Saudisches Bombardement im Jemen

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Maren
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Saudisches Bombardement im Jemen

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
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Programmbeschwerde: Nachrichtenunterdrückung. Hier: Saudisches Bombardement im Jemen mit
106 Toten am 15.3 2016


Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

die Luftwaffe Saudi-Arabiens hat am Dienstag, 15. März 2016, in der nordwest-jemenitischen Ortschaft Al Khamees den Marktplatz bombardiert und 106 Menschen getötet, darunter 24 Kinder. Über die Zahl der Verletzten ist immer noch nichts Präzises zu erfahren, sie dürfte aber die der Toten weit übersteigen. Bekannt wurde der volle Umfang des fürchterliches Geschehens erst drei Tage später dank eines Berichts des katarischen TV-Senders Al Jazeera sowie aufgrund einer Erklärung des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, des jordanische Prinzen Zeid Ra’ad Al Hussein; der nannte das Ereignis „ein wahres Blutbad“ und „schwerstes Kriegsverbrechen der jüngsten Zeit“.

Saudi-Arabien, eine der widerwärtigsten Diktaturen unserer Gegenwart, ist bekanntlich aufgrund seines Ölreichtums und seiner geostrategischen Lage enger Verbündeter der USA und damit des „Westens“, und es ist zudem Großkunde der deutschen Rüstungsindustrie. Es verwundert deshalb nicht, dass auch die deutschen Agenturen und Mainstream-Medien, angeführt vom „Flaggschiff der ARD“, der Tagesschau, Mitglieder des internationalen Schweigekartell sind, das den Nachrichtenfluss über den Bombenkrieg Saudi-Arabiens gegenJemen strikt und sorgfältig kanalisiert.

Der Filz von Wirtschaft, Politik und Mainstreammedien erklärt zwar, aber entschuldigt selbstverständlich nicht, dass es auch aus ARD-aktuell höchstens unauffällig tröpfelt, wenn über Kriegsverbrechen der saudischen Blutsäufer im Jemen eigentlich umfangreich zu informieren wäre.

Obwohl der Redaktion bereits am 15. März bekannt war, dass „mehr als 40 Menschen“auf dem Marktplatz (!) in Al Khamees ums Leben gekommen waren, gewiss keinem militärischen Ziel, erschienen über das Bombardement lediglich ein paar dürre Zeilen im einer Internet-Ausgabe der Tagesschau.

Die Seite ist bekanntlich für ARD-aktuell lediglich eine Nischen- und oft eine Alibiveranstaltung. Nur 4% der Zuschauer sehen hier die Nachrichten. Nur 400 Tausend statt der sonstigen durchschnittlich 9 Millionen. Wenn eine Information von hier gegebenem Gewicht diesen 96% vorenthalten wird, dann muss von Absicht, von Nachrichtenunterdrückung gesprochen werden.

Das machen wir hiermit auch. Wir verweisen darauf, dass über das Verbrechen spätestens dann hätte berichtet werden müssen, als die Vereinten Nationen drei Tage danach bekannt gaben, es seien 106 Tote zu beklagen, es werde nun formell untersucht, ob ein Kriegsverbrechen vorliege. Das hätte berichtet werden müssen, und zwar in sämtlichen Ausgabeformaten, in denen die NDR-Hauptabteilung ARD-aktuell ihre Nachrichten anbietet, in der Tagesschau, den Tagesthemen, dem Mittagsmagazin usw. – zumindest, wenn man professionelle journalistische Maßstäbe anlegt und den Programmauftrag sowie die Programmrichtlinien des NDR-Staatsvertrags höher gewichtet als das politische Interesse Berlins oder das ökonomische Interesse der deutschen Rüstungswirtschaft.

Stattdessen bot Dr. Gniffke Beihilfe zur Gesichtswahrung einer mörderischen Herrscherfamilie, anstatt sich an der Front des Informationskrieges zu bewähren.

Höflich grüßen

Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Saudisches Bombardement im Jemen

Beitrag von Maren »

Zur Stellungnahme Dr. Gniffkes vom 12.4.2016 – 106 Bombenterroropfer im Jemen
2016 04 12 GniffkeStellungnahme_Jemen_geschwärzt.pdf
(505.94 KiB) 688-mal heruntergeladen
Herr Dr. Gniffke weist zurück, dass er und seine Redaktion im Bezug auf Saudi-Arabien „Beihilfe zur Gesichtswahrung einer mörderischen Herrscherfamilie" leistet. Nach unserer Auffassung ist dieser Vorwurf berechtigt. Insofern verweisen wir auf die Programmbeschwerde vom 11.1.2016 , in der wir am Beispiel einer Reihe anderer Meldungen belegt haben, warum unsere Beurteilung der ARD-aktuell- Berichterstattung zu Saudi-Arabien zutreffend ist. Herr Dr. Gniffke meint außerdem, dass bei der Gestaltung seiner Nachrichtensendungendie Redaktion "keinesfalls einer politischen Instanz, Partei oder sonstigen Interessengruppen in besonderer Weise verpflichtet ist".

Seine Formulierung "in besonderer Weise" lässt immerhin den Schluss zu, dass es – in welchem Umfang auch immer - ARD aktuell-Verpflichtungen gegenüber politischen Instanzen und Parteien tatsächlich gibt und unserer Vorwurf insoweit unwidersprochen berechtigt ist.

Herr Dr. Gniffke behauptet, rund 2 Mio Zuschauer und Zuschauerinnen nutzten Tagesschau.de. Nach unserer Kenntnis sind das total geschönte Zahlen. In der letzten Woche gab es z. B. nach unseren Informationen 353 000 User mit der Nutzung von jeweis 2,8 Seiten pro Tag. Aber selbst die Zahl zwei von neun Mio Zuschauern bedeutet, dass rund 70 % von einer so wichtigen Nachricht, wie das Ermorden von 103 Menschen durch einen mit Merkel und Steinmeier befreundeten Staat, ausgeschlossen werden. Da Dr. Gniffke sich über die Relevanz im Klaren ist, muss das Ausblenden der Meldung als bewußter Propagandaakt gewertet werden, zumal es nicht das erste Versäumnis in der Berichterstattung über Saudi Arabien war.

Die Ausrede, man habe keinen Sendeplatz in der Tagesschau oder Tagesthemen-Ausgabe gefunden, ist lächerlich. Gerade, wenn es um Tote geht, ist Herr Gniffke in anderen Fällen immer voll engagiert:

Am 15.4. 2016 gab es 7 Filmbeiträge über das Erdbeben in Japan (inzwischen 42 Tote), 6 über den Tempelbrand in Indien (100 Tote), am 28.3.16 2 Filmbeiträge über 70 Tote in Pakistan, am 22.3.16 unzählige Beiträge über die Brüssel-Morde, am 21.3.16 berichtete die Tagesschau über 13 Tote bei einem Busunglück in Spanien usw.

Die 103 Tote im Jemen waren keinen Filmbeitrag wert. Es passt halt nicht ins politische Konzept der deutschen Politik, Saudi Arabien als befreundetes Land negativ zu belasten. Und Herr Dr. Gniffke hat dem durch seine Folgsamkeit wieder einmal Rechnung getragen.


F.Klinkhammer
V.Bräutigam
18.4.2016
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Maren
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Re: Saudisches Bombardement im Jemen

Beitrag von Maren »

Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 21.03.2016

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

beigefügt erhalten Sie das Antwortschreiben von Frau Thümler auf Ihre o. g. Programmbeschwerde, die in der Rundfunkratssitzung am 23.09.2016 abschließend beraten wurde.
Bombardement Jemen_geschwärzt.pdf
(2.96 MiB) 722-mal heruntergeladen

Mit freundlichen Grüßen

_____________________________
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