppen" in der Kurznachricht vom 1. März, die Sie veröffentlichten, implizit einer Kategorie zugeordnet: Der "Opposition" gegen den syrischen Staat.

Wie ich oben darlegte, ist, angesichts der Charakteristika, welche die "anderen Oppositionsgruppen" aufweisen, das wohl eine durchaus ehrliche, vereinfachte Kategorisierung der Kriegsparteien, die in Syrien aktiv sind. Eine Vereinfachung, die unvermeidlich wird ob der fortgeführten Verschleierung im medialen Raum, Ihrer Berichterstattung bei ZDF Heute inklusive, wer denn in der nicht-IS-"Opposition" konkret vertreten ist. Um welche Gruppen es sich dabei handelt, welche Ziele sie verfolgen - geht man dem im Detail nach, wird schnell klar, dass sie sich allenfalls in Facetten von den Forderungen des "Islamischen Staats" unterscheiden: Etablierung eines islamischen Staats, der die "Identität des muslimischen Volkes" annimmt, Ablehnung jeglicher Säkularität, Ablehnung von Minderheitenschutz gemäß internationalen Normen, Ablehnung der Staatsform Demokratie überhaupt - vorgetragen auch in aller Öffentlichkeit u.a. bei der Konstituierung des sogenannten "Hohen Verhandlungskomitees" in Riad, Saudi-Arabien, im Dezember letzten Jahres.

Am 9. März dann zitiert Ihre Redaktion in der Kurznachricht "Hilfswerk: 250.000 Kinder in belagerten Gebieten in Syrien hungern" einen Bericht der in Großbritannien beheimateten Organisation "Save the Children". Dort heißt es, dass "ihr Leben" - das der Kinder - "von der beständigen Angst vor Luftangriffen bestimmt" sei. Dass derweil es zum bitteren Alltag vielerorts in Syrien gehört, dass gerade von Aufständischenseite Artilleriefeuer, von Mörsern über Raketen bis hin zu Haubitzen auf bewohnte Gebiete niedergeht, das blieb merkwürdigerweise in der Kurznachricht außen vor - offenbar war die Pointe wichtig, dass nur solche Kriegsparteien, die in Syrien über eine Luftwaffe verfügen, sich dies zu Schulden kommen lassen. Derweil machen die Aufständischen, darunter nicht nur die von der seit Ende Februar vereinbarten Waffenruhe explizit ausgeschlossene Jabhat al-Nusra keinen Hehl daraus, mit welcher Präzision sie an ihr Kriegshandwerk herangehen.

Wenn Ihre Redaktion so will, so kann sie unter dem Stichpunkt "Cehennem Topu", türkisch für "Höllenkanone" so einige Aufzeichnungen finden vom Abschießen dieser so bezeichneten, improvisierten Mörser, welche von Aufständischengruppen "turkmenischer" Couleur eingesetzt werden. Weniger zerstörerisch oder ungenau als die oftmals ins Spiel gebrachten "Fassbomben" werden diese Geschosse kaum sein.

In der Mitte des Monats, am 15.3. zitiert Ihre Redaktion dann den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama, in der Kurznachricht "Obama begrüßt Rückgang der Gewalt"- man könnte nun anmerken, dass das bemerkenswerteste bei dieser Nachricht ist, dass ein Herr Obama überhaupt ins Gespräch tritt mit seinem russischen Konterpart, den er oftmals als "globale Bedrohung" und "Regionalmachthaber" zugleich zu schelten suchte. Formuliert werden Herrn Obamas Aussagen wie folgt: "Obama habe jedoch auch deutlich gemacht, dass syrische Regimetruppen die Vereinbarung immer wieder unterliefen. Dadurch würden Friedensbemühungen immer wieder gefährdet."

Es ist nun nicht genauer ergründbar, wie genau der US-Präsident zu diesem Schluss gekommen ist. Offenbar scheint er zu ignorieren, dass gerade bei dem fragmentierten Aufstand vielerlei Gruppen gar die Waffenruhe von vornherein abgelehnt haben. So zusammengesetzt - besser: zersplittert - wie die Aufständischengruppen sind, ist derweil es vermessen zu suggerieren, dass diese bei der Nichteinhaltung der Waffenruhe nicht auch wesentlichen Anteil hätten. Zumal zum 15. März einem US-Präsidenten auch die Äußerungen des "politischen" Vertreters der Aufständischen hätte zu Ohren kommen
müssen: Mohammed Alloush, Stellvertreter der Jaish al-Islam, der "Armee des Islam", sowie Vorsitzender des in Saudi-Arabien ausgerufenen "Hohen Verhandlungskomitees" verlautete bloße Tage zuvor, dass "die Übergangsperiode", ein Bestandteil des Rahmens, in welchem die Friedensverhandlungen zwischen Opposition und syrischer Regierung stattfinden, "starten sollte mit dem Fall, oder Tod, von Bashar al-Assad".

Damit signalisiert auch dieser Charakter einer Gruppierung, die offen nicht nur zu ethnisch-religiösen Säuberungen aufruft, sondern diese auch durchführt, was er denn so von der Waffenruhe hält. Eingedenk dieses Hintergrunds und dieser Äußerung ist es Skandal genug, dass dieser Alloush nicht bereits durch seine in Saudi-Arabien zentrierten Gönner abgesetzt wurde. Seitens der syrischen Regierung forderte hingegen deren Botschafter bei den Vereinten Nationen, Bashar al-Jafaari lediglich, dass Alloush diese Wortwahl zurücknehmen und sich entschuldigen solle. Es ist also glasklar,
wer schon von der Einstellung her die "Friedensbemühungen immer wieder gefährdet".

Ich muss mich allerdings wundern, ob Ihre Redaktion dem unappetitlichen Charakter von Gruppierungen wie dieser Jaish al-Islam zum Trotz gar Sympathien für diese Aufständischengruppen hegt. Am 13.03. verbreiteten Sie über Teletext folgende Meldung: "Syrien: Rebellen schießen offenbar Kampfflugzeug ab". Im Text heißt es weiters, dass diese Information von der "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" weitergereicht wurde, derzufolge "islamistische Rebellen" dies getan hätten. Warum diese "Beobachtungsstelle" immer noch zitiert wird, bei der nach näherer Recherche schnell klar wird, dass es sich um eine in London ansäßige Organisation mit offiziell nur einem Mitglied handelt, dazu in Kürze mehr.

Derweil heißt es im letzten Absatz der Kurznachricht vom 13.03., dass "IS und andere Dschihadistengruppen" von der Waffenruhe ausgeschlossen seien. Die Meldung schließt mit dem Satz: "Bisher hält die Feuerpause, doch gibt es immer wieder Verletzungen, für die die syrischen Rebellen vor allem Damaskus verantwortlich machen."

Es wäre zu dem Zeitpunkt erfrischend gewesen, hätten Ihre Redaktion des Gebots der Unparteilichkeit wegen bei dieser Allgemeinfeststellung Abstand genommen von der alleinigen Übernahme von Beteuerungen nur einer der an der Waffenruhe teilnehmenden Parteien, dass nur deren Gegenseite sich Fehlverhaltens schuldig macht. Zumal nach nicht zu langer Recherche auch offensichtlich wird, was für einen propagandistischen Schabernack gerade auf Aufständischenseite mit diesem "Flugzeugabschuss" getrieben wird:

Es ist u.a. ein Video zu finden mit dem Logo der islamistischen Ahrar al-Sham, der "Freien Männer der Levante", die einerseits Aufnahmen im Extremzoom einer russischen SU-31/34-Maschine reinschneiden, dazwischen Pickups mit Maschinenkanonen in die Luft feuern lassen und letzten Endes suggerieren, man hätte ja so ein hochmodernes Flugzeug abgeschossen - ohne dabei den Moment des Abschusses direkt zu zeigen, dieser fehlt.

Mangels eigener Möglichkeit zu unabhängiger Recherche bleibt die Gegendarstellung der anderen Seite. Vonseiten der syrischen Luftwaffe verlautete, dass eine Mig-21, ein Flugzeug weit älteren Datums als eine SU-31/34 mit grundverschiedenem Chassis in der Gegend abgestürzt wäre und man von einem technischen Defekt bei der alten Maschine ausgehe, und dass mindestens ein Pilot sich per Fallschirmabsprung retten konnte.

Mit Ausgewogenheit zu formulieren, dass dieser "Abschuss" eine alles andere als klare Angelegenheit war, wäre im Rahmen einer Kurznachricht durchaus möglich gewesen, anstatt einseitig von eindeutig voreingenommener Stelle blindlings Meldungen zu übernehmen - wobei ohnehin zu fragen wäre, inwiefern der "Abschuss", oder Absturz eines Flugzeugs, zumal es wahrscheinlich sogar eher eines älteren Baudatums gewesen ist und daher nicht so sehr Feindeinwirkung als Materialschwäche als Absturzursache in Frage käme, überhaupt von Relevanz für den Zuschauer ist. Oder will Ihre Redaktion dazu übergehen, jeden einzelnen Panzerabschuss, so ihn die sogenannte "Beobachtungsstelle" meldet, mitzuteilen?

Derweil ist und bleibt die andere Schiene im syrischen Konflikt der Kampf gegen den Islamischen Staat. Ende des Monats März konnte die Arabische Armee Syriens, die Truppen der Regierung und nicht etwa eine "Armee des Islam" eines Alloush, welcher wohl rein ideologisch gesehen daran ohnehin kein Interesse hat, einen klaren Erfolg verbuchen im Kampf gegen diesen selbsternannten "Staat" und für den Erhalt von Kulturgütern der Gesamtgeschichte der Menschheit: Palmyra, oder auch Tadmor, "die Perle", konnte befreit werden, weniger als ein Jahr, nachdem der Islamische Staat hier einrücken konnte - dies, obgleich zu dem Zeitpunkt die US-geführte "Inherent Resolve" schon seit Monaten uneingeladen in syrischem Luftraum gegen selbigen Islamischen Staat operierte.

In der Heute Journal-Sendung vom 29. März wurde dieses Ereignis erneut aufgegriffen. Was eindeutig auffiel war die nicht zu leugnende Tendenz, welche bereits bei der Anmoderierung durch Christian Sievers begann: Dieser sprach davon, dass "man" den Ort in Verbindung bringen würde mit dessen Kulturdenkmälern aus dem Altertum - und mit dessen Foltergefängnis, und dass dies ein "Sieg für die Propaganda Assads" sei. Im folgenden Beitrag dazu von Herrn Komran Safiarian wird einerseits die Frage der Erfassung von Schäden, welche durch das bilderstürmerische Regiment des Islamischen Staats angefallen sind relativ neutral vorgetragen, mit pessimistischerem Unterton, als andernorts zu vernehmen war.

So verlautete auch aus UN-Kreisen, dass die Schäden weniger schlimm seien als erwartet. Im zweiten Teil des Beitrags wurde dann dies sinngemäß angeführt: "Viele Syrer finden Assad so schlimm wie IS." Um dies zu untermauern, wurde der Wortlaut von Bahan Eldeen Ayad, "Journalist und politischer Berater", wiedergegeben. Weder wurde erläutert, wer Herr Ayad genau ist, wem er "politische Beratung" gibt noch wo genau das Gespräch geführt wurde. Es ist überhaupt zu fragen, warum man zu der Frage, womit die Vertreibung des Islamischen Staats aus Palmyra verbunden wird, nicht direkt Stimmen von Syrern in Syrien selbst, gar solchen, die in der Stadt selbst verharrt sind wiedergibt. Es mag sein, dass Ihrer Redaktion hierzu keine Meldungen vorlagen geschweige denn Sie selbst in der Lage gewesen sind, selber solche Fragen direkt im Lande zu stellen.

Inwiefern ein obskurer, offensichtlich einer bestimmten Agenda verschriebener Journalist im syrischen Ausland hier repräsentativ sein soll, um die allgemeine Verbindung Palmyras bei Syrern mit dessen "Foltergefängnis" zu belegen, bleibt jedoch noch viel offener. Derweil im Heute-Journal, sowohl seitens Sievers Anmoderierung als auch im Beitrag von Safiarian kein Hinweis erfolgte darauf, dass die UN die Rückeroberung ausdrücklich begrüßt hat.

Wollte Ihre Redaktion hier Kritik einbringen, so wäre es lohnenswerter gewesen, sich an den Worten des Bürgmeisters von London, Boris Johnson, zu orientieren, welche dieser in einem Beitrag für den Telegraph vom 27.3. wählte:

Darunter diese Feststellung:
"It will not be perfect. It will not be made of the same pinkish-golden stone of that original temple gateway, which Isil has blown to atoms. It will be made of resin. But it will still look amazing, and it will symbolise our collective determination – across the world – to put this ghastly epoch behind us, and to remember that for almost 2,000 years there was a willingness on the part of every conqueror who came to Palmyra to enjoy the architecture for what it was."

Zu den Eroberern von Palmyra, welche Herr Johnson anspricht, zählten auch die Heere eines Tamerlan, dessen Grausamkeiten auch Jahrhunderte später noch bekannt sind. Selbst dieser ging hier in Palmyra nicht so weit wie der Islamische Staat. Der "abscheuliche Tyrann Assad", wie Johnson das formelle Oberhaupt der syrischen Regierungstruppen dennoch nennt, kann dabei mitnichten mithalten mit dem Ausmaß der Zerstörungen, welche ein Tamerlan zu verantworten hatte - weder geographisch noch von der Zahl her. Bei letzterem weise ich nochmals darauf hin, dass die Aufständischen in Syrien keine Unschuldigen sind, ganz im Gegenteil. Die erwähnte Jaish al-Islam, die "Armee des Islam", ist da nur ein Beispiel von vielen.

Eine nachträgliche Verbesserung Ihrer Redaktion bei der Berichterstattung über den Konflikt in Syrien, die sich Ausgewogenheit und präziser Informierung verpflichtet, konnte ich im Verlauf des Monats März nach wie vor nicht erkennen.

Mit freundlichen Grüßen
xxxxxxx*

*Der Name des Verfassers ist dem ZDF und uns bekannt.
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