Programmbeschwerde: Tendenzjournalismus - Rückzug russischer Truppen aus Syrien
TS 15.03. 2016, 20 Uhr, http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... 13075.html
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
der Bericht über den Beginn des Abzugs russischer Kampfflugzeuge aus Syrien ist ARD-aktuell in der Hauptausgabe der Tagesschau einmal mehr zu einem Musterbeispiel feingesponnener antirussischer Propaganda geraten. Diesmal nicht mit dezenten Falschangaben, auch die missbräuchliche Wortwahl überstieg nicht das übliche Maß. Vielmehr verhinderte das Weglassen wesentlicher Zusatzinformationen, dass sich der Zuschauer ein stimmiges Gesamtbild machen konnte.
Studio-Text:
„Nach der überraschenden Ankündigung von Präsident Putin gestern hat Russland damit begonnen, seine Truppen aus Syrien abzuziehen. Erste Militärmaschinen haben nach russischen Angaben bereits ihre Heimatbasis erreicht. US-Außenminister Kerry will kommende Woche in Moskau Gespräche über den Teilabzug führen. Der Beginn des Syrienkrieges jährt sich heute zum fünften Mal.“
Das klingt außerordentlich sachlich und ist es doch nicht, weil die Darstellung so tut, als sei Russland seit fünf Jahren mitverantwortlich für diesen Krieg. Es wird nichts über Kontext und Ziel der Reise des US-Außenministers gesagt und verschwiegen vor allem, dass die USA Haupttriebfeder des Syrienkrieges sind, s. u.a.:
„Indiens Botschafter bestätigt: Krieg in Syrien wurde von aussen angezettelt“
Robert F. Kennedy Jr.: „Warum die Araber uns in Syrien nicht wollen“
Es folgt eine Grafikserie „Fünf Jahre Krieg in Syrien“, auch diese versetzt dem Bericht im Kontext des russischen Abzugs einen propagandistischen Drall. Statistischen Angaben:
250 000 Tote (davon 90 000 Soldaten der regulären syrischen Armee). 4,8 Mio. Flüchtlinge in Nachbarländer (!) 6,6 Mio. Binnenvertriebene im eigenen Land.
Anzumerken ist zu diesen Daten, dass die EU-Staaten sicher keine Nachbarländer Syriens sind, aber ein Viertel der syrischen Asylsuchenden aufnahm; die Bezeichnung „Binnenvertriebene“ für die Gesamtheit der 6,8 Mio Binnenflüchtlinge ist unzutreffend, weil nur ein sehr kleiner Teil dieser Ärmsten Vertriebene im Wortsinne sind.
Der anschließende Korrespondentenbericht enthält als Unappetitlichkeit einen Satz, den Th. Aders von ungenannter Diplomaten an nicht genanntem Ort aufgeschnappt haben will:
„Mit dem Ende des rund fünfmonatigen russischen Kampfeinsatzes an der Seite der syrischen Armee – so Diplomaten heute – wachse der Druck auf Präsident Assad, sich an den Genfer Verhandlungen ernsthaft zu beteiligen.“
Das äußert der gleiche Journalist, der erst wenige Wochen zuvor im Interview von Präsident Assad den Satz überlieferte: „Wenn das syrische Volk will, dass ich diesen Platz räume, dann habe ich das sofort und ohne Zögern zu tun“. Abwegig ist die Andeutung über Assads bisher mangelhafte Verhandlungsbereitschaft, weil der Syrer sich lediglich geweigert hatte, mit Terroristen der al Nusra und des IS zu verhandeln; fehlenden Willen, sich „an den Genfer Verhandlungen ernsthaft zu beteiligen“, kann ein Korrespondent ihm nur unterstellen, wenn er sich dabei hinter nicht genannten Diplomaten unbekannter Herkunft und Bedeutung versteckt.
Erwartungsgemäß enthält der Bericht wieder die ARD-aktuell-typische propagandistische Unterscheidung zwischen guten und bösen Kopfabschneidern. Die Russen hätten bei ihrem Kampfeinsatz:
„Stellungen von Rebellen und islamistischen Milizen unter Beschuss genommen“
Gekrönt wird die ganze Agit-Prop-Darbietung mit einem kontextfreien und dieser Form vollkommen unsinnigen Ban-Ki-Moon-Zitat: „5 Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges steht die Welt vor einer humanitären Katastrophe von nie dagewesenem Ausmaß“
Erstens ist „humanitäre Katastrophe“ eine blödsinnige contradictio in adiecto und ein Produkt der Schaum-vorm-Maul-Journaille. Zweitens hat es in der Menschheitsgeschichte bedauerlicherweise sehr viel größere Katastrophen als die in Syrien gegeben, davon mehrere wie die syrische ausgelöst von unseren „Freunden“ in Washington.
Zusammenfassung: Die Tagesschau bildete den Eindruck ab, Russland führe den Krieg in Syrien, habe ihn zumindest mitverursacht. Kein Wort darüber, dass der Luftwaffen-Einsatz der Russen von Anbeginn begrenzt war und es dabei ausschließlich um das Zurückdrängen bereits siegreicher Terroristenbanden des IS, der al Nusra und der al Kaida ging, von Verbrecherorganisationen also, die sich nach Originalrezepten und mit erheblicher materieller Unterstützung der USA gebildet hatten. Kein Wort über den notwendigen Fortgang des Kampfes gegen den IS, kein Hinweis generell auf die kriegstreiberische Rolle der USA, die Mitwirkung der Blutsäufer-Regimes in Riad und Doha sowie über das kriminelle und kriegsfördernde Treiben des Regimes Erdogan.
Mit einer Berichterstattung aus neutraler Distanz und im Bemühen um genaue und objektive, vor allem vollständige und stimmige Information hatten die TS-Nachrichten in dieser Sendung über den russischen Teilabzug wieder einmal nichts zu tun.
Höflich grüßen
Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer
Programmbeschwerde: Tendenzjournalismus- Rückzug russischer Truppen aus Syrien
Re: Programmbeschwerde: Tendenzjournalismus- Rückzug russischer Truppen aus Syrien
Betreff: Ihre Programmbeschwerde vom 19.03.2016 / "Rückzug russicher Truppen aus Syrien"
Sehr geehrter Herr Bräutigam, sehr geehrter Herr Klinkhammer,
ich bestätige den Eingang Ihrer o.g. Beschwerde.
Gemäß § 7 der Geschäftsordnung des NDR Rundfunkrates ist zunächst dem Intendanten des Norddeutschen Rundfunks
die Möglichkeit einzuräumen, zu Beschwerden Stellung zu nehmen. Ich habe Ihr Anliegen daher an Herrn Lutz Marmor
weitergeleitet mit der Bitte, Ihnen innerhalb von vier Wochen eine Antwort zukommen zu lassen.
Sollte die Antwort des Intendanten Sie nicht zufriedenstellen, können Sie sich erneut an den Rundfunkrat wenden,
der sich dann mit Ihrer Beschwerde befassen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Thümler
Vorsitzende NDR Rundfunkrat
_____________________________
NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Gremienbüro
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
Tel. (040) 4156-3506
Fax (040) 4156-3452
E-Mail: gremienbuero@ndr.de
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Sehr geehrter Herr Bräutigam, sehr geehrter Herr Klinkhammer,
ich bestätige den Eingang Ihrer o.g. Beschwerde.
Gemäß § 7 der Geschäftsordnung des NDR Rundfunkrates ist zunächst dem Intendanten des Norddeutschen Rundfunks
die Möglichkeit einzuräumen, zu Beschwerden Stellung zu nehmen. Ich habe Ihr Anliegen daher an Herrn Lutz Marmor
weitergeleitet mit der Bitte, Ihnen innerhalb von vier Wochen eine Antwort zukommen zu lassen.
Sollte die Antwort des Intendanten Sie nicht zufriedenstellen, können Sie sich erneut an den Rundfunkrat wenden,
der sich dann mit Ihrer Beschwerde befassen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Thümler
Vorsitzende NDR Rundfunkrat
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