Bayerischer Rundfunk
Dr. Katja Wildermuth, Intendantin
Rundfunkplatz 1
80335 München
Katja.Wildermuth@br.de
Programmbeschwerde über kulturelle Aneignung und die Verletzung der Eigenart Bayerns [gemäß Bayerisches Rundfunkgesetz (BayRG)]
Sehr geehrte Frau Dr. Wildermuth,
als gebürtiger Oberpfälzer habe ich mir am 11. Mai 2024 die Sendung "Geschichten aus der Oberpfalz: Im Norden" im BR Fernsehen um 13:30 Uhr anschauen wollen. Leider sah ich mich veranlasst, schon gleich am Anfang bei den Bildern um Leuchtenberg im Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald erzürnt wieder abzuschalten, denn die unterlegte Musik war absolut gräßlich unpassend.
Wie kommt der Bayerische Rundfunk auf die Idee, eine altbayerische Landschaft mit Musik der Sängerin Sara Evans aus Booneville in Missouri (USA) unterzulegen? Wo ist hier der Bezug? Was hat das mit der Oberpfalz zu tun, wenn eine Amerikanerin in englischer Sprache davon singt, dass sie sich die Zähne geputzt hat und zur Arbeit fährt?
Empört bin ich auch deshalb, weil der Bayerische Rundfunk bei Reportagen über Regionen außerhalb Bayerns durchaus Bilder und Musik passend auswählt, so zum Beispiel bei der "Gartenreise durch Südtirol" (BR, 1. April 2024), wo landestypisch die Begleitmusik des Südtiroler Musikers Herbert Pixner verwendet wird.
Ich mache mir die Mühe dieses Schreibens nicht nur wegen des aktuellen Vorfalls vom 11. Mai, aber dieser hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Es kommt ja ständig vor, dass der BR bei Sendungen mit Bezug zur bayerischen Heimat bei der Musikbegleitung kräftig "daneben langt". Dabei entsteht der Eindruck, dass die Personen, die die Musikbegleitung auswählen, gar nicht verstehen, was da gesungen wird.
Beispiele:
● Was hat Bobby Hebbs Soulsong "Sunny", in dem der Südstaaten-Amerikaner seine Eindrücke von der Ermordung Kennedys verarbeitet, mit Bildern der Gemeinde Schnaitsee im Landkreis Traunstein zu tun? (Sendung "freizeit-Schmidt Max mit dem Bulli durch Bayern" vom 11.06.2023)
● Was hat der Artsong "Changes" des Engländers David Bowie über die zwanghafte Natur seiner künstlerischen Neuerfindung mit Bildern von einer fränkischen Gartenwirtschaft am Ludwig-Donau-Main-Kanal zu tun? (Sendung "freizeit-Radeln am Ludwig-Donau-Main-Kanal" vom 27.04.2022)
● Was hat Tom Jones' Lied "Green, Green Grass of Home" vom Traum eines Mannes in der Nacht vor seiner Hinrichtung mit dem Markt Schmidmühlen im Oberpfälzer Landkreis Amberg-Sulzbach zu tun? Gibt es dort eine Richtstätte? (Sendung "Geschichten aus der Oberpfalz: In der Mitte" vom 27.04.2024)
Die Sendungen des Bayerischen Rundfunks sollen nach Art. 4 Bayerisches Rundfunkgesetz (BayRG) der Eigenart Bayerns gerecht werden. Gehören nach Auffassung der Programmverantwortlichen des BR bayerische Landschaften in der Oberpfalz, in Franken und in Oberbayern kulturell zum angloamerikanischen Kulturraum? Über diese kulturelle Aneignung wundert sich auch meine Frau, eine gebürtige US-Amerikanerin. Die Verknüpfung von Bildern aus Bayern mit der Musik aus den USA empfindet sie als groteske cultural appropriation.
Ein weiteres krasses Beispiel für den musikalischen “Doppelstandard” beim BR ist ausgerechnet die Bergsteigersendung Bergauf-Bergab:
● In der Sendung vom 26.11.2023 über die französische Dauphiné hört man als Musikbegleitung landestypisch Le long de la route von Isabelle Geffroy aus Tours.
● In der Sendung vom 25.02.2024 über das bayerische Karwendel hört man als Musikbegleitung Apache von Jerry Lordan über einen indianischen Apachenkrieger. Sind die Menschen im Karwendel amerikanische Ureinwohner?
Kann es sein, dass die langjährige Beschallung der BR-Seher und -Hörer mit angloamerikanischer Musik dazu geführt hat, dass man das Fremde gar nicht mehr erkennt, bis hin zu den Programm-Machern selbst, die Fremdes gar als Eigenes apperzipieren? Ich wiederhole, dass das kulturelle Aneignung ist, wobei die übernommenen Bestandteile kultureller Identität (Musik) aus dem Kontext gerissen oftmals falsch oder verzerrt reproduziert werden.
Ich mache diese Beschwerde einem breiten Kreis von Empfängern zugänglich, denn hier wird ein sehr tiefsitzendes prinzipielles Problem des BR aufgeworfen. Man hat nämlich den Eindruck, dass die Marktmacht des Senders — mit Beitragseinnahmen von mehr als einer Milliarde Euro — die bayerische kulturelle Identität durch die stete Überlagerung heimischer Bilder mit ausländischen Klängen nachhaltig entwurzelt. Das geht schon so weit, dass diese Dissonanz vielen Menschen erst ins Bewusstsein rückt, wenn man sie darauf aufmerksam macht. Viele Menschen haben sich scheinbar abgewöhnt, verstehen zu wollen, was denn da gerade im Fernsehen oder Radio gesungen wird (dabei geht es nicht nur um die sprachlichen Fähigkeiten, sondern auch den kulturellen Kontext, siehe Beispiele oben).
Vielleicht argumentiert man beim BR, dass die gewählte Musik oberflächlich gefällig ist und nur einer Minderheit die Diskrepanz von Ton und Bild auffällt oder sie gar stört? Hier hätte der langjährige stete Tropfen den Stein tatsächlich gehöhlt! Damit übrigens kein Missverständnis entsteht: Ich habe überhaupt nichts gegen Nicht-bayerische Musik, sondern finde französische Chansons oder amerikanischen Blues sehr schön, aber alles zu seiner Zeit und an seinem Platz. Warum werden französische Landschaftsaufnahmen mit französischer Musik begleitet und bayerische Landschaftsaufnahmen mit amerikanischer Musik?
Ich möchte Sie deshalb bitten, mir folgende Fragen zu beantworten:
● Wie kommt die Musikauswahl für Filmbeiträge des BR zustande (Selektionsprozess)?
● Wie hoch sind die Beträge (Tantiemen), die durch die Musikauswahl des BR an ausländische Rechteinhaber gehen, und wie hoch sind sie für heimische Produktionen?
● Unterläuft der BR nicht das erklärte Ziel seiner Rechtsaufsicht, des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, die künstlerische und kulturelle Vielfalt Bayerns zu fördern und zu unterstützen?
● Der BR wirbt damit, dass sich über acht Millionen Menschen in Deutschland täglich für den Bayerischen Rundfunk entscheiden würden. Machen Sie Programm für Bayern, oder sehen Sie ihre Rolle überregional (das legen die Worte eines Ihrer Redakteure nahe, der bei einem Besuch im BR geäußert hat, der BR mache Programm aus Bayern)?
Nachdem der BR kein privatwirtschaftliches Unternehmen ist, sondern eine Anstalt öffentlichen Rechts, erlaube ich mir als mitfinanzierender Gebührenzahler Sendungen einzufordern, bei denen ich nicht abschalten muss.
In Erwartung Ihrer Antworten und von weniger kognitiver Dissonanz beim Fernsehen verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Dr. Erich Weichselgartner
Programmbeschwerde über kulturelle Aneignung und die Verletzung der Eigenart Bayerns
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