An: gremienbuero@ndr.de
Programmbeschwerde: Bootsunglück im Mittelmeer – 500 EU-Opfer
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
wieder sind bei einem Bootsunglück 500 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Das massenhafte Sterben im Mittelmeer ist die direkte Folge der einerseits bellzistischen (Libyen verwüstet), andererseits sich abschottenden (Deals mit der Türkei) Politik der Europäischen Union. 500 Tote bei einem einzigen Bootsunglück – ein solch fürchterliches Unglück hätte der Aufmacher bei ARD-aktuell sein müssen, einen „Brennpunkt“ hätte es gerechtfertigt, ausführlichste Berichte über alle Umstände….
In der ARD-aktuell-Berichterstattung spielte der Vorfall nur eine nachgeordnete Rolle, ganz im Gegensatz zu dem Brüssel-Ereignis, das tagelang in allen denkbaren Variationen (von gefakten Videos bis zu emotional nahegehenden Informationen) den ARD-Bildschirm beherrschte. Es waren diesmal ja wieder bloß Afrikaner bzw. Kleinasiaten, keine wertvolleren Europäer….
Am 20.4.2016 gab es in der Tagesschau-Ausgabe um 20.00 Uhr eine 30 Sekunden-Meldung (an vierter Stelle) über das Unglück und zwar in einer Konjunktiv- Könnte sein - Version.
Am 21.4.2016 folgte in der Frühe um 6.06 Uhr ein 2 :17 m Bericht, der auf 1:14 min gekürzt um 9:14 Uhr wiederholt wurde. Um 17:00 und 17:45 Uhr erschien selbst unter "Wichtige Informationen" keine Nachricht zu dem schrecklichen Unglück.
In der Tagesschau-Ausgabe am 21.4.16 um 20:00 hiess es noch immer, dass sich "das Unglück ereignet haben soll", obwohl die Vereinten Nationen bereits die ersten Geretteten befragt hatten. Auch die Zahl der Opfer wird vernebelt: Obwohl die UNHCR von bis zu 500 Toten spricht, zitiert Tagesschau die Vereinten Nationen mit: "Die Vereinten Nationen vermuten, dass mehrere hundert Menschen umgekommen sind". In den Tagesthemen am Abend gab es zu dem Unglück nicht den geringsten Hinweis mehr. Queens-Geburtstag war wichtiger. Erst in der Nacht – als es kaum noch Zuschauer gab – rang sich ARD-aktuell zu der Nachricht durch, dass die bisherigen Informationen über das Unglück wohl den Tatsachen entsprächen.
Mit Verlaub: Ein unter keinem journalistischen Gesichtspunkt vertretbarer Informationsstil, eine inakzeptable Nachrichtengestaltung. Sie findet ihre Entsprechung in der wachsenden Gleichgültigkeit unserer Gesellschaft gegenüber dem Elend unserer Zeit, sie demonstriert den rapiden Verlust an Mitmenschlichkeit. Es zeigt sich in dieser Art Nachrichtengebung eine geradezu niederschmetternde Achtlosigkeit vor dem Sterben hunderter, tausender unglücklichen Menschen; bedrückend, was der Gniffkesche Qualitätsjournalismus hier für ein Nachrichtenverständnis zeigt.
Diese verzerrende und im Vergleich zu den Brüssel-Ereignissen klägliche – vorwiegend – Nachtzeit- Berichterstattung - ist mit den staatsvertraglichen Programmrichtlinien unvereinbar. Die wesentliche Ursachen des Unglücks – die Zerstörung Lybiens durch die "westliche Wertegemeinschaft" und die EU-Flüchtlingspolitik der Herrschaften Junker, Merkel und Co mittels Versperren ungefährlicher Fluchtwege und damit der Inkaufnahme von Opfern dieser immensen Größenordnung wird in den Sendungen von ARD-aktuell gleich völlig ausgeblendet. Als Verantwortliche werden wie üblich nur die Schlepper genannt. Auch die Vokabel "Menschenrechtsverletzung" war nicht zu hören. Die ist bei ARD-aktuell anderen Anwendungsbereichen vorbehalten, dabei wird nie auf unser Land und unsere Regierung gezeigt oder auf die USA, sondern da werden Russland oder China bezeichtigt.
Es ist die übliche ARD-Polithörigkeit: Im Herbst im Chor mit Frau Merkel eine emotionalisierte Flüchtlingsberichterstattung, jetzt, nach dem Abschluss der inhumanen Flüchtlingsdeals mit der Türkei, wieder das wahre Gesicht: Was kümmern uns die im Mittelmeer Ertrunkenen?
Wir möchten an dieser Stelle zitieren, was ARD-aktuell über den eigenen journalistischen Anspruch kürzlich mit großem Pathos behauptete:
"Die Herren Klinkhammer und Bräutigam bezeichnen die im Blog-Einstieg vom Verfasser gestellte Frage „Gibt es für Journalisten eine moralische Grenze...“ als rhetorisch. Es handelt sich hierbei um eine Frage, die sich nicht nur der Verfasser tatsächlich stellte, sondern die sich alle Mitarbeiter von ARD-aktuell immer wieder stellen und auch in Zukunft stellen werden. Das ist für uns fester Bestandteil eines verantwortungsvollen Journalismus im Dienste des Zuschauers.“
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass uns angesichts der Diskrepanz zwischen Selbstanspruch und Realität bei ARD-aktuell nur noch mit Max Lieberman zu reden einfällt: „Man kann jarnich soville fressen, wie man kotzen möchte".
Mit höflichem Gruß
F. Klinkhammer und V. Bräutigam
Programmbeschwerde: Bootsunglück im Mittelmeer – 500 EU-Opfer
Re: Programmbeschwerde: Bootsunglück im Mittelmeer – 500 EU-Opfer
Programmbeschwerde: Bootsunglück 500 Tote vom 22.4.2016
Erwiderung zur NDR-Stellungnahme vom 13.5.2016
Herr Dr. Gniffke bestätigt mit seinen Angaben unsere Kritik:
Das Bootsunglück im Mittelmeer hatte für ARD-aktuell nur nachrangige Bedeutung. Er räumt faktisch ein, dass die Meldung über 500 im Mittelmeer ertrunkene Menschen in den 20 Uhr-Tagesschau-Ausgaben vom 18.4, vom 20.4. und vom 21.4.2016 als dritte, als vierte und - als das Ausmaß endgültig bekannt war - erst als 5. Meldung - also unangemessen nachrangig - gesendet wurde.
Diese nachrangige Behandlung steht in deutlichem Widerspruch zu anderen Fällen:Das Flugzeugunglück der ägyptischen Maschine am 19.5.16 erschien am 19.5. und am 21.5.16 jeweils als Meldung 1. Die Aleppo-Toten-Meldung am 28.4. rangierte auf Platz 1, auch sonst wurden Syrien-Tote, soweit sie als Opfer von russischem Militär oder der syrischen ARmee ausgegeben werden konnten, auf den vorderen Plätzen geführt, z.B. 29.4., 30.4.. Über die Brüssel-Opfer wurde fast ausschließlich mit Meldung 1 berichtet. "Taliban töten 70 Menschen" am 28.3.16 war bei TS ebenfalls Meldung 1, Tote in Istanbul (19.3.16) Meldung 1.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen und würde bestätigen, dass unsere Ausführungen in der Programmbeschwerde begründet sind. Herr Dr. Gniffkes Ausführungen sind nicht geeignet, unsere Kritik zu widerlegen, sie vernebeln allenfalls das Ausmass der unterschiedlichen Berichterstattung über Opfer von Gewalt, bzw. Folgen westlicher Politik. Dass afrikanische Opfer im Gniffke-Ranking nur nachrangig Beachtung finden, ist nicht unsere Erfindung, sondern ergibt sich aus den nachweisbaren Fakten. Daraus abzuleiten, wir hätten ARD-aktuell damit Rassismus unterstellt, ist eine Gniffke-Spekulation, die ihn offenkundig wegen seiner skandalösen Behandlung der Meldung durch Vorwürfe gegen uns in ein günstiges Märthyerer-Licht stellen soll. Eine beliebte, aber durchschaubare Methode.
Die fehlende journalistische Gewichtung und Einordnung der Meldung verstößt gegen die NDR-Programmrichtlinien.
F.Klinkhammer/ V. Bräutigam
24.5.16
Erwiderung zur NDR-Stellungnahme vom 13.5.2016
Herr Dr. Gniffke bestätigt mit seinen Angaben unsere Kritik:
Das Bootsunglück im Mittelmeer hatte für ARD-aktuell nur nachrangige Bedeutung. Er räumt faktisch ein, dass die Meldung über 500 im Mittelmeer ertrunkene Menschen in den 20 Uhr-Tagesschau-Ausgaben vom 18.4, vom 20.4. und vom 21.4.2016 als dritte, als vierte und - als das Ausmaß endgültig bekannt war - erst als 5. Meldung - also unangemessen nachrangig - gesendet wurde.
Diese nachrangige Behandlung steht in deutlichem Widerspruch zu anderen Fällen:Das Flugzeugunglück der ägyptischen Maschine am 19.5.16 erschien am 19.5. und am 21.5.16 jeweils als Meldung 1. Die Aleppo-Toten-Meldung am 28.4. rangierte auf Platz 1, auch sonst wurden Syrien-Tote, soweit sie als Opfer von russischem Militär oder der syrischen ARmee ausgegeben werden konnten, auf den vorderen Plätzen geführt, z.B. 29.4., 30.4.. Über die Brüssel-Opfer wurde fast ausschließlich mit Meldung 1 berichtet. "Taliban töten 70 Menschen" am 28.3.16 war bei TS ebenfalls Meldung 1, Tote in Istanbul (19.3.16) Meldung 1.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen und würde bestätigen, dass unsere Ausführungen in der Programmbeschwerde begründet sind. Herr Dr. Gniffkes Ausführungen sind nicht geeignet, unsere Kritik zu widerlegen, sie vernebeln allenfalls das Ausmass der unterschiedlichen Berichterstattung über Opfer von Gewalt, bzw. Folgen westlicher Politik. Dass afrikanische Opfer im Gniffke-Ranking nur nachrangig Beachtung finden, ist nicht unsere Erfindung, sondern ergibt sich aus den nachweisbaren Fakten. Daraus abzuleiten, wir hätten ARD-aktuell damit Rassismus unterstellt, ist eine Gniffke-Spekulation, die ihn offenkundig wegen seiner skandalösen Behandlung der Meldung durch Vorwürfe gegen uns in ein günstiges Märthyerer-Licht stellen soll. Eine beliebte, aber durchschaubare Methode.
Die fehlende journalistische Gewichtung und Einordnung der Meldung verstößt gegen die NDR-Programmrichtlinien.
F.Klinkhammer/ V. Bräutigam
24.5.16
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